Tödliche Rendite. Irene Dorfner

Tödliche Rendite - Irene Dorfner


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immer den passenden Wein und traf damit genau ins Schwarze. Außerdem war sie sehr freundlich und gab ein großzügiges Trinkgeld – alles Kriterien, an die man sich gerne erinnerte. Vom Personal der hochkarätigen Restaurants in München, Erding und Rosenheim ließ sie sich die Begleitung von Frau Nagel beschreiben.

      „Ich habe etwas Besseres“, sagte Jean, der Kellner des Erdinger Restaurants „Petit Rouge“. Er ging nach hinten und kam mit einem USB-Stick wieder zurück. „Frau Nagel und ihre Begleitung waren am neunten November letzten Jahres unsere Gäste. Ich erinnere mich daran, da ich an diesem Tag Geburtstag hatte und Frau Nagel so lieb war, mir einen ganz besonderen Whiskey auszugeben. Erst lehnte ich ab, aber sie hatte darauf bestanden. Ein ganz vorzüglicher Tropfen, den ich mir selbst nicht leisten kann.“

      „Und was genau finde ich auf dem Stick?“

      „Nach Feierabend habe ich meine Kollegen eingeladen und wir haben gefeiert, selbstverständlich im Einvernehmen mit dem Chef. Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Spaß wir alle hatten. Als nachträgliches Geburtstagsgeschenk bekam ich Fotos meines Ehrentages, die Sylvie gemacht hatte. Darauf sind auch Aufnahmen, wie ich diesen besagten Whiskey von Frau Nagel bekommen habe.“

      „Sie meinen…?“

      „Darauf ist ganz sicher deren Begleitung zu sehen.“

      Anita machte sich sofort an die Arbeit. Sie öffnete ihren Laptop und kopierte alle Fotos.

      „Ich werde damit sorgsam umgehen, machen Sie sich keine Sorgen. Mir geht es nicht um private Aufnahmen, sondern nur um diesen besagten Mann. Vielen Dank, Jean, Sie haben mir sehr geholfen.“ Anita steckte ihm einen Schein zu, den er gerne annahm.

      Sie fuhr umgehend in ihr Büro, um die Fotos zu sichten. Darauf war tatsächlich der Mann, nach dem sie suchte, deutlich zu sehen. Diese Bilder waren sehr viel besser als die aus dem Medaillon und den Überwachungskameras. Jetzt wusste sie, mit wem sie es zu tun hatte. Aber noch hatte sie keine Ahnung, wie der Mann hieß und wo sie ihn finden konnte. Der Name Herbert Braunbach führte sie ins Leere. Wie viele Telefonate sie mit Braunbachs geführt hatte, konnte sie nicht mehr zählen. Sie war sicher, dass der Richtige nicht dabei war. Dass dieser Name überhaupt echt war, bezweifelte sie.

      Sie musste einen neuen Weg einschlagen und wandte sich den Schmuckstücken zu, die laut den Expertisen sehr teure Einzelanfertigungen waren. Die verhökerte man nicht einfach mal so auf dem Schwarzmarkt, damit musste man sich an exklusive Juweliere halten, die damit solvente Kunden erfreuen konnten.

      Viele Hinweise trafen ein, nachdem die Juweliere verstanden, dass diese Käufe offenbar nicht ganz sauber waren. Niemand wollte mit dubiosen Geschäften zu tun haben. Der wichtigste Hinweis kam von einem Juwelier am Starnberger See, wo dem Inhaber ein sehr auffälliges Schmuckstück angeboten wurde, das längst verkauft war. Anita beruhigte den Juwelier Pauchritsch, der außer sich war.

      „Der Kauf war absolut legal, machen Sie sich darüber keine Sorgen. Ich bin auf der Suche nach demjenigen, der Ihnen den Schmuck verkauft hatte. Er hat die eigentliche Besitzerin über den Wert getäuscht. Ich nehme an, dass Sie nicht nur eintausendzweihundert Euro für die opulente Kette bezahlt haben?“ Anita pokerte hoch, denn sie hatte keine Ahnung, wie viel das Schmuckstück tatsächlich eingebracht hatte. Aber wie sonst sollte sie den Juwelier aus der Reserve locken, der sonst niemals die echten Beträge offenlegte?

      „Nein, wie kommen Sie nur darauf? Schon allein der Goldwert liegt bei dreitausend Euro. Dazu die lupenreinen Steine, die überaus wertvoll sind. Ich habe Herrn Braunbach einen angemessenen Ankaufspreis in Höhe von zwölftausendachthundert Euro ausbezahlt.“ Dass Pauchritsch dieses schöne und einmalige Stück für fast das doppelte verkauft hatte, musste er nicht preisgeben. Der Ankaufswert war in Ordnung und er musste sich deshalb keine Vorwürfe machen.

      „Die Identität des Mannes ist falsch“, sagte Anita.

      „Das kann nicht sein, ich habe mir den Personalausweis zeigen lassen, von dem ich selbstverständlich eine Fotokopie gemacht habe.“

      „Könnte ich die haben?“

      „Gerne. Wenn Sie mögen, kann ich Ihnen auch die Bilder der Überwachungskamera zukommen lassen.“

      Anita war begeistert und versprach, die ganze Angelegenheit, die Pauchritsch sehr unangenehm war, diskret zu behandeln. Auch bat er darum, wenn möglich seinen Namen aus der ganzen Sache herauszuhalten, was sie ihm gerne versprach.

      Nur wenige Minuten später kamen die gewünschten Unterlagen per Mail. Sofort machte sich Anita an die Arbeit. Sie war gespannt, ob sie hiermit auf einer heißen Spur war. Die Bilder waren sehr gut und sie begann, jede einzelne Sequenz zu vergrößern. Auf einem Spiegelbild in einer Vitrine entdeckte sie einen Wagen mit einem Münchner Kennzeichen. Sie rief Pauchritsch erneut an.

      „Sie schon wieder!“ Der Juwelier war genervt von der penetranten Person, die es geschafft hatte, ihn zu verunsichern. Erst, nachdem er die Informationen per Mail an die Frau abgesandt hatte, wurde ihm bewusst, was er getan hatte. War die Frau überhaupt berechtigt, diese zu bekommen? Wer war sie überhaupt? Sie hatte ihn überrumpelt und verunsichert, was ihm leider sehr oft passierte. Wenn er doch nur dieses verdammte Schmuckstück nie angenommen hätte!

      „Zuerst möchte ich mich nochmals ausdrücklich für die Bilder bedanken, die Sie mir zukommen haben lassen. Ich habe auf einer Aufnahme einen Wagen mit Münchner Kennzeichen entdeckt. Könnte es sein, dass es sich dabei um Ihren Wagen handelt? Oder gehörte der gar dem Mann, nach dem ich suche?“

      „Das ist nun wirklich zu viel verlangt, Frau Seidl! Woher soll ich wissen, wem der Wagen gehört? Mir jedenfalls nicht!“

      „Wo parken Ihre Kunden normalerweise?“

      „Es gibt keinen ausgewiesenen Firmenparkplatz, leider. Meine Kunden parken in der Nähe oder kommen mit dem Taxi.“ Pauchritsch wollte die Frau abwimmeln, auch wenn er wusste, dass das der Wagen des Verkäufers sein musste. Aber wenn nicht, würde er die Frau auf eine falsche Spur führen und einen Unbeteiligten mit reinziehen, das wollte er nicht.

      Anita hatte genug gehört. Sie machte sich daran, den Halter des Fahrzeugs ausfindig zu machen. Hierfür hatte sie einen Kontakt mit Namen Katja aufgetan. Von ihr kannte sie nur den Vornamen, mehr nicht. Der Kontakt bestand aus einer Mailadresse, die Bezahlung ging auf ein Schweizer Nummernkonto. Wer sich hinter der Frau verbarg, wenn es denn eine war, dann war die Tarnung perfekt. Katja hatte ihr bisher schon gute Dienste geleistet, die sie sich auch fürstlich bezahlen ließ. Anita zahlte ihr gerne die geforderten Beträge, denn erstens kam sie selbst nur sehr schwer an manche Informationen, und zweitens ersparte sie sich dadurch sehr viel Zeit.

      Nach einer kurzen E-Mail-Nachricht bekam sie sofort eine Antwort.

      „Ich kümmere mich darum, Katja“

      Jetzt hieß es warten. Anita drückte auf die Taste ihres neuen Kaffee-Vollautomaten, der für sie allein völlig überzogen war. Dampfender Espresso lief in eine pinkfarbene Tasse, auf der ein lustiges Kamel abgebildet war. Das war nicht ihr Geschmack, aber die Tassen waren eine kostenlose Beigabe zur Maschine und sie gedachte, diese auch zu benutzen.

      Während sie trank, sah sie sich die Bilder wieder und wieder an. Sie notierte jede Einzelheit, die sie an dem Gesuchten bemerkte. Hierzu war auch das Foto von Jean hilfreich. Der Unbekannte war etwa fünfundsechzig. Sie schätzte ihn auf einen Meter achtzig. Die Figur war sportlich und die Erscheinung elegant lässig. Die Kleidung war sicher nicht billig, auch wenn das täuschen konnte. Auf Bildern war nicht zu erkennen, ob es sich um echte Markenkleidung oder um Fake-Ware handelte, was auch auf die Uhr zutraf, die protzig wirkte. Ihr fiel auf, dass die Haarfarbe auf den Fotos variierte. Das könnte daran liegen, dass zwischen beiden Aufnahmen mehrere Monate lagen. Allerdings könnte es auch sein, dass der Mann in der Farbe nachgeholfen hatte. Männer waren seit Jahren davon überzeugt, dass es sexy aussah, wenn die Schläfen grau waren – und halfen dementsprechend nach. Anita empfand das als absolut dämlich, aber das war ihre persönliche Meinung.

      Sie ließ einen weiteren Espresso laufen und besah sich die Fotos erneut. Sie vergrößerte das Gesicht des Mannes. Die Augenfarbe konnte man nicht erkennen,


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