Weihnachtsmärchen. Charles Dickens
ist Eure Rechnung«, sagte Joe, »und ich gebe keinen
Sixpence mehr und sol te ich in Stücke gehauen werden. Wer
kommt jetzt?«
Mrs. Dilber war die nächste. Sie hatte Bett- und Handtücher,
einige Kleidungsstücke, zwei altmodische silberne Teelöffel, eine
Zuckerzange und 57
einige Paar Stiefel. Ihre Rechnung wurde von Joe auf dieselbe
Weise an die Wand geschrieben.
»Damen gebe ich immer zuviel. Es ist meine Schwäche, und ich
richte mich damit zugrunde », sagte der alte Joe. »Hier ist Eure
Rechnung. Wol tet Ihr einen Pfennig mehr dafür haben und es
darauf ankommen lassen, so täte es mir leid, so nobel gewesen
zu sein, und ich zöge Euch eine halbe Krone ab.«
»Und nun mach mein Bündel auf, Joe«, drängte die erste.
Joe kniete nieder, um bequemer das Bündel öffnen zu können,
und nachdem er viele viele Knoten aufgemacht hatte, zog er eine
große schwere Rol e von einem dunklen Stoff heraus.
»Was ist das?« staunte Joe. »Bettgardinen!«
»Ja«, rief das Weib lachend und sich vorbeugend.
»Bettgardinen!«
»Ihr wol t doch nicht sagen, Ihr hättet sie heruntergenommen,
wie er dort lag?«
sagte Joe.
»Ih, freilich«, sagte das Weib. »Warum auch nicht?«
»Ihr seid geboren, Euer Glück zu machen, und Ihr werdet's
auch.«
»Ich werde doch wahrhaftig meine Hand nicht leer einstecken,
wenn ich sie nur auszustrecken brauche, um was zu kriegen, um
so eines Mannes willen, wie der war. Wahrhaftig nicht, Joe«,
antwortete das Weib ruhig. »Laß kein Öl auf die Bettdecken
tropfen.«
»Seine Bettdecke?« fragte Joe.
»Von wem soll sie denn sonst sein?« entgegnete das Weib. »Er
wird auch ohne die nicht frieren, das behaupte ich.«
»Er starb doch nicht etwa an etwas Ansteckendem?« fragte der
alte Joe bedenklich, seine Beschäftigung unterbrechend und sie
anblickend.
anblickend.
»Das braucht Ihr nicht zu befürchten«, antwortete die Frau. »Ich
hatte ihn nicht so lieb, daß ich dann bei ihm geblieben wäre um
solcher Lumpen wil en. Ha, Ihr könnt durch das Hemd gucken,
bis Euch Eure Augen weh tun: Ihr findet kein Loch darin und
keine dünne Stelle. Es ist das beste, was er hatte, und sein ist's
auch. Sie hätten's verdorben, wenn ich nicht gewesen wäre.«
»Was meint Ihr mit Verderben?« fragte der alte Joe.
»Nun, ihm das Hemd in das Grab mitgeben, was sonst?«
erwiderte die Frau lachend. »Es war da einer dumm genug, es
ihm anzuziehen, aber ich zog's ihm wieder aus. Wenn Kattun zu
so etwas nicht gut genug ist, weiß ich nicht, zu was er sonst gut
wäre. Er steht einer Leiche ebensogut. Er kann nicht häßlicher
aussehen, als er darin aussah.«
Scrooge hörte das Gespräch mit Grausen an. Wie sie da um
ihren Raub herum in dem kärglichen Lampenlicht des Alten
saßen, betrachtete er sie mit einem Ekel und einem Abscheu, der
nicht größer hätte sein können, wenn es scheußliche Dämonen
gewesen wären, die um die Leiche selbst feilschten.
»Ha, ha!« lachte dieselbe Frau, als der alte Joe, einen alten
flanellnen Geldbeutel herauslangte und jedem den Preis des
Raubes auf den Fußboden hinzählte. »Das ist das Ende von der
Geschichte, seht Ihr! Er scheuchte jeden von sich, solange er
lebte, um uns zu nützen, da er tot ist! Hahaha!«
lebte, um uns zu nützen, da er tot ist! Hahaha!«
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»Geist«, sagte Scrooge, vom Fuß bis zum Scheitel zitternd. »Ich
verstehe dich.
Das Los dieses Unglücklichen könnte das meinige sein. Mein
Leben geht jetzt auf dieses Ziel zu. Gnädiger Himmel, was ist
das?«
Er fuhr entsetzt zurück, denn die Szene hatte sich verändert, und
er stand dicht vor einem Bett, einem einsamen, unverhängten
Bett, in dem unter einer groben Decke etwas Verhülltes lag, das,
obgleich stumm, in einer grauenerregenden Sprache verkündete,
was es war.
Das Zimmer war sehr dunkel, zu dunkel, um etwas sicher
erkennen zu können, obgleich sich Scrooge, einem geheimen
Gefühl folgend, voll Begier umsah, um zu wissen, was für ein
Zimmer es sei. Ein bleiches Licht, das von draußen
hereinströmte, fiel gerade aufs Bett; und auf diesem, geplündert
und beraubt, unbewacht und unbeweint, lag die Leiche dieses
Mannes.
Scrooge blickte die Erscheinung an. Ihre regungslose Hand wies
auf das Haupt des Leichnams. Die Decke war so sorglos
zurechtgelegt, daß das geringste Verschieben, die leiseste
Berührung von Scrooges Fingern das Antlitz enthüllt hätte. Er
dachte daran, empfand, wie leicht es geschehen könnte, und
sehnte sich, es zu tun; aber er hatte ebensowenig die Kraft, die
Hülle wegzuziehen, wie den Geist von seiner Seite zu entlassen.
Oh, kalter, starrer, schrecklicher Tod, hier richte deinen Altar auf
und umgib ihn mit den Schrecken, über die du verfügst, denn
dies ist dein Reich! Aber dem geliebten und verehrten Haupt
kannst du kein Haar krümmen, von ihm kannst du keinen Zug
widerlich machen. Auch wenn die Hand schwer ist und
herabsinkt, wenn man sie fallen läßt, auch wenn das Herz und
der Puls schweigen; die Hand war offen und barmherzig, das
Herz war offen und warm und gut und der Puls ein menschlicher.
Töte, Schatten, töte! Und sieh, wie seine guten Taten aus der
Todeswunde hervorströmen, um in der Welt ein unsterbliches
Leben auszusäen!
Es war nicht etwa eine Stimme, die diese Worte in Scrooges