Der Fisch. Gerhard Nattler
gibt keine Fingerabdrücke. Alles verbrannt. Wollen Sie es anschauen?«
»Nein Danke.«
Kurz und knapp.
Nach einem kurzen Abstecher bei Uschi, die allerdings keine Neuigkeiten zu vermelden hatte, erschienen die beiden bei Willi Schmidt.
»Wir haben einen Schlüsselbund in seiner Hosentasche gefunden«, berichtete Willi. »Ein Autoschlüssel gehört zu einem BMW, ein anderer passt zu der Laube und zwei weitere haben wir sichergestellt, die offensichtlich zu der Wohnung passen, also für Haus- und Wohnungstür. An einer angekokelten Schranktür fanden wir an der Innenseite drei Haken, die offensichtlich als Schlüsselanhänger dienten. An einem befand sich der Zweitschlüssel für die Laube.«
»Dann hat der Täter offensichtlich die drei anderen Schlüssel mitgenommen. Zwei für die Bottroper Wohnung, der andere war der Autoschlüssel, denn das Auto ist weg.« Berendtsen zog sein Taschentuch aus der Tasche und putzte sich die Nase.
Den Wohnungsschlüssel vom Schlüsselbund hatte Willi den beiden Leuten mitgegeben, die nach Bottrop unterwegs waren, um sich die Wohnung anzuschauen.
»Ich habe sie heute Morgen gleich nach der Besprechung rausgeschickt. Sie sind bereits eine Weile bei der Arbeit.«
»Gib uns Bescheid, sobald sie etwas haben.«
»Sie haben schon angerufen. Es war bereits jemand vor ihnen in der Wohnung und hat alles auf den Kopf gestellt. Die beiden suchen nach Spuren. Interessant ist, dass das Schloss aufgebohrt war, obwohl der Täter offensichtlich einen Schlüssel hatte. Das Schloss ist zerstört, so konnten sie nicht feststellen, ob der Schlüssel, den sie mithatten, gepasst hätte.«
Die Kommissare beschlossen, die zwei Abgesandten erst einmal in Ruhe die Wohnung durchsuchen zu lassen.
»Wann wollen sie wieder zurück sein?«, fragte Hallstein.
»Du weißt selbst, Oliver, dass ich dazu nichts sagen kann. In einem solchen Durcheinander muss man mit einer langen Dauer rechnen.«
In diesem Augenblick meldeten sich die beiden Leute aus Kirchhellen.
»Wir sind im falschen Film, Chef. Das ist nicht seine Wohnung. Hier wohnt eine Familie Nowiczek.«
Kapitel 5.
Vor dem Haus in Wulfen fuhr Edwins roter Ferrari Portofino vor. Er war nicht allein. Nana war bei ihm, die jüngere Schwester Raphaels. Den Spitznamen hatte sie sich selbst zugelegt, weil sie sich als Kind immer so genannt hatte. Sie stammte ebenfalls aus Cotonou in Benin. Mit ihren strahlenden Augen und dem weißen Fleck an der linken Schläfe und der leichten, freundlichen Art, ähnelte sie ihrer Mutter. Zu ihrer Freude nicht in der Gestalt. In dieser Richtung hatte sie mehr vom Vater mitbekommen. Während der Körper der Mutter nicht zuletzt durch die Arbeit in der Landwirtschaft kräftig und gedrungen wirkte, hatte sie eher die Maße eines Models aufzuweisen. Ihr glattes Haar und der hellere Teint erinnerten die Familie daran, dass der Großvater aus Frankreich stammte. Er war Ingenieur gewesen und hatte beim Bau der Eisenbahn vom Hafen Cotonou in den Norden mitgewirkt. Heute war es eine der wichtigsten Transportrouten des Landes.
Edwin stammte aus der Flur »Station« der Gemarkung Vlodrop, einem kleinen Dorf in der niederländischen Provinz Limburg, wenige Kilometer von Roermond und weniger als einen Katzensprung zu Fuß von der deutschen Grenze entfernt. Er war immer noch bei seinen Eltern gemeldet, die dort ein feines Restaurant betrieben mit einigen Hotelzimmern für Leute, die dort ein Wochenende in der einsamen Ruhe der Heide genießen wollten. Seit seinem zwanzigsten Lebensjahr lebte er überwiegend in Deutschland. Seine holländischen Eltern konnte er nicht verleugnen. Groß, blond, blaue Augen. Wenn Edwin sie besuchte, fuhr er häufig durch den Wald über die Grüne Grenze. Das war kürzer, als mit dem Auto über den Grenzübergang zu fahren.
Beatrice öffnete die Tür und begrüßte sie freundlich. Sie waren nicht zu erreichen gewesen, erfuhr sie, weil die beiden mit einem auf einen Kleintransporter verladenen Fahrzeuge zum Hafen nach Zeebrugge unterwegs gewesen waren und deshalb ihre anderen Handys dabeihatten.
»Daran habe ich nicht gedacht. Hätte man mir auch sagen können. Ich habe euch gesucht. War der Transport nicht für übermorgen angedacht?«
»Wir hatten einen heißen Wagen. Er ist inzwischen verladen. Den findet keiner mehr«, klärte Nana sie auf.
»Das Schiff legt wie geplant heute Abend ab«, ergänzte Edwin. »Wir sind heute Nacht um halb zwei vom Hof gefahren. Wir waren gut unterwegs. Der Lademeister in Zeebrugge hat uns gegen ein kleines Taschengeld wie immer problemlos durchgeschleust, so konnten wir gegen elf Uhr zurück. Jetzt sind wir hier. Wir konnten Sie nicht benachrichtigen, Bea, weil Sie im Flugzeug saßen. Wie war Ihre Reise?«
»Der Flug war unkompliziert wie immer. Ich konnte über Nacht fliegen. Dann kommt es einem nicht so lang vor. Von Cotonou bis Düsseldorf war ich knapp fünfzehn Stunden unterwegs, weil ich in Rabat umsteigen musste. Aber das wolltet ihr nicht wissen. Euch interessiert das Geschäft. Es hat sich gelohnt. Ich bin zufrieden. Setzt euch. Raphael lässt dich herzlich grüßen.«
»Danke. Ich habe gestern Abend mit ihm telefoniert«
Beatrice schob die große Glastür zur Seite und frische Luft flutete über die Terrasse herein. Der Frühling hatte begonnen, aber nur kalendarisch. Es war jedes Jahr dasselbe. Sie wartete auf den März, dann den April, jetzt ging bereits dieser Monat dem Ende zu, aber einen durchschlagenden Erfolg hatte der Frühling noch nicht gebracht. Heute war indes ein wunderschöner Tag.
»Warum seid ihr zu zweit nach Zeebrugge gefahren? Ihr seid in einem Rutsch hin und zurück kutschiert? Du hast einen Führerschein für Lastwagen, glaube ich.«
»Genau, aber für den Transporter habe ich ihn nicht benötigt«, antwortete Nana. »Wir wollten uns abwechseln. Für einen allein ist die Tour zu weit. Zu zweit konnten wir innerhalb von einem Tag wieder zurück.«
»Sagtet ihr schon. In Benin habe ich – besser gesagt Raphael - die Voraussetzungen geschaffen, den Umsatz mit Gebrauchtwagen zu verdreifachen. Dein Bruder«, sie blickte Nana an, »hat es geschafft, ein an unser Gelände grenzendes Grundstück zu erwerben. Beide Grundstücke zusammen wollen wir als Lagerplatz für Wagen benutzen. Das Areal ist über einen Quadratkilometer groß. Raphael meint, es gehen bis zu einhunderttausend Autos auf den Platz.«
Sie ließ die Worte sacken.
Die Antwort kam von Nana. »Ist es das Gelände der alten Fabrik? Sie haben Steine gebrannt, glaube ich.«
Bea nickte.
»Dann müssen wir hier neue Zentren aufbauen, an denen wir die Wagen kaufen. Sportplätze wie in Essen reichen dann nicht mehr aus. Mir fallen spontan die Parkplätze vor Fußballstadien ein. Wenn man dort mit fünf Leuten antritt … jeder schafft drei Wagen in der Stunde … sind in drei Stunden«, er überschlug, »fünfundvierzig Autos. Müsste zu schaffen sein. So kommen wir bei drei Tagen in der Woche auf einhundertfünfunddreißig Wagen. Bei drei Stadien sind das rund vierhundert Autos in der Woche.«
»Damit können wir jede Woche einen Zug Richtung Zeebrügge beladen. Die Autotransportschiffe laden dort bis zu achttausend Wagen ein. Da werden wir unsere Vierhundert problemlos unterbringen können. Ich kann mich umhören. Ich kenne einen Verlademeister, der uns helfen kann … und wird. Er ist immer sehr entgegenkommend.«
»Bekommen wir so viele Autos zusammen? Gehst du davon aus?«, fragte Bea. »Raphael hat mir versichert, er schafft die Menge. Er kann mit der doppelten Anzahl Wagen fertigwerden.«
»Wenn wir hier in unserem Umkreis nicht so viele Autos ankaufen können, dürfen wir uns nicht auf unser Einzugsgebiet beschränken. Wir müssen expandieren. Wir könnten uns nach Norddeutschland ausbreiten und diese Autos über Bremerhaven verschicken. Andere Häfen schaffen diese Menge Autos nicht, da sie nicht die Parkplätze vor den Anlegern zur Verfügung haben. Dazu kommen die Fahrer, die die Autos auf die Fähren bringen.«
»Was passiert«, wandte Beatrice ein, »wenn wir anderen Mitbewerbern