Der perfekte Sündenbock. Irene Dorfner

Der perfekte Sündenbock - Irene Dorfner


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Paul die Informationen hatte, hinterfragte Eberwein nicht. Das war ein Versäumnis, das er jetzt bereute. Wendel war ein Typ, der einen zutexten und gleichzeitig überzeugen konnte. Es dauerte nicht lange und Eberwein wurde von seinem neuen Freund und künftigen Geschäftspartner dazu überredet, den Fall Fuchs abzugeben, auch wenn Paul das überhaupt nichts anging. Trotzdem klangen die Argumente für Eberwein überzeugend und er hatte darauf reagiert. Jetzt schämte er sich dafür, dass er sich von einem Außenstehenden hatte reinquatschen und überreden lassen. Nein, das hätte er nicht machen dürfen. Das war ein Fehler, den er jetzt schnellstens bereinigen musste. Er trank einen weiteren Schluck, stieg aus und betrat erneut das Gebäude der Polizeiinspektion Mühldorf am Inn. Eberwein musste vor Krohmer zu Kreuze kriechen und alles beichten. Das war ein unangenehmer Gang, aber den musste er beschreiten, wenn er noch rechtzeitig die Reißleine ziehen wollte, bevor noch auf ihn selbst ein schlechtes Licht geworfen wurde.

      Dr. Paul Wendel war irritiert. Der Staatsanwalt hatte einfach aufgelegt, nachdem er ihm die Freundschaft und die geplante Zusammenarbeit gekündigt hatte. Wendel wurde wütend. Was fiel diesem windigen Staatsdiener eigentlich ein, so mit ihm umzugehen? Viele andere würden sich die Hände reiben, wenn er sie als Freund bezeichnen würde und ihnen eine Zusammenarbeit anböte. Er goss sich einen Wodka ein, auch wenn es dafür eigentlich noch viel zu früh war. Es klopfte und seine Sekretärin trat ein.

      „Jetzt nicht!“, herrschte er sie an, woraufhin sie umgehend verschwand. Sie kannte die Launen des Chefs und wusste, wie sie damit umzugehen hatte. Für die nächsten Stunden war es besser, ihm nicht zu begegnen.

      Dr. Wendels Wut auf Eberwein stieg. Das hatte der Staatsanwalt nicht umsonst gemacht! Er würde seine Kontakte spielen lassen und versuchen, Eberwein ans Bein zu pinkeln. Wie er das machen würde, wusste er noch nicht, aber dazu fiel ihm ganz sicher noch etwas ein. Die Beförderung konnte sich der Typ auf jeden Fall in die Haare schmieren, dafür würde er sorgen!

      Dr. Wendel wählte nach einem weiteren Wodka die Nummer in seinem Privathandy, mit der er in den letzten Monaten regen Kontakt pflegte.

      „Wir müssen damit rechnen, dass sich die Polizei Mühldorf vermutlich nun doch in den Mordfall Zimmermann einmischen wird. Noch ist nichts spruchreif, aber ich rechne fest damit.“

      „Warum denn das? Hattest du nicht vollmundig damit geprahlt, dass du das klären wirst?“

      „Ja, das habe ich. Was soll ich machen? Es ist, wie es ist.“

      „Du hast hoffentlich meinen Namen aus der Sache rausgehalten!“

      „Selbstverständlich, ich bin doch kein Idiot. Der Staatsanwalt hat nicht einmal wissen wollen, woher ich meine Informationen habe. Den habe ich so belabert, dass er gar nicht erst auf die Idee kam, mich zu fragen. Auf mich kannst du dich verlassen, das weißt du doch. Also bleib locker und reg dich nicht auf. Wie weit bist du mit deiner Arbeit?“

      „Mach dir um mich keine Sorgen, bei mir läuft alles wie geschmiert.“

      „Es gibt noch etwas: Eberwein ist abgesprungen, er ist nicht mehr dabei.“

      „Endgültig?“

      „Ja.“

      „Verdammter Mist! Der Staatsanwalt hätte als Investor sehr gut gepasst. Mit ihm und seinen Kontakten hätten wir es leichter gehabt. Warum ist er abgesprungen? Was hast du getan?“

      „Das spielt doch jetzt keine Rolle mehr. Ich kümmere mich um einen adäquaten Ersatz.“

      „Soll ich das nicht übernehmen?“

      „Nein, ich mache das schon“, brummte Wendel, der noch keinen blassen Schimmer hatte, wer dafür in Frage käme. Er kannte zwar jede Menge Leute, war aber in der Auswahl seiner Geschäftspartner sehr wählerisch.

      „Vermassele die Sache nicht, hörst du?“

      „Halt die Klappe und kümmere dich um deine Angelegenheiten.“

      7.

      Dr. Wilhelm Grössert hatte sich große Mühe damit gegeben, seinen Mandanten zu beruhigen. Er spürte, dass Fuchs große Angst hatte, was er durchaus nachvollziehen konnte.

      „Ich gebe die Informationen weiter und werde versuchen, Entlastungszeugen zu finden. Irgendjemand in Ihrer Nachbarschaft muss doch etwas gesehen haben. Sie haben mir freie Hand gegeben und ich verspreche Ihnen, dass ich mich umgehend an die Arbeit mache. Ich habe Ihr Einverständnis, dass man sich in Ihrem Privatbereich umsehen darf?“

      „Selbstverständlich. Ich vertraue Ihnen, Dr. Grössert, dass Sie Privates, das nichts mit dem Fall zu tun hat, nicht an die große Glocke hängen. Ich mag es nicht, wenn Arbeit und Privates vermischt wird. Darauf habe ich immer sehr viel Wert gelegt und dabei soll es auch bleiben.“

      „Das versteht sich von selbst. Geben Sie den Mut nicht auf. Ich werde alles dafür tun, damit Sie rasch wieder auf freien Fuß kommen.“

      „Damit rechne ich, denn dafür bezahle ich Sie. Und wie ich Sie einschätze, wird die Rechnung nicht gering ausfallen.“

      „Darauf können Sie wetten“, schmunzelte Dr. Grössert, der den kauzigen Mann irgendwie mochte. Die beiden waren sich nicht unähnlich.

      Vom Wagen aus rief Dr. Grössert Tatjana Struck an.

      „Ja?“, meldete sie sich. Tatjana kannte die Nummer nicht und vermutete wieder einen dieser Fake-Anrufe, die seit Wochen die Runden machten. War sie jetzt dran?

      „Guten Tag, sehr verehrte Frau Struck. Hier ist Wilhelm Grössert, der Vater Ihres Kollegen Werner.“

      „Herr Dr. Grössert?“, wiederholte sie ungläubig. Noch niemals vorher wurde sie von Werners Vater angerufen. Werner wurde hellhörig, als er den Namen seines Vaters hörte. Was wollte er von der Kollegin?

      „Verzeihen Sie die Störung, aber ich brauche Ihre Hilfe. So ganz dunkel im Hinterkopf habe ich die Information abgespeichert, dass sie einmal mit einer Privatdetektivin in München zu tun hatten. Wenn ja: Würden Sie mir deren Kontaktdaten geben?“

      Tatjana wurde schlecht. Sofort erinnerte sie sich nicht nur an die Frau, sondern auch daran, dass sie angeschossen wurde. Die Schmerzen waren längst verflogen, aber die Tat an sich verfolgte sie immer noch. Nicht mehr ganz so oft, aber immer wieder. Ob die Erinnerungen daran jemals aufhörten?

      „Frau Struck? Sind Sie noch da?“

      „Entschuldigen Sie bitte. Der Name der Frau ist Anita Seidl. Eine Adresse oder Telefonnummer habe ich leider nicht.“

      „Das finde ich heraus, das dürfte kein Problem werden. Vielen Dank Frau Struck, Sie haben mir sehr geholfen. Einen schönen Tag noch.“

      „Was wollte mein Vater?“

      „Den Namen der Münchner Privatdetektivin, du weißt schon.“

      „Ja, ich erinnere mich. Was will er von ihr?“

      „Das hat er mir nicht verraten. Ich frage mich allerdings, woher dein Vater meine Handynummer hat.“

      „Keine Ahnung. Aber wenn er etwas will, dann bekommt er das auch. Mich wundert bei meinem Vater schon lange nichts mehr.“

      Dr. Grössert rief die Nummer der Privatdetektivin an, die er im Internet fand. Es meldete sich nur der Anrufbeantworter und daher sprach er ihr aufs Band. Er machte die Sache dringend und erwähnte, dass er einen Auftrag für sie hätte, bei dem Geld keine Rolle spielte. Dr. Grössert war sich sicher, dass es nicht lange dauern würde, bis sich die Frau bei ihm meldete.

      Anita Seidl war nicht weg, sie hörte die Nachricht des Anwalts. Als sie das Wort Mühldorf hörte, erinnerte sie sich sofort an den Fall der gestohlenen Diamanten, der ihr Durchbruch war. Seitdem konnte sich ihre Aufträge auch aussuchen. Sie fasste sich an den Diamantanhänger ihrer Kette, der ihr aus diesem Fall geblieben und seitdem ihr Glücksbringer war. Im Moment hatte sie keinen dringenden Auftrag. Der, den sie angenommen hatte, konnte noch warten.

      Sie


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