Wandlerin. Ana Marna

Wandlerin - Ana Marna


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dauerte lange, bis er sie endlich losließ und sich die blutigen Lippen leckte.

      Sie sank zu Boden und krümmte sich zitternd zusammen.

      Metall kreischte auf.

      „Komm!“

      Ein Klatschen und ein lauter Schmerzschrei erklangen.

      Vorsichtig wagte sie einen Blick zu ihrem Nachbarn.

      Der stand offensichtlich ebenso gebannt wie sie vor diesem entsetzlichen Mann, das Gesicht schmerzerfüllt verzogen. Neben ihm befand sich ihr Bewacher, der seinen geliebten Metallprügel schwang und mit aller Gewalt in die Nieren des Gebannten schlug.

      Ihr Nachbar stieß einen schmerzvollen Laut aus, der sie selbst wimmern ließ. Immer wieder knallte der Prügel in die Lendengegend. Haut platzte auf und Blut tropfte auf den Boden.

      Es war unfassbar, dass der Gefolterte noch stand. Gehalten nur vom Blick eines Mannes.

      Ein bizarrer Anblick, von dem sie wusste, dass er sie bis an ihr Lebensende verfolgen würde.

      Das Ende kam plötzlich. Von einer Sekunde zur anderen hatte der Mann seine Zähne in den Hals ihres Nachbarn geschlagen. Nur lautes Schmatzen und das leise Röcheln des Sterbenden durchbrachen die ängstliche Stille, die den Raum beherrschte.

      Sie erhaschte noch einen kurzen Blick in die verlöschenden Augen, bevor der tote Körper mit einem dumpfen Laut zu Boden fiel.

      Tränen traten ihr in die Augen. So durfte niemand sterben.

      Aber sie erhielt keine Zeit zu trauern.

      Ihre Zelle wurde geöffnet und der blutige Metallprügel rammte sich schmerzhaft in ihre Seite.

      „Steh auf, Missgeburt“, knurrte ihr Wärter.

      Als sie panisch vor ihm davonkriechen wollte, packte er sie an den Haaren und riss sie hoch.

      Diesmal waren sie zu zweit. Ihr Bewacher und ein weiterer, finster aussehender Kerl, der einen genauso irren Blick trug wie alle Männer, die sich um die Gefangenen kümmerten. Sie zerrten sie durch dunkle Gänge bis in einen kleinen Raum, in dem ein Metalltisch auf sie wartete.

      Stählerne Ringe fixierten sie auf dem Tisch, dann trat wieder der gutaussehende Mann in ihr Blickfeld. Er musterte sie mit einem unergründlichen Lächeln, das ihr erneut tiefe Angst einjagte.

      „Was ... was wollen Sie von mir?“, stammelte sie. „Wer sind Sie?“

      „Ich bin dein Herr und Meister.“ Er hob eine Spritze und ließ einen Finger gegen das Glasgehäuse schnalzen. „Und du, Menschlein, trägst tatsächlich das Potenzial in dir, mein Meisterstück zu werden. Wenn du diese Nacht überlebst, wirst du mir dienen.“

      „Das .... das werde ich ganz bestimmt nicht.“

      Ihre Stimme brach beinahe vor Angst.

      Er lachte leise und beugte sich über sie.

      „Ganz bestimmt, Menschlein.“

      Der Stich der Spritze tat weh, aber es ließ sich aushalten. Kein Vergleich zu den bisherigen Schlägen und Verletzungen, die man ihr zugefügt hatte. Doch es dauerte nicht lange und sie spürte, wie ein leichtes Brennen in ihren Adern einsetzte. Es rollte durch ihren ganzen Körper, erreichte jede ihrer Zellen und wurde immer stärker.

      Panisch und beinahe blind vor Schmerzen riss sie an ihren Fesseln.

      „Mach dir nicht allzu viele Sorgen“, drang die gefürchtete Stimme an ihr Ohr. „Ich konnte deine Regenerationsfähigkeit in dir wecken. Das wird dir helfen, diese Nacht zu überstehen.“ Er lachte leise. „Die Schmerzen wird es dir natürlich nicht nehmen, aber es heißt ja, dass man daran wachsen kann.“

      Sie starb, das wusste sie einfach. Niemand konnte eine solche Pein überleben. Ihre Zellen standen in Brand, eine einzige Agonie der Schmerzen und der Zerstörung. Sie sah, wie ihre Haut schwarz wurde, verkohlte, und jede ihrer zuckenden Verrenkungen ließen Glut und Asche auffliegen.

      Niemand konnte so etwas überstehen!

       *

      „Auf, Bestie, auf und zeig, ob du wieder hübsch bist!“

      Der Elektroschocker brannte sich schmerzhaft in ihren Oberarm und sie schnellte auf die Beine. Mit einem Fauchen drehte sie sich ihrem Peiniger zu. Dieser lachte nur dreckig und trieb den Metallprügel gegen ihre Rippen.

      Sie stolperte nach hinten und krachte scheppernd an das Metallgitter.

      Diesmal war ihr Folterer nicht allein. Zwei weitere Männer standen vor ihr und betrachteten sie mit angewiderten Blicken.

      Unwillkürlich sah sie an sich herunter. Sie war nicht besonders hübsch, das war ihr klar, aber warum ... Ihre hektischen Gedankengänge stockten und sie schnappte entsetzt nach Luft.

      Ihre normalerweise blasse Haut flackerte in einem unsteten Farbmuster, durchzogen von roten und gelben Schlieren.

      Ihr Blick fiel auf ihre Hände und sie hob sie ungläubig. Waren das Krallen? Genauso ihre Füße. Scharfe Krallen sprossen aus den einzelnen Zehengliedern und verwandelten sie in mörderisch aussehende Klauen. Dann bemerkte sie, wie ihre Zunge gegen die Zähne stieß. Spitze, scharfkantige Reißzähne.

      Sie war ein Monster!

      „Eine echte Schönheit“, spottete ihr Bewacher und spuckte angewidert vor ihr aus. „Der Meister wird begeistert sein.“

      Er nickte einem der Männer zu. „Sag dem Meister, dass sie gesund und munter ist.“

      Die drei zogen sich vorsichtig aus dem Käfig zurück und verschlossen ihn sorgfältig.

      Sie registrierte das nur am Rande. Noch immer hing ihr Blick an den Klauen fest und pures Entsetzen machte sich in ihr breit. Was für ein Monster war sie geworden? Wie konnte das passieren? Ihr selbsternannter „Meister“ hatte gesagt, dass die Bestie in ihr gelegen habe, aber warum hatte sie nie etwas davon gespürt?

      Sie sah hoch und blickte in die Nachbarzellen.

      Ihre Mitgefangenen starrten ihr entgegen. In allen Augen las sie das Gleiche.

      Furcht.

      Ein verzweifelter Laut entrang sich ihren Lippen.

      Was hatte man ihr angetan?!

       *

      Natürlich wollte sie fliehen. So wie vermutlich alle hier.

      Doch wie sollte sie das anstellen? Er, der sie jetzt dazu zwang, ihn Meister zu nennen, hatte ihr verboten, die Gitterstäbe zu berühren. Und sein Wort war wie ein Gesetz.

      Jedes Mal, wenn sie das Metall berührte, machte sich in ihr der Zwang breit, sich selbst zu verletzen. Inzwischen gelang es ihr zwar, zwischendurch ihre menschliche Gestalt anzunehmen, doch dieser Zwang löste sofort eine Wandlung aus und scharfe Krallen rissen in ihrem eigenen Fleisch, bis der Wärter sie mit seinem Elektroschocker in die Bewusstlosigkeit schickte.

      Ihr Meister hatte sich darüber köstlich amüsiert und verkündet, dass sie es schon noch lernen würde, zu gehorchen.

      Viermal hatte er sie aufgesucht, hatte sie begutachtet und ihr dann eine weitere Spritze verpasst. Das letzte Mal war vor zwei Tagen gewesen.

      Gespürt hatte sie dieses Mal nichts. Keine Schmerzen, keine Veränderungen. Aber sie war sich nicht sicher, ob das gut war.

      Ihr Bewacher war in den letzten Tagen besonders eklig gewesen. Ständig malträtierte er sie mit seinen Elektrostab und erklärte ihr kichernd, dass sie nun mal lernen müsse, sich schnell zu verwandeln.

      Bisher gelang es ihr nur mit äußerster Konzentration, menschlich zu werden. Jeder Schmerz, jede Furcht ließ sie instinktiv zum Monster mutieren. Ihre Leidensgenossen mieden inzwischen jeden Blickkontakt. Und das war für sie das Schlimmste. Alle, ausnahmslos alle fürchteten sich vor ihr. Niemand sah in ihr den Menschen, der sie doch eigentlich


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