Mozart. Karl Storck

Mozart - Karl Storck


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Graf Firmian, ein hochgebildeter und echt musikalischer Mann, ihr eifrigster Gönner. Er verschaffte bei einer großen Gesellschaft dem Knaben die Gelegenheit, zu zeigen, daß er zur Schöpfung ernster dramatischer Musik vollauf befähigt sei. Die drei Arien, in denen Wolfgang die verschiedenen Seiten des damaligen Kunstgesangs ausgiebig bedachte, hatten auch solchen Erfolg, daß er für die nächste Stagione die Scrittura erhielt, also für die nächste Theatersaison eine Oper in Auftrag bekam. Man versprach ihm dazu die hervorragendsten Sänger und ein Honorar von 100 Florentiner Goldgulden. Das war ein herrlicher Erfolg, der beiden noch dadurch angenehmer wurde, daß man das Textbuch nachschicken wollte und die Bedingungen so stellte, daß die Rezitative im Oktober nach Mailand eingeschickt werden sollten, der Komponist aber erst mit Anfang November dort sein mußte, um dann in Gegenwart der Sänger die Oper zu vollenden und für die auf den 26. Dezember angesetzte Erstaufführung einzustudieren. So war ihnen die Möglichkeit geboten, ihren Reiseplan durch Italien ungestört auszuführen mit der schönen Zuversicht, ihre Reise durch eine glänzende äußere Veranstaltung im besten künstlerischen Sinne krönen zu können. Im März führte dann die Reise über Lodi, wo Mozart sein erstes Quartett komponierte, und Parma nach Bologna, wo sie im Hause des Grafen Pallavicini die herzlichste Aufnahme fanden.

      Wie vorher in Mailand der bedeutendste Vertreter der italienischen Intrumentalmusik, der greise Giambattista Sammartini (1704–1774), der einst der Lehrer Glucks gewesen, das überragende Genie des Knaben gepriesen hatte, so hier in Bologna der Padre Giambattista Martini (1705–1784), der angesehenste Kirchenkomponist der Zeit, vor allem aber berühmt als vortrefflichster Kenner des polyphonen Stils und bedeutender Musikgelehrter. Der junge Mozart hat von seinem Unterricht reichlichen Gewinn gehabt, denn der immer freundliche Franziskaner war dem lieben Knaben besonders zugetan. Wie sehr Wolfgang bemüht war, seine musikalischen Kenntnisse zu bereichern, wie es aber auch andererseits der Vater einzurichten verstand, daß er auf der Reise stets Zeit und Gelegenheit zu ruhiger Arbeit hatte, beweist die Art, wie er sich in Florenz aus den streng kontrapunktischen Arbeiten des Marquis de Ligniville eine ganze Reihe von Sätzen abschrieb, wie er sich außerdem in der schweren Kunst des Kanons übte. Der Padre Martini hatte ihm in Bologna die vollendeten Teile seiner gelehrten Musikgeschichte geschenkt, und der Knabe hat sich sofort darin versucht, die Kunststücke, zu denen Beispiele dort mitgeteilt waren, selber nachzumachen. Nach kurzem Aufenthalt in Florenz, wo Wolfgang mit dem gleichaltrigen, aber früh der Kunst wieder entrissenen Engländer Thomas Linley innige Freundschaft schloß, langten sie am Mittwoch in der Karwoche in Rom an. Sie hatten gerade noch Zeit, in der Sixtinischen Kapelle das »Miserere« von Allegri zu hören, wobei Wolfgang die oft besprochene glänzende Probe seines Gehörs und seines Gedächtnisses ablegte. Domenico Allegris »Miserere« wurde immer am Mittwoch und Freitag der Karwoche gesungen. Es wechselt in vier- und fünfstimmigen Chorsätzen ab und wird von einem neunstimmigen Chor beschlossen. Die Aufführung galt als eine Musterleistung der Kapelle, deren Mitglied Allegri von 1629 ab gewesen war. »Du weißt,« schreibt Leopold seiner Frau, »daß das hiesige berühmte ›Miserere‹ so hoch geachtet ist, daß den Musicis der Kapelle unter der Exkommunikation verboten ist, eine Stimme davon aus der Kapelle wegzutragen, zu kopieren oder jemanden zu geben. Allein wir haben es schon. Wolfgang hat es schon aufgeschrieben, und wir würden es in diesem Briefe nach Salzburg geschickt haben, wenn nicht unsere Gegenwart, es zu machen (d. h. zur Aufführung), notwendig wäre. Die Art der Produktion muß mehr dabei tun als die Komposition selbst. Wir wollen es auch nicht in andere Hände lassen, dieses Geheimnis ut non incurramus mediate vel immediate in censuram ecclesiae.« Bei der Wiederholung am Freitag ergänzte Wolfgang in das im Hut verborgene Manuskript die wenigen Stellen, die ihm nicht treu im Gedächtnis geblieben waren. Des Knaben Unternehmen war aber doch ruchbar geworden, und bei einer in größerem musikalischem Kreise vorgenommenen Vergleichung ergab sich die genaue Übereinstimmung, was natürlich ein gewaltiges Staunen hervorrief. Die Leistung Mozarts wird dadurch nicht weniger bewundernswert, als natürlich die Geheimhaltung der Komposition keineswegs eine so ängstliche war, vielmehr ziemlich feststeht, daß der Papst selbst verschiedene Abschriften an befreundete Höfe abgegeben hat. Dagegen hat der alte Mozart richtig erkannt, daß die wunderbare Wirkung der Komposition »mehr auf der Produktion« beruhte. Es nimmt keineswegs eine Sonderstellung innerhalb der großen kontrapunktischen Literatur ein, und es haben seither schon viele, die das »Miserere« an anderer Stelle hörten, dieselbe Enttäuschung erlebt wie der alte Metastasio, der in seinen Briefen erzählt, daß eine Aufführung des »Miserere« von guten Sängern in Wien ihn völlig kalt gelassen habe, während er dadurch in der Sixtinischen Kapelle in Ekstase versetzt worden war. Wir erleben eben bei aller Kunst die Bedeutung der Einheit des Stils, zu der auch die gesamte Umgebung, in der ein Kunstwerk vorgeführt wird, und die Einstimmung der Zuhörer gehört.

      Nach den kirchlichen Festen drängten sich für Mozarts die Festlichkeiten in den vornehmen Häusern. Die Bewunderung für die Leistungen des Knaben wuchs, je weiter sie nach Süden kamen. »Aber«, konnte Vater Leopold hinzufügen, »der Wolfgang bleibt mit seiner Wissenschaft auch nicht stehen, sondern wächst von Tage zu Tage, daß die größten Meister und Kenner nicht Worte genug finden können, ihre Bewunderung an den Tag zu legen.« Am 8. Mai brachen sie von Rom auf nach Neapel, wo sie bis Mitte Juni blieben. Der Hof, an den sie von Wien aus warm empfohlen waren, hegte zwar kein größeres Interesse für Musik, bereitete aber den Fremden eine liebenswürdige Aufnahme, worauf dann die vornehme Gesellschaft in Gunstbezeugungen wetteiferte. Das öffentliche Konzert am 28. Mai war glänzend besucht und brachte großen Gewinn. Aber die Gewandtheit von Wolfgangs linker Hand war man so erstaunt, das man auf den Gedanken kam, er habe einen Zauber im Fingerring, so daß er ihn abziehen mußte.

      Die herrliche Natur Neapels, überhaupt Italiens, hat natürlich ihren Eindruck auf die Mozarts nicht verfehlt. Manche Stelle in den Briefen des Vaters belegt das. Dagegen deuten in Wolfgangs Briefen nur knappe Worte auf solche Empfindungen. Das muß erwähnt werden, weil es leicht falsch gedeutet werden könnte. Auch in den späteren Briefen Mozarts findet sich kaum ein Wort der Schilderung, und man könnte meinen, daß der Künstler keinen Blick für alles das Schöne hatte, was seinen Augen sich bot. Das wäre ein Irrtum. Für die spätere Zeit wissen wir aus zahlreichen sonstigen Zeugnissen von Mozarts Liebe zur Natur, von der Förderung, die sein Schaffen durch das Weilen in schöner Landschaft erfuhr. Aber Mozart spricht und schreibt überhaupt von seinen persönlichen Erlebnissen nur so viel, als die daheim wissen müssen. Seine liebevolle Natur denkt immer nur an andere. So zeigen auch die Brieflein aus Italien in geradezu rührender Weise, wie Wolfgang inmitten der tausend Zerstreuungen die wärmste Teilnahme auch für das kleinste Geschehen daheim bewahrt. Man darf als sicher annehmen, daß der Aufenthalt in Italien durch die klare Linienführung dieser Natur, ihre Sonnigkeit, die günstige Wirkung auf Mozarts Kunstgefühl noch vertiefte, die das schöne Salzburg schon auf das Kind geübt hatte. Der Vater ließ aber auch keine Gelegenheit vorübergehen, die Kunstschätze der verschiedenen Städte seinem Sohne zu zeigen, auch nach Vermögen Kupferstiche zu sammeln, die dann zu Hause reichen Stoff für die Unterhaltung der Winterabende abgaben. Aber, auch für das Volksleben und für die gesamten volkswirtschaftlichen Verhältnisse hatte er ein offenes Auge. In musikalischer Hinsicht genossen sie vor allem die Aufführungen der komischen Oper und der großen Oper in San Carlo, wo sie Zeuge wurden, daß Iomellis an deutscher musikalischer Arbeit bereicherte Kunst seinen Landsleuten, die ihn früher so sehr gefeiert hatten, kein Gefallen abgewinnen konnte. Wolfgang stimmte den Italienern ziemlich bei, er fand die Musik schön, »aber zu gescheut und zu altväterisch für das Theater«.

      Ende Juni fuhren sie nach Rom zurück, wobei der Vater bei einem Wagenunfall recht erheblich verletzt wurde. Jetzt verlieh der Papst dem Knaben dieselbe Auszeichnung, die zwanzig Jahre zuvor Gluck zuteil geworden war, nämlich das Ordenskreuz vom goldenen Sporn, womit der Rittertitel verknüpft war. Im Gegensatz zum »Ritter« Gluck hat Wolfgang später auf diese Auszeichnung kein besonderes Gewicht gelegt. Wertvoller war ihm die Auszeichnung, die ihm danach in Bologna zuteil wurde, wo sie am 20. Juli wieder anlangten und aufs neue der reichen Gastfreundschaft des Hauses Pallavicini sich erfreuten. Nicht nur daß der Padre Martini, dessen Umgang sie jetzt reichlich genossen, ein glänzendes Zeugnis ausstellte, auch die Philharmonische Akademie nahm ihn nach vorschriftsmäßig abgehaltener Prüfung unter ihre Mitglieder als Compositore auf, und das war eine wirksame, allgemein hoch anerkannte Auszeichnung.

      Nun


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