Der Fisch. Gerhard Nattler

Der Fisch - Gerhard Nattler


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ging nicht weiter auf den Vorwurf ein.

      »Die Bilder, die die Leute aus dem Schrebergarten aufgenommen haben, sind gut und hilfreich«, schloss er seinen Vortrag, »aber ich verspreche mir noch mehr von den Bildern des Reporters. Es wäre zu schön, wenn der Täter irgendwo in der Menge zu finden wäre, denn ich gehe davon aus, dass er sich über die Folgen der Tat informieren wollte. Er musste schließlich sicher sein, dass die Tat von Erfolg gekrönt war. Wie sich die Sache darstellt, hat er nicht nur den Tod dieses Mannes angestrebt – das hätte er einfacher und unspektakulärer gestalten können – sondern er wollte unbedingt Spuren vernichten. Warum sonst solcher Aufwand? Er gibt damit die erste Info über sich preis: Er oder sie hat Kenntnisse von Schaltungen und Funk! Außerdem besitzt er Plastiksprengstoff und hat Erfahrung damit. Er hat gerade so viel Masse verwendet, wie nötig ist, das Haus komplett in die Luft zu jagen, aber niemand anderem zu schaden. Die Verwüstung betraf nur dieses Areal von dem Toten. Einzelne Bretter und Scherben sind auf die Nachbargrundstücke geschleudert worden. Bagatellen.«

      »Das gibt Anlass zu Hoffnung auf eine schnelle Lösung des Falles?«

      »Sollte man meinen, aber diese Anschläge von Spezialisten gestalten sich meistens sehr schwierig. Es sind oft Täter, die mit dem Opfer nicht unbedingt in Verbindung stehen. Die meisten Morde geschehen durch Personen, die dem direkten Umkreis des Opfers zuzuordnen sind. In unserm Fall rechne ich damit, dass der Täter von außerhalb kommt.«

      »Auftragsmord?« Sie sah ihren Mann bedenklich an. »Bringe dich nicht in Gefahr, Albert!«

      »Passt nicht auf diesen Tathergang. Dann wäre das Auto des Opfers noch auf dem Parkplatz. Es muss einen Grund geben, warum das Fahrzeug verschwinden musste. Wir haben ein Foto, auf dem das Nummernschild des Wagens teilweise zu sehen ist. Ich hoffe, dass wir morgen ein Bild finden werden, auf dem das Nummernschild vollständig zu erkennen ist. Dann müssen wir versuchen, es über das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg auszumachen. Wir haben die Daten online eingesehen. Den Wagen haben wir nicht gefunden. Auf eine direkte schriftliche Abfrage per Fax haben wir bisher keine Antwort erhalten. Die Nummer ist zu unvollständig für eine Suche oder es ist gefälscht. Es handelt sich auch nicht um eine Doublette. Wenn wir auf Basis dieser beiden Kenntnisse auf die Tat sehen, dann haben wir auf der einen Seite einen Täter mit professionellen Kenntnissen, auf der anderen Seite begegnen wir Leuten, die Zugriff auf gefälschte Ausweise und Nummernschilder haben. Im schlimmsten Fall bis in die Behörde hinein. Die Tat war - von dem Täter oder einem Komplizen - sorgfältig vorbereitet. Ehe alles in die Luft gesprengt worden ist, wurden die Schlüssel für seine Hausadresse und der Autoschlüssel entwendet. Ich bin der festen Überzeugung: Dahinter stecken Profis!«

      »Du meinst … glaubst du … die Mafia steckt dahinter?«

      Kapitel 9.

      Beatrice saß bei einem Glas Wein im Sessel. Sie hatte die Füße hochgelegt und las bei leiser Musik in einem Buch.

      »Seid ihr erfolgreich gewesen?«

      »Er hat die gesamten fünfzig Kilo aufgetrieben. In der nächsten Woche erhalten wir die gleiche Menge noch einmal. So können wir die Schiffladung beinahe kompensieren. Wegen der großen Lieferung werden wir in den nächsten Tagen telefonieren. Hast du etwas von einer Explosion mitbekommen?«

      Beatrice wusste von nichts. Sie schlug vor, auf der Internetseite der Ruhrzeitung nachzusehen. Sie wurden fündig.

       Explosion in Dorsten – Bombenanschlag?

       »In der Nacht zu Mittwoch wurden die Dorstener Anwohner im Stadtteil Berge von einer heftigen Explosion geweckt. Im Schrebergarten der ›Blumenfreunde‹ war in einer Laube eine Gasflasche mit Propangas geborsten. Die Feuerwehr war in Minutenschnelle vor Ort und hatte die Lage bald unter Kontrolle. Noch während die Löscharbeiten andauerten, erschien die Kriminalpolizei mit zwei Beamten des Dezernats Tötungsdelikte. Unser Reporter war vor Ort und hatte die Möglichkeit sich ein Bild von der Lage zu machen. Die Polizei hält sich bei Fragen zu der Ursache zurück. Die Nachbarn kennen den Toten als netten und umgänglichen Mitbürger deutscher Nationalität ohne Migrationshintergrund. Sie schließen ein Attentat nicht aus, weil Feuerwehrleute von einer Fernzündung sprachen. Wie auf einigen Aufnahmen unseres Reporters zu sehen ist, wurde der Wagen des Opfers während der Löscharbeiten vom Parkplatz entwendet. Nach Ansicht des Platzwartes konnte das nur von zwei oder mehreren Tätern durchgeführt werden. Kommt der Terror jetzt nach Dorsten?«

      Darunter waren Bilder der abgebrannten Laube und des verwüsteten Gartens sowie der Menschenmenge, auf der keine einzelnen Personen zu identifizieren waren. Auf einem kleineren Foto war ein Auto zu erkennen, das den Parkplatz des Schrebergartens verließ. Das Nummernschild war geschwärzt. Kein Foto und keine Erwähnung der Leiche. Darauf folgten einige Interviews mit Leuten aus der Nachbarschaft, darunter auch Niesser und Maranowski.

      Die Geschwister sahen sich fragend an. Ihre Firma hatte mit dieser Explosion nichts zu tun.

      »Wie kommt Wang dazu, uns hinter dem Anschlag zu vermuten?« Kris war besorgt. »Handelt es sich bei dem Toten um Mike, den wir seit vorgestern nicht erreichen können?«

      »Versuche, ihn zu erreichen.«

      Er wählte dessen Nummer. Es meldete sich die Stimme mit der bekannten Ansage von der Unerreichbarkeit des Teilnehmers.

      »Warum sollte Wang uns hinter dem Anschlag vermuten, wenn er nicht an Mike denkt?«, überlegte Beatrice. »Er verhält sich stets sehr distanziert und ist vorsichtig mit seinen Äußerungen. Und er ist immer gut informiert«, stellte sie fest.

      Kris stimmte ihr zu. »Soll ich den ›Fisch‹ einmal anrufen?«, fragte er?

      ­»Auf keinen Fall! Lassen wir ihn in Ruhe. Er wird uns wissen lassen, was geschehen ist, wenn er es für nötig hält.«

      »Wann triffst du dich mit Wang?«, meldete sich Kris aus der Küche.

      »Wir haben keinen Termin ausgemacht.«

      Er kam mit einem Weinglas zurück. »Hast du einen Schluck für mich?«

      Sie schenkte ein.

      Sie nahmen einen Schluck.

      »Sag mal, Beatrice«, dachte Kris nach einer Weile laut nach, »sollten wir zum Schrebergarten fahren und die Situation vor Ort begutachten? Von diesen Nachbarn, die interviewt wurden, könnte man etwas über den Toten erfahren, das nicht in den Nachrichten steht.«

      »Was wollen wir sie fragen? Wir werden nur auffällig. Die Polizei wird das Gelände abgesperrt und nur für Mitglieder geöffnet haben. Aber …«

      Ihr Handy meldete sich und kündigte durch den Ton eine verschlüsselte Nachricht auf der Signal-App an.

      »Dann wollen wir einmal nachsehen, wer an uns denkt.« Es handelte sich um eine Nachricht, für die sie ein Passwort benötigte. Das bedeutete, die Mitteilung löschte sich selbständig, wenn sie nicht kurzfristig geöffnet würde.

      »Der Lange schreibt:

      ›Habe die Leiche nicht sehen können. Das Auto wurde entsorgt. Mike soll mit letzter Kraft noch Hinweise gegeben haben. Yú hat Mike als Spitzel enttarnt und will, dass ihr die Firma auf weitere Ratten abklopft. Sucht nach einem USB-Stick und evtl. nach Dokumenten. Seine Adresse ist Lembeck (s. Karte). Schlüssel liegt ab heute Nacht bei euren Eltern. Der zweite Schlüssel ist für einen Stauraum unter der Treppe‹.«

      Eine zweite Nachricht erschien mit der angemeldeten Karte.

      Sie schob es Kris hin. Er las die Nachricht und betrachtete die Karte.

      »Dann ist Mike der Tote? Das ist entsetzlich! Er soll der Spitzel gewesen sein? Um Gottes willen! Was wusste er?« Er öffnete die Karte. »Scheint ein Haus abseits in dem Wald gelegen, durch den der Lembecker Weg führt.«

      »Scheint mir auch so. Ich habe eine Idee. Lass uns heute Abend etwas essen gehen. Auf dem Rückweg fahren wir dort kurz vorbei. Vielleicht ist der Schlüssel schon dort.«

      »Der Friedhof


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