Endlich gefunden. Anna Katharine Green

Endlich gefunden - Anna Katharine Green


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Blake schien nicht darauf zu achten.

      Wenn das alles ist, was Sie mir zu zeigen haben, sagte er, so brauche ich meinen Ausgang nicht länger zu verschieben. Die Sache ist allerdings ernstlicher, als ich dachte. Sollten Sie entscheidende Schritte für geboten halten, so darf meine große, tief eingewurzelte Abneigung gegen jedes öffentliche Aufsehen Sie nicht hindern, Ihre Pflicht zu tun. Mein Haus steht Ihnen zur Verfügung unter Frau Daniels' Leitung. Ich empfehle mich Ihnen. Er entfernte sich, unsern Gruß mit vornehmer Nachlässigkeit erwidernd.

      Frau Daniels holte tief Atem und trat von der Kommode zurück. Sogleich bückte sich Gryce wieder und zog die Schublade auf, welche sie so tapfer verteidigt hatte. Ein weißes Handtuch war in ganzer Lange sauber darüber gebreitet. Wir hoben es auf, und vor unsern gespannten Blicken lag ein sorgfältig zusammengefaltetes blaues Seidenkleid von eleganter Machart; daneben ein kostbarer Spitzenkragen, der mit einer Brustnadel von reizender, ganz eigenartiger Form zusammengesteckt war. Ein verwelkter Zweig roter Rosen, welcher oben darauflag, ließ das Ganze als geheiligtes Andenken an eine Verstorbene erscheinen.

      Wir fuhren beide zurück und sahen unwillkürlich nach Frau Daniels hin.

      Ich kann Ihnen nichts Erklärendes darüber sagen, äußerte diese mit einer Ruhe, welche seltsam gegen ihre vorige Aufregung abstach, solange Herr Blake im Zimmer war. Daß diese kostbaren Sachen dem Mädchen wirklich gehört haben, bezweifle ich nicht. Sie hat sie hierher mitgebracht, und mir wird dadurch nur bestätigt, was ich Ihnen schon vorhin andeutete, daß sie kein gewöhnliches Nähmädchen war, sondern bessere Tage gesehen hatte.

      Hm, brummte Gryce leise, warf noch einen Blick auf das dunkelblaue Kleid und den Spitzenkragen, breitete das Tuch wieder darüber und schloß die Schublade, ohne daß einer von uns die Gegenstände, die sie enthielt, mit einem Finger berührt hatte. Fünf Minuten später verließ Gryce das Gemach.

      Als mich meine Untersuchungen später in die untern Räume führte, sah ich ihn, verstohlen um sich blickend, aus Herrn Blakes Privatzimmer herauskommen. Er sah mich lächelnd an und verriet durch seine Mienen, ob bewußt oder unbewußt weiß ich nicht, daß er irgendeinen Aufschluß gefunden, sich wenigstens eine Theorie gebildet habe, die ihn einigermaßen befriedigte.

      Ein prächtiges Zimmer, flüsterte er mit einem Seitenblick auf den Raum, den er eben verlassen hatte. Schade, daß Sie keine Zeit haben, es in Augenschein zu nehmen.

      Warum sollte ich das nicht? erwiderte ich, nähertretend, um Frau Daniels' Blicken auszuweichen, die nach mir die Treppe herabkam.

      Weil es nicht geht, sagte er, und wir eilten zusammen in den Hof hinab.

      Meine Neugier war jedoch erwacht und ließ mir keine Ruhe. Sobald ich Gryce in einem scherzhaften Gespräch mit dem Mädchen unten begriffen sah, schlich ich mich leise zurück und betrat das Zimmer.

      Ich fuhr ordentlich zusammen vor Ueberraschung. Statt des reich ausgestatteten Gemaches, das ich zu sehen erwartete, erblickte ich einen einfach und kaum genügend möblierten Raum, halb Bibliothek, halb Studierzimmer. Der gebohnte Boden war nicht einmal mit einem Teppich belegt, nur an der Seite lag eine Decke, gerade vor einem Gemälde, das beim ersten Blick meine Aufmerksamkeit gefesselt hatte, weil es der einzige beachtenswerte Gegenstand im Zimmer war. Es stellte eine stattliche, reizende Frauengestalt dar, eine moderne Schönheit mit feurigen Augen und ebenholzschwarzen Locken. Nur eine scharlachrote Kapuze, die leicht darüber gezogen war, brachte Farbe in diesen düstern Glanz.

      Eine Schwester, dachte ich, für seine Mutter ist sie zu modern gekleidet. Ich trat näher, um in dem etwas starren Antlitz der stolzen Brünette eine Aehnlichkeit mit den Zügen des Mannes zu entdecken, der uns vor kurzem noch gegenüber gestanden hatte. Dabei fiel mir auf, daß das Bild merkwürdig weit von der Wand abstand; durch den schweren Rahmen wurde der Eindruck des im übrigen so vollendeten Kunstwerkes nach meiner Meinung fast verdorben. Die Aehnlichkeit, nach welcher ich suchte, schien mir hauptsächlich in den Augen zu liegen. Sie waren von derselben Farbe wie Herrn Blakes Augen, nur glühender, leidenschaftlicher im Ausdruck. Nachdem ich das Bild in allen seinen Einzelheiten betrachtet hatte, wollte ich mich eben andern Beobachtungen zuwenden, als mir das aufgeregte Gesicht der Frau Daniels entgegenstarrte, welche hinter mir eingetreten war.

      Dies ist Herrn Blakes Zimmer, sagte sie mit Unwillen; außer mir hat hier niemand Eintritt, nicht einmal die Dienerschaft.

       Entschuldigen Sie, versetzte ich, mich vergebens umschauend, um zu ergründen, was Herrn Gryce befriedigt haben könne. Mich zog dies schöne Gemälde an, das ich durch die halboffene Tür sah. Es ist ganz reizend; stellt es Herrn Blakes Schwester dar?

      Nein, seine Cousine; sie schloß die Tür so kräftig hinter uns, daß ihr Unmut nicht zu verkennen war.

      Ich machte keinen weitern Versuch, auf eigene Hand Nachforschungen anzustellen. Wenige Augenblicke später kam Gryce herauf, und sein Gespräch mit Frau Daniels, welches nun folgte, nahm meine Aufmerksamkeit völlig in Anspruch.

      Mein Kollege sagt mir, es läge Ihnen sehr am Herzen, daß wir dies Mädchen auffinden, begann mein Vorgesetzter, Sie seien sogar erbötig, alle Kosten zu tragen?

      Soweit ich dies vermag, versetzte die Haushälterin. Ich habe ein paar hundert Dollars auf der Bank, die Ihnen zur Verfügung stehen. Besäße ich Tausende, ich würde sie gern hergeben, aber ich bin arm und kann Ihnen nur versprechen, was ich selbst besitze, obwohl – ihre Wangen glühten vor übergroßer Erregung – große Summen verwendet werden könnten, sobald man dies für notwendig hielte. Ich – ich möchte einen Eid darauf schwören, daß Sie alles erhalten werden, was Sie vernünftigerweise fordern können. Nur müssen Sie das Mädchen finden und zwar bald.

      Haben Sie auch bedacht, fuhr Gryce fort, als hätte er ihre Beteuerungen völlig überhört, daß das Mädchen vielleicht von selbst zurückkommen würde, wenn man ruhig wartete?

      Sie wird zurückkommen, wenn sie kann, versicherte Frau Daniels.

      Hing sie denn so sehr an dem Heim, welches sie hier gefunden hatte, daß Sie das so gewiß behaupten können?

      Es gefiel ihr hier im Hause, und sie hatte mich lieb, versetzte die Frau mit Bestimmtheit. Ja, sie liebte mich so sehr, daß man sie nur mit Gewalt von hier weggebracht haben kann. Davon bin ich überzeugt, trotzdem ihr noch die Zeit blieb, Hut und Mantel mitzunehmen. Jedes unnütze Aufsehen war ihr aber verhaßt. Hätten die Räuber sie auf der Stelle umgebracht, sie würde keinen Laut von sich gegeben haben.

      Sie hörten also verschiedene Männerstimmen in dem Zimmer. Kam Ihnen keine derselben bekannt vor?

      Nein, war ihre verwunderte Antwort.

       Ich frage nur, versetzte Gryce, weil man mir gesagt hat, daß Herrn Makes früherer Kammerdiener dem Mädchen Aufmerksamkeit geschenkt haben soll, wenn sie ihm auf der Treppe begegnete.

      Frau Daniels ward blutrot im Gesicht und sprang zornig vom Stuhle auf. Glauben Sie das nicht, rief sie; Henry hätte sich so etwas nie herausgenommen. Ich will dergleichen gar nicht hören, fügte sie hastig hinzu, Emilie war – eine Dame und –

      Nun, nun, beruhigte sie Gryce, wenn auch die Katze den Kaiser ansieht, so ist damit immer noch nicht gesagt, daß der Kaiser nach der Katze schaut. Wir müssen natürlich alles in Betracht ziehen.

      Solche Gedanken schlagen Sie sich nur ganz aus dem Sinn.

      Gryce strich leise über die Krempe seines Hutes, den er in der Hand hielt. Sie könnten uns unsere Aufgabe wesentlich erleichtern, Frau Daniels, wenn Sie die Güte hätten, uns offen kund zu tun, weshalb Sie solchem Anteil an dem Mädchen nehmen. Ein Blick in ihre wahre Geschichte würde uns besser auf die rechte Spur helfen, als alles, was Sie uns sonst bieten können.

      Sie zog die Stirn in düstere Falten. Habe ich Ihnen denn nicht alles gesagt, was ich davon weiß? Daß sie vor einem Jahr hei mir Arbeit suchte und ich sie behielt, weil sie mir gefiel; daß sie seitdem immer bei uns gewesen ist und –

      Also wollen Sie es uns nicht sagen, unterbrach sie Gryce.

      Sie schien zu zaudern; Unentschlossenheit sprach aus ihren Mienen.

      Wenn


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