Kullmann jagt einen Polizistenmörder. Elke Schwab
daran? Hat er auch einen Anspruch auf das Geld?«
»Nein, er hat von einer früheren Freundin den Floh ins Ohr gesetzt bekommen, dass es kein Zufall ist, dass die Tante wenige Tage, nachdem sie das Testament aufgesetzt hatte, gestorben ist.«
»Biehler meint also, du hättest nachgeholfen?«, staunte Anke über die grausame Bedeutung dieser Unterstellung.
Robert nickte.
»Wie kann diese frühere Freundin so etwas behaupten? Arbeitet sie auch in dem Altenheim?«
»Nein, ich kenne diese Frau nicht. Angeblich hatte sie einen Verwandten in unserem Altenheim, der dort ebenfalls plötzlich verstorben ist. Das Problem ist, dass alte Menschen sterben, nur wollen die Angehörigen das nicht einsehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in unserem Haus Sterbehilfe geleistet wird.«
»In letzter Zeit sind in Deutschland einige Fälle von Sterbehilfe in Altenheimen aufgedeckt worden. Da wird die Polizei gleich hellhörig, wenn ein älterer Patient unter verdächtigen Umständen stirbt. Kein normal denkender Altenpfleger würde dieses Risiko eingehen«, stimmte Anke zu.
Als sie sich dem Reitplatz näherten, hörten sie ein lautes Streitgespräch zwischen Peter Biehler und Nadja Basten. Gemeinsam mit einem anderen Reiter war Nadja damit beschäftigt, die Hindernisse zu einem Parcours umzubauen, der in der Springstunde trainiert werden sollte. Sie warf die Stangen eines Oxers auf den Boden und stellte die Ständer an einen anderen Platz, als Biehler sie laut anschrie: »Stell das Hindernis gefälligst wieder so hin, wie es gestanden hat. Was meinst du, warum ich mir das so aufbaue?«
Ein kleiner braun-weiß gescheckter Hund sprang immer zwischen Nadja und Biehler hin und her und bellte den Reiter unentwegt an.
Nadja schaute Biehler böse an und giftete zurück: »Jeder hier weiß, dass heute Springstunde ist, und jeder weiß, dass man dafür einen Parcours aufbauen muss. Nur du nicht. Wenn du springen willst, dann mach das an einem anderen Tag.«
Aber Biehler wollte nicht nachgeben. Unwirsch blaffte er zurück: »Dann bau doch wenigstens etwas auf, das man springen kann, und wirf nicht alles durcheinander.«
Immer noch bellte der kleine Hund dazwischen, dass Anke Mühe hatte, alles zu verstehen.
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich hier Hindernisse aufbaue, während du ohne Rücksicht darüber springst.«
»Das darf doch nicht wahr sein!«, schrie Biehler außer sich.
Aber für Nadja war das Thema erledigt. Gerade zum Trotz ließ sie alle Stangen kreuz und quer auf dem Boden liegen, damit Biehler gar keine Möglichkeit zum Springen bekam. Ihm blieb nichts anderes übrig, als um den Stangensalat herumzureiten. Nur der kleine Hund hatte eine Riesenfreude an dem Wirrwarr. Munter sprang er von allen Seiten darüber und freute sich über das Lob, das er von Nadja dafür bekam.
Nadja wollte gerade den Reitplatz verlassen, als Biehler ganz dicht an ihr vorbei ritt, sodass sie schon befürchtete, er wollte sie umreiten.
»Du wirst mich noch kennen lernen, Fräuleinchen«, rief er ihr drohend zu.
»Wenn du mich umreitest, dann ist aber was los hier«, konterte Nadja nicht minder böse.
»Halt bloß die Schnauze!«, schrie Biehler ungehalten. »Wenn hier was los ist, wirst du das schon merken.«
»Ich lass mir von dir nicht sagen, dass ich die Schnauze halten soll.«
Mit diesen Worten verließ Nadja den Platz.
Anke hatte genug gesehen und verließ den Reitstall.
*
Es wurde ein Tag, wie er schöner nicht sein konnte. Die Vögel zwitscherten zum Tagesanbruch so laut, dass Anke davon geweckt wurde. Froh gelaunt stand sie auf und stellte mit Entzücken fest, dass ihr Muskelkater und die Prellungen im Schulterbereich und im Genick fast überhaupt nicht mehr schmerzten. Beschwingt hüpfte sie von ihrem Schlafzimmer in die Küche und frühstückte am offenen Fenster, das zur Quienstraße zeigte, um diesem herrlichen Frühlingstag ganz nahe zu sein.
Alles war ruhig zu dieser frühen Stunde. Aber Anke wollte nicht länger schlafen, weil sie Angst hatte, zu viel von diesem schönen Tag zu verpassen. Als Robert in seinen Luxusgeländewagen vorfuhr, wartete sie schon ganz ungeduldig, weil sie es kaum noch erwarten konnte, mit ihm zum Turnier zu fahren.
Die Reitanlage lag mitten im Stadtteil St. Arnual so versteckt, dass man von der Straße aus gar nicht erkennen konnte, was sich wirklich hinter diesen Mauern verbarg. Leider war der Platz für die Pferde eng bemessen. Drei Außenplätze waren um den Stall herum angelegt, auf denen mit den Pferden gearbeitet werden konnte, aber Koppeln fehlten. Außerdem gab es keine Möglichkeit, von diesem Stall aus in den Wald zu reiten, weil der Weg durch den verkehrsreichen Stadtteil St. Arnual führte. Anke stellte fest, dass der Reitstall in Gersweiler günstiger lag. Von dort gelangte man problemlos in den Wald am Schanzenberg, ohne eine Hauptstraße überqueren zu müssen.
Schon in der Frühe herrschte viel Betrieb auf den verschiedenen Reitplätzen. Turnierreiter in ihren vorgeschriebenen Reitkleidern aus schwarzer Turnierjacke, weißer Reithose, weißem Hemd oder weißer Bluse, schwarzem Helm und schwarzen Stiefeln, bereiteten auf einem kleinen Reitplatz ihre Pferde für das bevorstehende Springen vor. Andere fuhren mit ihren Pferdehängern vor und begannen auszuladen, während die Richter über die Sprechanlagen ihre nächsten Prüfungen ankündigten und die Reiter nach einer bestimmten Reihenfolge aufriefen.
Gemeinsam begaben sich Robert und Anke an eine Kaffeetheke, die direkt neben dem Parcours aufgebaut worden war, und bestellten sich Kaffee und Kuchen. Interessiert schauten sie den Springreitern zu, die sich bemühten, die Hindernisse fehlerfrei zu springen. Direkt neben dem Eingang, der vom Abreitplatz zum Parcours führte, befand sich eine mannshohe Hecke, an der sich die Leute aufhielten, die als Parcoursdienst tätig waren.
»Das ist ein Springen der A-Klasse«, erklärte Robert, »das bedeutet, dass die Hindernisse eine Höhe von einem Meter bis einem Meter zehn haben. Die Klassen der jeweiligen Springen sind nach der Höhe der Hindernisse eingestuft und die Reihenfolge ist E, dann kommt A, dann L, dann M und zum Schluss S.«
»Dann heißt A-Springen, dass der Reiter noch ziemlich am Anfang steht?«, überlegte Anke, obwohl sie die Höhe der Hindernisse schon als schwindelerregend empfand.
»Gut, aber die meisten Reiter, die Amateurreiter, die das Reiten als Hobby betreiben, reiten in den A- und L-Klassen. In den M- und S-Klassen findet man schon viele Berufsreiter, die auch entsprechende Pferde dafür haben.«
Kaum hatte Robert ausgesprochen, kam ein auffällig großer Truck vorgefahren, auf dem unübersehbar mit Leuchtbuchstaben »Peter Biehler – Turnierpferde« geschrieben stand.
Anke staunte nicht schlecht, als sie das sah. Robert lachte: »Mit seinem Material überbietet er wirklich alle hier, weil er einfach Geld hat. Aber sogar im Reitsport ist Geld nicht alles, wie Biehler bisher bestens bewiesen hat.«
Sie beobachteten, wie seine Frau Sybille und das Mädchen, das immer bei ihnen war, die beiden Pferde ausluden und sattelten. Peter Biehler ging, ohne zu helfen, zum Abreitplatz und wartete. Es dauerte nicht lange, da kam das Mädchen mit dem Schimmel, der in der Reihenfolge zuerst starten sollte. Wortlos schwang er sich auf den Rücken des Pferdes, seine Frau ritt den Fuchswallach. Beide Pferde wirkten völlig unbeeindruckt von dem Turniergeschehen, was bedeutete, dass sie es bestens kannten. Das Mädchen wurde damit beauftragt, die Stangen auf dem Abreitplatz in die von Biehler gewünschte Höhe zu bringen, damit er mit dem Aufwärmtraining beginnen konnte.
»Wer ist dieses Mädchen?«, fragte Anke, die beobachtet hatte, dass das Mädchen immer in Biehlers Nähe war. »Mir ist nämlich nicht bekannt, dass Peter Biehler eine Tochter hat.«
»Das Mädchen arbeitet für ihn, sie macht alle Arbeiten, die im Reitsport anfallen, damit er sich nicht selbst darum kümmern muss. Als er in unseren Stall kam, hat er sie mitgebracht«, erklärte Robert.
Es dauerte nicht lange, da wurde Peter Biehler aufgerufen.
Als