Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen. Tobias Fischer

Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen - Tobias Fischer


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Minuten später hatte es auch schon an der Haustür Sturm geläutet, und jetzt saß er hier, hinter Gregson und Jane Willkins, und zuckte jedes Mal zusammen, wenn sie nur um Haaresbreite einem Unfall entgingen.

      Ein weiteres Bing ließ Tom wieder auf sein Smartphone blicken. »Habe ich schon erwähnt, dass es um Leben und Tod geht? GEBT GAS!«

      »Ach du Scheiße, es wird richtig ernst«, japste Tom.

      Gregson drängte Jane zu noch mehr Eile. »Dieser Drecksack bringt mir kein fünftes Mädchen um! Diesmal nicht«, schimpfte der Inspektor und hieb wütend gegen die Ablage.

      »Das ist nicht hilfreich«, gab Jane gepresst zurück. Dennoch drückte sie das Gaspedal ein weiteres Mal bis zum Anschlag durch.

      Tom hielt für einen Moment die Luft an, sein Herz ratterte wie ein Maschinengewehr. Nie zuvor war er mit hundert Meilen pro Stunde durch Londons Straßen gejagt.

      Vor 277 Jamaica Street fand die Raserei ein Ende. Gregson und Jane sprangen aus dem Wagen, sobald er zum Stillstand kam, Tom folgte ihnen hastig. Vor ihnen ragte ein altmodischer Mietsblock auf, fünf Stockwerke hoch, die schmutzige Klinkerfassade von Fensterreihen unterbrochen. Hinter Gregsons silbernem Dienstwagen kamen weitere Polizeiautos zum Stehen. Uniformierte stiegen aus, gefolgt von den Detective Sergeants Linda Brown und Bob Palmer.

      Gregson hielt bereits seine Dienstwaffe in der Hand und rannte in Richtung Hauseingang, gefolgt von zwei Constables. Jane zog nun ebenfalls ihre Pistole und nahm denselben Weg wie ihr Vorgesetzter. Tom wartete nicht lange, sondern heftete sich an ihre Fersen. Von der anderen Seite der Hofeinfahrt kamen Sergeant Palmer und zwei weitere Polizisten herangeeilt.

      »Tom! Was soll das? Das ist nichts für dich! Bleib beim Wagen«, rief Jane, die Augen vor Schreck geweitet, als sie Tom schließlich bemerkte. Auf ihrem hübschen, blassen Gesicht zeichnete sich deutlich Furcht ab.

      »Mich erschreckt so leicht nichts mehr, und Veyron braucht vielleicht meine Hilfe«, entgegnete Tom. Jane wusste genau, dass er schon einige haarsträubende Abenteuer an der Seite seines Paten bestritten hatte. Nicht nur einmal hatte er dabei um sein Leben kämpfen müssen – gegen Wesen, die weitaus schlimmer waren, als es je ein menschlicher Krimineller sein könnte. Außerdem war Tom mit seinen siebzehn Jahren kein kleines Kind mehr.

      Jane schüttelte den Kopf, sagte aber nichts und schloss zu den anderen Polizisten auf. Tom bewunderte sie dafür, wie gefasst und konzentriert sie blieb. Dabei hatte sie auch schon so einiges mitgemacht. Erst letztes Jahr hätte sie wegen eines Dämons beinahe ihr Leben verloren. Tom sah in ihr seine engste Vertraute; eine Freundin, auf die er sich verlassen konnte.

      Gregson und Sergeant Palmer standen inzwischen vor dem Haupteingang des Wohnblocks und untersuchten die Klingelanlage.

      »Nirgendwo ein Fowler, verflucht«, schimpfte Gregson. Die große Faust des Hünen zitterte vor Aufregung. Jeder wusste, dass der geringste Fehler ein Menschenleben kosten könnte.

      »Vielleicht ist er nicht angeschrieben?«, meinte einer der Constables.

      »Alle Klingeln sind belegt. Ein Fehlalarm?«, versuchte es Sergeant Palmer.

      Tom schüttelte den Kopf, als er das hörte. Veyron Swift hatte sich noch nie geirrt. Sie waren richtig, daran bestand nicht der geringste Zweifel …

       Bing.

      Tom starrte auf sein Smartphone. »Eins, zwei, drei, vier und FÜNF, wenn ihr euch nicht beeilt!«

      »Okay, es wird ernst«, rief er voller Aufregung.

      Gregson knurrte. Die beiden Uniformierten wuchteten das Gewicht ihrer Körper gegen die Eingangstür, bis sie mit einem metallischen Knall aufsprang. Die Männer drängten in den Flur, gefolgt von Jane und Tom.

      »Wollen wir nicht auf die Scharfschützen warten?«, fragte Palmer verunsichert.

      »Zum Teufel mit den Scharfschützen! Da drinnen wird gerade eine junge Frau ermordet«, donnerte Gregson. Furchtlos stürmte er seinen Leuten voran, das Treppenhaus hinauf. Ohne Ahnung wohin, klingelten sie an jeder Tür, an der sie vorbeikamen. Fast überall wurde ihnen nach kurzer Zeit geöffnet. Schlaftrunkene Frauen und Männer verfluchten die unzeitigen Besucher. Es war ja auch erst kurz nach halb fünf morgens.

      »Fowler! Wo ist Henry Fowler?«, herrschte Gregson die Leute an.

      Angesichts seiner riesigen Gestalt und der grimmigen Miene wagte niemand, zu widersprechen oder zu schweigen. Es stellte sich jedoch heraus, dass niemand einen Henry Fowler kannte. Die meisten wussten nicht einmal, wer ihre direkten Nachbarn waren. Lediglich eine ältere Lady am Ende des Flurs konnte Auskunft geben.

      »Fünfter Stock, Mister. Da ist nur eine einzige Wohnung belegt, und die gehört ihm. Die vierte Tür auf der rechten Seite. Dieser Kerl war mir schon immer suspekt«, meinte sie und zeigte mit ihrer dürren Hand nach oben.

      Gregson und die anderen wirbelten herum und kämpften sich das Treppenhaus nach oben.

      Tom folgte ihnen als Letzter. Er erinnerte sich wieder an die ganzen Abenteuer, die er zusammen mit Veyron Swift in Elderwelt bestritten hatte, jener fantastischen Parallelwelt, wo es vor fremden Wesen und Gefahren nur so wimmelte. Trolle, Schrate, Vampire und andere Unwesen hatten ihnen dort schon einige Male das Leben schwer gemacht. Unweigerlich musste er lächeln, als er die Polizisten mit einer Mischung aus Aufregung und Vorsicht nach oben eilen sah, mit ihren Waffen auf jeden Schatten zielend. So viel Panik wegen eines einzelnen Mannes. Was würden sie nur tun, wenn sie einer ganzen Meute blutdürstiger Schrate gegenüberstünden, schwer bewaffnet und auf Mord aus?

      Schließlich erreichten sie den fünften Stock, doch obwohl die Männer den Flur auf und ab rannten, von Henry Fowler fehlte jede Spur. Und nicht nur das: Es gab hier oben nicht einmal eine Tür. Sie hatten nichts als nackte Wände vor sich, gestrichen in einem scheußlichen Moosgrün.

      »Das gibt’s doch nicht«, rief Sergeant Palmer frustriert. »Die Alte hat uns verarscht!«

      Gregson schüttelte die Fäuste, während sich Jane auf die Lippe biss.

      Tom fuhr sich nachdenklich durch sein rotblondes Haar. Er schloss die Augen. Denk wie Veyron Swift, sagte er sich. Zweifellos sind wir an der richtigen Adresse. Fowler muss einen falschen Namen an der Klingel haben, denn das Haus hat fünf Stockwerke, und alle Klingeln sind belegt. Das Haus hat auch fünf Fensterreihen. Nur eine einzige Wohnung hier oben sei bewohnt, die Vierte auf der rechten Seite, hat die Alte gesagt. Aber es gibt keine Türen. Es gibt Fenster, aber keine Türen.

      »Er hat die Türen zugemauert«, rief er aus, warf sich herum und eilte zurück ins Treppenhaus. Er sprang die Stufen nach unten in den vierten Stock, rannte zur vierten Wohnungstür auf der rechten Seite und läutete Sturm. Wütendes Schimpfen erklang auf der anderen Seite der Tür. Ein verschlafener Mann mittleren Alters öffnete ihm. Smithers, wie Tom von der Klingel ablas.

      »Auf geht’s Professor«, rief er in den leeren Flur. »Ich brauche Ihre Hilfe!«

      Die Zauber Elderwelts funktionierten auch in der ihren, das wusste Tom. Schon einige Male hatte er diesen einen speziellen Zauber angewandt. Auch jetzt versagte er ihm nicht den Dienst. Aus dem Nichts materialisierte sich ein Schwert in seiner Rechten, die Klinge lang und schmal, fast wie ein Rapier, in dessen blanken Stahl ein verschnörkeltes Muster aus Saphiren eingearbeitet war. Es begann blau zu schimmern. Das Daring-Schwert, die Waffe eines mächtigen Magiers, nach dessen Tod erfüllt von seinem Geist. Es war zu allerhand fantastischen Dingen in der Lage. Mehr als einmal hatte Tom damit schon sein Leben verteidigt.

      Mr. Smithers, der Tom eben wütend anfahren wollte, sprang mit einem gellenden Aufschrei zurück. »Hilfe! Ein Irrer«, keuchte er und hob die Hände.

      Tom beachtete ihn nicht weiter, sondern stürmte in die Wohnung, vorbei an Küche und Bad, hinein ins Wohnzimmer. Dort riss er das nächstbeste Fenster auf und trat hinaus auf den Sims. Er blickte nach oben, auf die Fensterreihe über ihm, knapp zweieinhalb Meter entfernt. Hinaufspringen kam nicht infrage, und Fassadenklettern zählte nicht zu Toms Hobbys. Aber es gab andere Möglichkeiten.

      »Junge,


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