Der Fisch. Gerhard Nattler

Der Fisch - Gerhard Nattler


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in diesem Fall weiterhelfen könnte?

      »Nein. Nichts.« Beide schüttelten den Kopf.

      Frau Niesser hatte ein zweites Fuhrmannspinnchen aufgetrieben. Manni nahm dankend an, nickte in die Runde, trank aus und zeigte das leere Glas vor. Dabei stellte er fest, dass die Kommissare nicht tranken.

      Sie goss allen nochmals ein.

      »Unbekannte Spaziergänger? Fahrradfahrer? Vielleicht jemand, der von dort oben an der Straße Fotos geschossen hat?«, präzisierte Hallstein.

      Beide hatten nichts bemerkt. Freunde, die ihn besucht hatten, kannten sie auch keine.

      Berendtsen bedankte sich für die Hilfe und bat die beiden, sich zur Verfügung zu halten. Hallstein notierte sich ihre Daten.

      Berendtsen rieb sich die Arme. »Kalt ohne Feuer.« Dann fragte er: »Sag mal, Oliver, hast du etwas über den Toten erfahren?«

      »Nein, aber der Platzwart ist unterwegs. Er hat mit Sicherheit ein Verzeichnis.«

      »Kann mal jemand die Gaffer zurückdrängen?«, schrie einer der Feuerwehrleute. Die beiden Streifenpolizisten Joachim Frank und Robert Feil, die dabei waren, die Personalien der Zuschauer aufzunehmen, fühlten sich sofort angesprochen und drängten die Menge ohne Probleme zurück. Anschließend fuhren sie mit ihrer Tätigkeit fort. Eine Person wies sich als Reporter der Ruhrzeitung aus. Berendtsen kannte Herrn Leying aus früheren Begegnungen und gab Anweisung, ihn durchzulassen. Dieser bedankte sich und grüßte von Franz Roloff, dem Inhaber der Zeitung und Berendtsens Nachbar in der Puccinistraße in Dorsten.

      »Hat man Sie hinzugezogen, Herr Berendtsen? Vermutet man Fremdeinwirkung?«

      »Sie wissen, Herr Leying, ich kann und darf zu diesem Zeitpunkt keine Auskunft geben. Sie könnten allerdings für mich einige zusätzliche Fotos von den Zuschauern ringsum schießen. Um diese Leute kümmert sich die Spurensicherung nicht. Nicht für die Ausgabe! Ich verlasse mich auf Sie!«

      »Gerne, Herr Hauptkommissar. Sie werden es nicht bereuen.«

      »Geben Sie ihr Bestes! Ihr Allerbestes!«, empfahl Berendtsen. Er kannte den Mann, der stets seine Zusagen eingehalten hatte.

      Alsbald kamen die Ameisen, wie er die Spurensicherung nannte. Heute in der Nacht hatte Willi Schmidt lediglich vier junge Leute mitgebracht. Die Feuerwehrleute brauchten einige Minuten, um ihr Gerät abzuziehen. Daraufhin bahnten sie sich den Weg rückwärts durch die abziehende Menge und hielten erst, als sie vor dem Gartentor standen. Sie waren mit dem kleinen Wagen da.

      »Hallo Willi«, grüßte Berendtsen seinen Freund Willi Schmidt, den Chef der Spurensicherung. »Schon so früh auf den Beinen?«, ulkte er.

      Die Mitarbeiter waren ausgeschwärmt und steckten kleine Tafeln mit Zahlen an markanten Punkten in die Erde. Die Eins steckte neben der Markierung der Feuerwehr.

      Willi schoss einige Fotos mit einer Kamera, an der ein mächtiges Blitzlicht montiert war. Dann standen die Scheinwerfer. Willi gab die Kamera an den Fotografen der Spurensicherung.

      »Was sollen wir machen, Albert? Haben wir eine Wahl? Hast du schon Interviews geführt? Weißt du schon, was passiert ist? Genau passiert ist, meine ich?«

      »Viele Fragen auf einmal. Ich weiß nicht einmal, wie er heißt. Wir warten auf den Platzwart.«

      Willi schickte einen der vier Leute, die er mitgebracht hatte, vor. Er sollte sich überzeugen, dass keine Glut mehr auszumachen und Zutritt möglich war. Der Mann setzte eine ABC-Maske auf und machte sich mit einem Analysegerät an die Arbeit.

      »Einsturzgefährdung besteht offensichtlich nicht«, witzelte Willi Schmidt.

      »Keine giftigen Gase auszumachen.« Der Mann nahm die Gasmaske ab. »War nicht unbedingt zu erwarten. Es ist offensichtlich eine Menge Dachpappe, Styropor und Farbe verbrannt. Der leichte Wind hat alles vertrieben. Bloß gut, dass nicht so ein Sturm geht wie vorgestern. Der hätte das Feuer vorangetrieben. Dann Adieu Waldfrieden.« Er winkte seinen Kollegen zu. »Wir können rein!«

      Die Kofferraumklappe hob sich und die Leute packten ihre Utensilien aus. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Drei Leute sahen sich im Garten um, der vierte beschäftigte sich mit der Leiche. Willi und Albert standen zusammen und besahen sich das Schlachtfeld.

      »Wer kommt auf die Idee, einen Bombenanschlag in einem Schrebergarten zu verüben? Nichts anderes war es.« Willi rieb sich mit dem Ärmel über die Stirn. Ein Rest der Hitze war noch immer zu spüren.

      »Sieh mal in seinen Hosentaschen nach!«, rief er dem Kollegen an der Leiche zu.

      »Bereits geschehen. Nichts.«

      Berendtsen lieh sich von einem Feuerwehrmann die Taschenlampe und suchte das Areal um den Toten ab. Er fand ein Smartphone. Er stülpte eine Plastiktüre darüber, packte es ein und gab es Willi.

      »Gut, Albert. Danke.«

      »Guten Morgen, die Herren.«

      Berendtsen sah auf die Uhr. Halb vier.

      »Ich bin der Platzwart. Heinz Drache. Ich habe sein Datenblatt mitgebracht.« Er hielt dem Kommissar die Mappe hin.

      Berendtsen stutzte. Besah sich den Mann.

      »Sie heißen nicht nur wie der bekannte Schauspieler, sie haben auch die gleiche Bürstenfrisur.«

      »Nicht wahr?«, lachte der Platzwart.

      »Wunderbar!« Berendtsen hatte die Seite überflogen. »Michael Hartmann, gemeldet in Bottrop. Vierunddreißig Jahre. Was macht ein solch junger Kerl hier mit einem Schrebergarten? Sie haben doch andere Interessen in dem Alter.« Er zeigte Willi den Eintrag.

      Die Antwort wusste Hallstein. »Er wohnte hier ständig, sagt Niesser. »Eingezogen ist er am 1. Oktober. Auch im Januar und Februar, als es so kalt war.«

      »Was macht er dann mit einer Adresse in Bottrop. Hat er sich mal darüber ausgelassen, ob es eine Wohnung, ein Apartment oder gar ein Haus ist?«, fragte Berendtsen den Platzwart.

      »Nein.«

      »Ruf mal im Präsidium an, Oliver. Vielleicht bekommt die Nachtschicht etwas über den Mann heraus.«

      Die Spusi sammelte reichlich Material, aber Willi bezweifelte, dass etwas davon zu gebrauchen war. Alles war mehr oder minder verkohlt. Er präsentierte Albert seine magere Ausbeute: Ladegeräte, die ursprünglich weiß waren, bis auf das Metall abgebrannte Kopfhörer und eine Lampe mit Qi Ladestation. In der Wanne der Mitarbeiter sah es nicht anders aus.

      Berendtsen sah, dass bei Niesser noch Licht brannte. Er ging hinüber und klopfte an.

      »Entschuldigen Sie bitte, Herr Niesser. Ich habe noch eine Frage: Ist Herr Hartmann, so lautet der Nachname Ihres Nachbarn, regelmäßig einer Beschäftigung nachgegangen?«

      »Er hat gearbeitet, aber nicht zu so regelmäßigen Schichten, wie wir Alten es kennen. Manchmal war er schon früh unterwegs, manchmal spät, manche Tage war er gar nicht weg. Dann wiederum bekam man ihn mehrere Tage nicht zu Gesicht. Er hat dann erzählt, dass er für die Firma zwei oder drei Tage unterwegs sein müsste und bat uns, auf sein Anwesen ein Auge zu werfen. Hinterher gab es immer eine Flasche Korn zum Dank. Es gab niemals etwas Ungewöhnliches. Computer und Internetanschluss hat er sich angeschafft. Er hat viel geschrieben.«

      »Danke. Und entschuldigen Sie die abermalige Störung.«

      »Macht gar nichts, Herr Kommissar. Wir beide können sowieso nicht schlafen. Wir sitzen am Tisch und reagieren uns ab.« Er prostete Berendtsen symbolisch zu und führte die Hand zum Mund.

      »Kommt dort der Leichenwagen?«

      Berendtsen nickte.

      »Ich werde ihm die Durchfahrt freimachen«, beschloss er und bewegte sich auf die Einfahrt zu.

      Kapitel 3.

      »Hallo Beatrice«, wurde sie von ihrem Bruder Kris begrüßt,


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