IM ANFANG WAR DER TOD. Eberhard Weidner

IM ANFANG WAR DER TOD - Eberhard Weidner


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immer breit.

      »Und verrätst du mir auch, welche das ist, Krieger? Oder ist das, weil es sich um Täterwissen handelt, ebenfalls ein Geheimnis, das du mir gegenüber nicht preisgeben willst?«

      »Es handelt sich um die ersten fünf Worte von Kapitel 2, Vers eins.«

      »Und was steht dort?«

      »Im Anfang war das Wort«, zitierte Krieger aus dem Gedächtnis. »Allerdings wurde der Text handschriftlich verändert. Die letzten beiden Worte wurden durchgestrichen und durch die Worte der Tod ersetzt.«

      »Im Anfang war der Tod.« Anja erschauderte, als sie die veränderte Bibelstelle wiedergab, denn in dieser Form klang sie geradezu düster und unheilverkündend. Wie ein Omen, das sich nicht nur auf die konkrete Mordtat bezog, sondern darüber hinaus weitere Verbrechen in Aussicht stellte. Sie zuckte mit den Schultern, als könnte sie dadurch das unangenehme Gefühl drohenden Unheils abschütteln, und sah Krieger fragend an. »Und? Was hat das jetzt mit mir zu tun?«

      »Das ist ganz einfach«, erwiderte der Mordermittler, wobei sich sein gehässiges Grinsen sogar noch vertiefte, obwohl Anja das gar nicht für möglich gehalten hätte. »Denn diese Bibel gehörte gar nicht dem verstorbenen Priester.«

      »Wem dann?« Eine weitere düstere Vorahnung ließ Anjas Knie weich werden.

      »Dir natürlich!«

      »Mir?«

      Krieger nickte. »Wenn ich richtig informiert bin, lautete dein Name bis zu deiner Hochzeit Anja Kramer. Und exakt dieser Name steht auch in der Bibel!«

      III

      Ein Faustschlag in den Magen hätte Anja in diesem Augenblick nicht härter und schmerzhafter treffen können als Kriegers Worte. Sie unterdrückte mit Mühe das Stöhnen, das sich ihr als erste Reaktion entringen wollte.

      Krieger holte einen Kugelschreiber aus der Innentasche seiner Jacke. Mit dessen Spitze hob er vorsichtig den vorderen Umschlag der Bibel an, sodass die darunterliegende Leerseite zu sehen war. In deren oberen rechten Ecke stand tatsächlich in Kinderschrift Anjas vollständiger Geburtsname.

      Obwohl es so viele Jahre her war, erinnerte sie sich noch deutlich daran, wie sie ihren Namen in die Bibel geschrieben hatte, die sie zur Erstkommunion geschenkt bekommen hatte. Sie hatte sich damals besonders viel Mühe gegeben, um bloß keinen Fehler zu machen. Schließlich wollte sie nicht riskieren, dass Gott sie mit einem Blitz niederstreckte, wenn sie etwas Falsches in sein Buch schrieb. Deshalb hatte sie auch ihre beste Schönschrift verwendet.

      »Ist das nun deine Schrift oder nicht?«, fragte Krieger, dessen Grinsen spurlos verschwunden war. Stattdessen sah er sie mit einem Gesichtsausdruck an, den er ansonsten vermutlich für den Abschaum der Menschheit reserviert hatte, dem er bei der Arbeit im Verhörzimmer begegnete.

      Anja nickte seufzend. »Zumindest war sie das mal, als ich noch ein Kind war. Inzwischen hat sich meine Handschrift allerdings sehr verändert. Und das nicht unbedingt zum Besseren.«

      »Dann ist das also tatsächlich deine Bibel?«

      »Ja«, sagte Anja in genervtem Tonfall. »Das streite ich ja auch gar nicht ab. Ich kann mir allerdings nicht erklären, wie sie hierhergekommen ist. Keine Ahnung, wo sie all die Jahre war. Ich habe sie nämlich mindestens ebenso lange nicht mehr gesehen wie Pfarrer Hartmann.«

      Krieger ließ den Kugelschreiber wieder in der Innentasche seiner Jacke verschwinden. Er sah sie an, als hätte er sie soeben tatsächlich des schändlichen Mordes an einem Geistlichen überführt. Von ihm hatte sie augenscheinlich keine Gnade zu erwarten. Er hatte sich anhand dieser sogenannten Verdachtsmomente bereits eine konkrete Meinung gebildet und würde – starrköpfig, wie er nun einmal war – nicht einen Millimeter davon abrücken, solange Anja ihn nicht mit handfesten Beweisen vom Gegenteil überzeugen konnte.

      Und wenn Anja ehrlich zu sich selbst war, dann konnte sie ihm das nicht einmal verdenken. Die Indizien, die am Tatort gefunden worden waren, wiesen alle eindeutig in ihre Richtung und waren belastend. Und dabei wussten die Mordermittler noch nicht einmal alles. Zum Glück, denn andernfalls wäre sie vermutlich schon längst mit Handschellen gefesselt und auf dem Weg zum Haftrichter.

      Sie zweifelte ja schon selbst immer intensiver an ihrer Unschuld, je mehr sie über die Begleitumstände des Mordes erfuhr. Wieso sollte es den Kollegen dann anders ergehen?

      Anja richtete den Blick hilfesuchend auf Englmair, der sich in den letzten Minuten zurückgehalten und Krieger das Feld überlassen hatte. Er kaute nachdenklich an seiner Unterlippe und sah sie an, als überlegte er, was er jetzt bloß mit ihr anstellen sollte. Sie ahnte, dass die Situation in diesem Moment buchstäblich auf Messers Schneide stand. Und wenn sie auf die falsche Seite kippte, würde sie vermutlich sofort verhaftet und ihre Wohnung durchsucht werden. Doch das durfte sie auf keinen Fall zulassen, bevor sie dort nicht selbst nach belastenden Beweisen gesucht und diese nach Möglichkeit beiseitegeschafft hatte.

      »Hört zu!« Obwohl in ihrem Inneren ein Aufruhr an Emotionen herrschte, bemühte sie sich, nach außen gelassen und gefasst zu wirken. Sie durfte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als wäre sie schuldig und hätte Angst. »Denkt doch mal nach, ihr zwei! Glaubt ihr wirklich, ich könnte einem Menschen so etwas antun?« Sie deutete erneut auf die Leiche des Pfarrers am Fuß der Treppe, ohne sie dabei allerdings anzusehen.

      »Natürlich nicht!«, sagte Englmair sofort.

      »Warum nicht?«, fragte Krieger, ohne zu zögern.

      Es war die Reaktion, die sich Anja erhofft hatte. Sie konnte Krieger momentan ohnehin nicht dazu bewegen, sie für unschuldig zu halten, deshalb konnte sie sich die Mühe genauso gut sparen. Aber solange Englmair zu ihr hielt, hatte sie noch einen Fürsprecher und damit eine Chance, der sofortigen Inhaftierung zu entgehen.

      Doch eine Chance wofür?

      Sie schob den Gedanken beiseite. Darum konnte sie sich später immer noch Gedanken machen. Erst einmal musste sie dafür sorgen, dass sie auf freiem Fuß und damit handlungsfähig blieb.

      »Habt ihr schon die Nachbarn befragt?«, erkundigte sich Anja, um die Unterhaltung in eine andere Richtung und weg von ihrer eigenen Person zu lenken. Sie musste den beiden Männern wieder das Gefühl geben, dass sie immer noch eine Kollegin war und sie alle auf derselben Seite des Gesetzes standen. »Unter Umständen hat jemand etwas gesehen. Einen verdächtigen Wagen vielleicht.«

      »Wir hatten noch keine Gelegenheit, die Nachbarn zu befragen«, sagte Englmair, der nicht länger darüber nachzugrübeln schien, ob er seiner Kollegin von der Vermisstenstelle tatsächlich einen brutalen Mord zutraute. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Außerdem ist es dazu noch ein bisschen zu früh.«

      »Sag ihr bloß nichts!«, zischte Krieger. »Solange die Indizien, die eindeutig gegen sie sprechen, nicht widerlegt wurden, sollten wir sie wie eine Tatverdächtige behandeln. Wir sollten ihr daher auch überhaupt nichts über unsere Ermittlungen erzählen. Wahrscheinlich will sie uns nur aushorchen, um zu erfahren, wie viel wir bereits wissen.«

      Anja schüttelte den Kopf. »Du hast sie doch wirklich nicht mehr alle, Krieger!«

      »Ich hab sie also nicht mehr alle?«, fragte Krieger zornig. Er hatte einen hochroten Kopf bekommen und stieß mit dem ausgestreckten Zeigefinger wie mit einem Messer nach Anja, während er weiterredete und seine Argumente an den Fingern der anderen Hand abzähle: »Dann lass mich doch mal kurz aufzählen, was wir in Wirklichkeit alles haben: Da wäre als Erstes eine blutbefleckte Visitenkarte von dir in der Hosentasche des Toten. Zweitens steht auf der Rückseite eine handschriftliche Notiz über ein Treffen des Toten mit dir, das zufälligerweise exakt innerhalb des Zeitrahmens stattfand, in dem der Mann ermordet wurde. Drittens hast du selbst eingeräumt, dass du den Mann von früher kanntest und hier den Gottesdienst besucht hast. Und damit noch nicht genug, stammt viertens auch die Bibel auf dem Altar, in der ein Bibelzitat markiert und verändert wurde, von dir. Bei einer derartigen Fülle von Indizien ist manch einer schon für den Rest seines erbärmlichen Lebens hinter Gittern gelandet. Dass ich dir noch keine Handschellen angelegt habe, hast


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