Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen. Tobias Fischer

Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen - Tobias Fischer


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dem Haus näherten, konnte er die beiden Polizisten ausmachen. Stocksteif saßen sie in ihrem Dienstwagen und schienen auf jemanden zu warten. Vielleicht auf Veyron? Toms Anspannung wuchs. Hatte sein Patenonkel etwas ausgefressen? Es war ja bekannt, dass Veyron sich die Gesetze bisweilen recht arg zurechtbog, um bei seinen Ermittlungen ans Ziel zu gelangen.

      Nein, mit den beiden Männern stimmte etwas nicht. Sie machten nicht einmal Anstalten, sich zu bewegen, als Veyron direkt neben die Fahrertür trat und in den Wagen spähte. Tom umrundete den Wagen und schaute durch die Frontscheibe. Jetzt fielen ihm ihre aschfahlen Gesichter auf, aus denen Augen starrten, ohne ihn oder sonst etwas zu sehen. Irgendwie wirkten sie auf Tom seltsam ungesund, matt und bleich. Er schluckte, bevor er sich an Veyron wandte. »Sind sie … sind diese Männer etwa …. tot?«, fragte er leise.

      Mit konzentriertem Gesichtsausdruck versuchte Veyron, etwas im Innern des Polizeiwagens zu erkennen. »Constable John Walker und Constable Harold Trench«, las er von den Namensschildern ab. Vorsichtig klopfte er gegen die Seitenscheibe, doch der Fahrer, Constable Walker, reagierte nicht.

      »Oh mein Gott«, schnappte Tom. »Die sind tatsächlich tot!«

      Veyron verzog kurz das Gesicht, dann schüttelte er den Kopf. »Irrtum, mein lieber Tom. Tote atmen nicht. Vielleicht stehen die beiden unter dem Einfluss von Drogen – oder etwas ganz anderem. Komm, wir gehen ins Haus.«

      Tom fröstelte. Instinktiv rieb er sich die Arme, denn ihm war schlagartig kälter geworden, und sicher nicht wegen zweier zugekiffter Bullen. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Es schien ihm, als läge ein dunkler Zauber in der Luft, etwas, das er schon seit fast einem Jahr nicht mehr gespürt hatte. Er folgte Veyron die Stufen hinauf zur Haustür, wo der schlaksige Ermittler stehen blieb.

      Ein schiefes Lächeln flog über seine dünnen Lippen. »Ach, sieh an: Bei uns wurde eingebrochen, Tom!« Veyron gab der Haustür einen sanften Schubs. Ohne Widerstand schwang sie ein paar Inches auf. Veyron deutete auf ein paar Metallteile am Boden, die unschwer als ein zerbrochener Schlosszylinder auszumachen waren.

      »Sieh nur: Das Holz rund um das Schloss ist nicht geborsten. Wer immer unser nächtlicher Besucher ist, er hat keine rohe Gewalt benutzt, sondern Magie«, erklärte er mit einer unangebrachten Fröhlichkeit in der Stimme. »Halt dich bereit, das Daring-Schwert zu rufen. Womöglich benötigen wir seine Hilfe.«

      Das musste Veyron Tom nicht zweimal sagen. Er war sowieso schon drauf und dran, nach dem mächtigen Geist des Professors zu rufen.

      Vorsichtig schob Veyron die Tür ganz auf und trat in den schmalen Flur, Tom dicht hinter ihm. Interessiert betrachtete Veyron das alte Parkett, holte sein Smartphone heraus und schaltete die kleine Lampe ein. »Aha, Damenbesuch. Du siehst es an den Spuren, die ihre Schuhe im Staub hinterlassen haben. Sie führen ins Wohnzimmer«, dozierte er.

      Tom vermochte dagegen nichts zu erkennen. Ihm blieb mal wieder nur, die scharfe Beobachtungsgabe seines Paten zu bestaunen. Veyron schaltete die Lampe ab und marschierte schnurstracks in den besagten Raum, wo er ohne weiteres Zögern das Licht einschaltete. Tom schnappte nach Luft.

      Eine Frau saß in Veyrons altem Ohrensessel, schlank und hochgewachsen, doch ganz eindeutig keine Besucherin aus der Nachbarschaft. Ihre leichenblasse Haut stand im Kontrast zu der dunklen Mähne, die ihr bis zu den Hüften reichte. Ihr voluminöses schwarzes Kleid wallte bis zu den mit Silber beschlagenen Stiefelspitzen hinab. Erwartungsvoll hob sie den Blick, wobei im gedimmten Licht der Lampe ihr beeindruckendes Diadem schillerte, aus dessen mit Diamanten und Rubinen besetztem Metallreif sieben messerscharfe Zacken wuchsen. Darunter blickten tiefschwarze Augen Veyron und Tom an, zwei Moortümpeln gleich, als wäre die Fremde der leibhaftige Tod. Eine Dämonin, keine Frage! Wäre sie ein Mensch, Tom hätte sie als ausnehmend attraktiv beschrieben. Doch so konnte man nicht wissen, ob ihre feinen, jugendlichen Gesichtszüge nichts anderes als Illusion waren.

      »Ich habe Euch erwartet, Meister Veyron Swift«, begrüßte sie Toms Paten mit gebieterischer Stimme. Lautlos erhob sie sich aus dem Sessel. Ihr Gewand, welches Tom an das opulente, schwarze Hochzeitskleid einer elisabethanischen Adeligen erinnerte, raschelte bei jedem Schritt, den sie machte. Misstrauisch wich er zur Seite und musste aufpassen, nicht auf die meterlange Schleppe zu treten, die sie hinter sich herzog. Es grenzte an ein Wunder, dass sie sich in diesem Aufzug überhaupt bewegen konnte.

      Veyron setzte sich zunächst einmal in seinen Sessel, als ob er testen wollte, ob sie irgendetwas damit angestellt hatte. Da dies offensichtlich nicht der Fall war, lächelte er zufrieden, legte die Fingerspitzen aneinander und wartete einen kurzen Moment. Die Dämonin hatte sich vor das Bücherregal begeben und studierte die einzelnen Bände. Erst jetzt fiel Tom auf, dass ihr rechter Arm eine silbern glänzende und aufwendig verzierte Panzerung trug, die bis zu den Fingern reichte und diese in messerscharfen Krallen enden ließ. Ein guter Grund, noch einmal etwas weiter zurückzuweichen.

      »Darf ich fragen, was eine der Sieben Schatten des Dunklen Meisters hierher führt?«, wollte Veyron von der Fremden wissen.

      Tom hielt kurz die Luft an, als er das hörte. Eine der Schatten! Erst letztes Jahr hatten sie mit dem Anführer dieser besonders üblen Sorte Dämon zu tun gehabt, dem Schattenkönig. Er galt als die rechte Hand des Dunklen Meisters, sein treuster und bösartigster Gefolgsmann. Nur mit allergrößter Mühe waren sie seinen Fallen und Machenschaften entronnen – Jane hatte es beinahe das Leben gekostet.

      Die Schattin lächelte, bleckte dabei spitze Vampirzähne. Sie war wahrhaftig eine Dämonin. Tom griff schon an seine Hüfte, um das Daring-Schwert zu sich zu rufen. Dieses Weib würde die Wisteria Road nicht lebend verlassen!

      »Ihr habt es erkannt? Gut, dann stimmt es, was man über Euch in Elderwelt erzählt«, erwiderte sie.

      Veyron deutete mit der Linken auf die alte Couch. Langsam wandte sich die Dämonin um und nahm Platz; vollkommen lautlos. Normalerweise konnten hier drei Personen nebeneinandersitzen, jetzt füllte sich die Couch mit dem gewaltigen, schwarzen Kleid des weiblichen Schattens.

      »Man nennt mich die Seelenkönigin«, stellte sich die Dämonin schließlich vor.

      Tom ballte die Fäuste, Veyron blieb dagegen gänzlich ungerührt, als wäre die Seelenkönigin eine einfache Klientin wie alle anderen.

      »Interessant. Ich sollte Euch jedoch warnen, Mylady. Tom und ich, wir beide zählen zu den bittersten Widersachern Eures Meisters. Wir werden uns weder einschüchtern noch erpressen lassen«, ließ er sie in strengem Tonfall wissen.

      Tom biss sich kurz auf die Lippe. Er war davon überzeugt, dass es jeden Moment um Leben und Tod gehen würde, doch die Seelenkönigin beließ es bei einem vergnügten Lachen. Für Tom klang es eiskalt und unmenschlich, und ihn fror noch mehr als zuvor. Wieder musste er sich die Arme reiben; er hatte ja schon eine regelrechte Gänsehaut!

      »Ich komme nicht im Auftrag meines Herrn, Meister Swift. Ich bin hier, weil ich Eure Hilfe in Anspruch nehmen will«, erwiderte sie mit einer beängstigenden Gelassenheit. »Man trachtet danach, mich zu ermorden.«

      Tom wäre beinahe ein Lachen entschlüpft, immerhin konnte er es noch in ein Husten umwandeln. Das musste ein Witz sein! Selbst wenn die Seelenkönigin nur einen Bruchteil der Fähigkeiten besaß, die der Schattenkönig letztes Jahr demonstriert hatte, dann wäre jeder Auftragsmörder gut beraten, sich möglichst weit von ihr fernzuhalten.

      »Erzählt mir mehr«, bat Veyron mit ehrlichem Interesse.

      Die Seelenkönigin warf Tom einen misstrauischen Blick zu, doch Veyron schüttelte sofort den Kopf, als hätte er ihre Gedanken erraten.

      »Vor Tom könnt Ihr so frei reden wie vor mir. Er ist mein Assistent und absolut vertrauenswürdig. Natürlich werde ich ihn hinausschicken, wenn Ihr darauf besteht. Anschließend wird er jedoch von jedem Wort erfahren, das zwischen uns gefallen ist.« Sein Tonfall war unnachgiebig.

      Die Seelenkönigin nickte ohne das geringste Anzeichen von Widerwillen. »So sei es. Zweifellos wisst Ihr, dass der Dunkle Meister vor rund eintausend Jahren vernichtet wurde und dass sein Dunkles Imperium damals zerfiel. Wir, seine obersten Diener, mussten uns verstecken. Nur der Schattenkönig führte weiter Krieg gegen die freien


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