Kullmann jagt einen Polizistenmörder. Elke Schwab

Kullmann jagt einen Polizistenmörder - Elke Schwab


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ebenfalls verläuft. Ständig muss ich ihn suchen, weil der alte Diener sich mal wieder in den angrenzenden Heuschober verirrt hat. Und weil er so groß und kräftig ist, ist es schon vorgekommen, dass er zwischen den Heuballen feststeckte und ich ihn mühsam befreien musste.«

      Anke und Kullmann amüsierten sich prächtig.

      »Sie sehen, ich habe immer noch meine Freude mit ihm. Solange er keine Schmerzen leidet und sich wohlfühlt, behalte ich ihn. Er hat sich sein Gnadenbrot redlich verdient.«

      Der Kollege verabschiedete sich und ließ Kullmann mit Anke allein zurück.

      »Bisher hatte ich gar keine Ahnung von Pferden. Jetzt habe ich wirklich den Eindruck, dass Sie sich ein sehr schönes Hobby ausgesucht haben«, meinte Kullmann gut gelaunt. »Mit den Pferden können Sie endlich einmal etwas für sich selbst tun, was Sie bisher sträflich vernachlässigt haben. Das beweist mal wieder, dass Ihnen die erfrischenden Ideen nicht ausgehen.«

      »Das allein verschafft Ihnen diese gute Laune?«, hakte Anke nach, als sie Kullmanns zufriedenes Gesicht sah.

      »Oh nein. Auch Ihre wohltuende Anwesenheit. Seit Sie mit dem Reiten angefangen haben, wirken Sie noch fröhlicher und charmanter, obwohl das eigentlich kaum zu überbieten ist.«

      Anke freute sich immer wieder über Kullmanns schmeichelnde Worte, sie erkannte jedoch, dass da noch etwas war.

      »Das ist aber nicht alles.«

      Verschmitzt grinste Kullmann und meinte: »Ihnen kann ich nichts vormachen.«

      »Ich bin bei Ihnen durch eine gute Schule gegangen.«

      »Ja, und meine Bemühungen waren wirklich nicht umsonst.«

      »Weichen Sie mir nicht aus«, erinnerte Anke ihren Chef wieder an ihre Frage, so dass Kullmann nun endlich zum Thema kam: »Ich bin im Fall Luise Spengler einen Schritt weitergekommen. Die Anwaltskanzlei der Familie Spengler hieß früher Otto Klein und Söhne. Diese Kanzlei gibt es nicht mehr, weil Otto Klein inzwischen verstorben ist. Aber durch meine Recherchen habe ich endlich herausgefunden, dass die sogenannten Söhne alle Schwiegersöhne sind, weil Otto Klein keine Söhne, sondern nur Töchter hatte. Die Kanzlei heißt nun Klose & Partner. Also bin ich auf Verdacht zu dieser Kanzlei gegangen und habe dort den Anwalt Bertram Klose angetroffen, einen der Schwiegersöhne. Bertram Klose hatte Luise Spengler als seine Mandantin vertreten. Mit ihm habe ich heute gesprochen.«

      Anke stutzte: »Wie kann dieser Anwalt uns weiterhelfen?«

      »Ganz einfach: Luise Spengler hatte die Scheidung eingereicht.«

      »Und das soll ein Motiv für einen Mord sein?«

      Kullmann kratzte sich am Kinn und meinte nachdenklich: »Luise kam aus einer sehr reichen Familie. Geld war schon immer ein Mordmotiv.«

      »Im Fall einer Scheidung bekommt der Ehemann aber auch ein gutes Stück vom Kuchen«, überlegte Anke weiterhin skeptisch. »Glauben Sie, dass Kurt Spengler so gierig war und sich damit nicht abfinden wollte?«

      »Nein, ich habe von Anwalt Klose erfahren, dass Luises Vater bei der Eheschließung auf einen Ehevertrag bestanden hatte, nämlich Gütertrennung.«

      »Oh«, stutzte Anke. »Aber Kurt Spengler ist Bankdirektor einer der größten Banken des Saarlandes. Er verdient doch weiß Gott genug.«

      »Ja, das ist noch der einzige Haken an meiner Theorie. Aber ich habe das Gefühl, auf eine verdammt gute Spur gestoßen zu sein.«

      Wieder staunte Anke über Kullmanns Hartnäckigkeit in diesem Fall. Bevor sie in den Feierabend ging, fragte sie, was sie schon lange beschäftigte: »Wer war Luise Spengler wirklich?«

      »Wie sagt man unter Reitern: Ein dreifaches Horrido!«, lenkte Kullmann einfach ab. Anke verstand den Wink sofort.

      Als sie die Tür zu Kullmanns Büro hinter sich geschlossen hatte und durch den leeren Flur ging, begegnete ihr Esche. Er war tadellos gekleidet, trug einen Anzug von Carlo Colucci. Wenn Anke sich nicht täuschte, benutzte er auch das Parfüm dieser hochwertigen Marke. Aber sie verspürte kein Bedürfnis, ihre Eindrücke zu überprüfen. Bei Esche hatte sie ohnehin schon Mühe genug, ihn auf Distanz zu halten. Seine Annäherungsversuche verlangten Ankes volle Aufmerksamkeit. Esche war vor zwei Jahren in ihre Abteilung gekommen und hatte sich durch seine Fahndungserfolge in der kurzen Zeit einen unheimlich guten Ruf verschafft. Nur ihm war es gelungen, einen Kindermord in Merzig aufzuklären, an dem alle Kollegen wie besessen gearbeitet hatten, weil keiner von dieser schrecklichen Tragödie unberührt geblieben war. Aber Esche war kaum in die Abteilung versetzt worden, schon hatte er den entscheidenden Beweis gefunden, der zur Lösung des Falles beigetragen hatte. Sogar Kullmann hatte sich mit seinen Ermittlungen festgefahren und war heilfroh, dass es dem Neuen gelungen war, diesem Albtraum ein Ende zu setzen. Deshalb schätzte er ihn sehr, was er auch oft zum Ausdruck brachte. Anke konnte das nicht nachempfinden. Seit Esche in der gleichen Abteilung wie sie arbeitete, ließ er keine Gelegenheit aus, sich an sie heranzuschleichen oder ihr frivole Angebote zu machen. Sie fühlte sich in seiner Nähe nicht wohl und schon gar nicht, wenn sie ihm allein begegnete. Aber sie wusste, dass sie mit ihrer Antipathie gegen ihn alleine in dieser Abteilung war, denn Esche war beliebt bei den Kollegen. Außerdem sah er gut aus, was sein ohnehin starkes Selbstbewusstsein nur bestätigte. Diese Vorzüge setzte er geschickt ein. Keine Gelegenheit ließ er aus, Anke seine Selbstzufriedenheit zu zeigen, was sie ärgerte. Sie fand sein Gehabe zum Kotzen. Was sie aber ganz besonders ärgerte, war, dass er in ihr keine ebenbürtige Arbeitskollegin sah, sondern nur eine Frau. Frauen hatten in seiner hierarchischen Vorstellung keine Berechtigung auf Gleichstellung. Seine chauvinistische Einstellung war unübersehbar. Anke lehnte seine herablassende Haltung als entwürdigend ab. Aber damit musste sie sich arrangieren, denn mit ihren persönlichen Eindrücken würde sie bei Kullmann kein Gehör finden, weil er Esche als Polizeibeamten sehr schätzte und auf seine Fähigkeiten nicht mehr verzichten wollte.

      »Verdammt heiß siehst du aus«, meinte er mit zuckersüßer Stimme.

      »Verschwinde lieber, sonst muss ich kotzen«

      »Das glaube ich nicht. Oder leidest du an Bulimie, wie so viele junge Frauen, die mit Gewalt schlank sein wollen?«

      Anke ärgerte sich darüber, wie aalglatt er ihre Abfuhr überging.

      »Dieser Reitsport hat wirklich seine Vorzüge«, machte er einen neuen Anlauf; als sie an ihm vorbeiging, gab er ihr einen Klaps auf den Po.

      Im gleichen Augenblick, als Anke ihn anschnauzen wollte, betraten Esther Weis und Jürgen Schnur den Flur. Als sie Anke und Esche sahen, meinten sie vergnügt: »Hey ihr Beiden, es gibt schönere Orte, den gemeinsamen Feierabend zu verbringen. Gelegenheiten, Überstunden zu machen, bekommt ihr noch genug.«

      Mit dem Ausdruck unverschämter Zufriedenheit verschwand Esche in seinem Büro, während Anke mit hochrotem Kopf das Gebäude verließ.

      Sie hätte dem Kollegen Jürgen Schnur mehr Feingefühl zugetraut. Seit Anke auf dieser Dienststelle arbeitete, kannte sie ihn als zuverlässigen und aufmerksamen Mitarbeiter, der immer sachlich blieb. Wie war es möglich, dass er sich plötzlich zu oberflächlichen Floskeln hinreißen ließ?

      Esther war ihm vor zwei Jahren als Teamkollegin zugeteilt worden. Hatte sie ihn schon beeinflusst?

      Während Esther ihr Leben in vollen Zügen genoss, war Jürgen seit vielen Jahren glücklich verheiratet und hatte kein Interesse an Abenteuern. Esther bemühte sich ständig, Jürgen von seinem Pfad der Tugend abzubringen, bisher erfolglos. Sie wusste ihr Glück gar nicht zu schätzen. Ihre beruflichen Aussichten waren stabil und sicher. Aber Anke stand vor der Frage, welchem Kollegen sie zugeteilt werden würde, wenn Kullmann nicht mehr da war. Jürgen Schnur wäre ihr am liebsten gewesen, weil er es gut verstand, Arbeit und Privatleben zu trennen, ohne andere damit zu verletzen.

      Bei diesen Gedanken seufzte sie.

      Kullmanns Weggang würde viele Veränderungen bringen. Dabei war es ausgerechnet Kullmann, der immer beteuerte, jeder Mensch sei zu ersetzen. In seinem Fall war sich Anke nicht so sicher.

      *


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