Klaus. Uta Bahlo

Klaus - Uta Bahlo


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Kleinigkeiten. Er hätte zu wenig Zeit für sie, er ließ den Klodeckel oben, Zahnpasta-Flecken rund um das Becken, Buntwäsche in der Weißwäsche … also immer das gleiche.

      Irgendwann war sie dann plötzlich weg … wegen unüberbrückbarer Differenzen … und mit einem anderen Rüden (Kerl). Bevor sie verschwand, regelten sie noch meine Erziehungsberechtigung. Mich fragte natürlich keiner.

      Wir sind immer noch nicht über die Trennung weg. Herrchen hatte danach eine schwierige Zeit. Er musste nicht nur sein Frauchen gehen lassen, sondern ließ sich auch körperlich gehen. Er duschte nicht mehr und müffelte manchmal wie ich, wenn mein Fell nass wurde. So manches Mal musste ich sogar schon das Zimmer verlassen, weil ich es nicht mehr ausgehalten hatte. Konnte mir ja schlecht mit der Pfote die Nase zuhalten.

      Ich dachte immer, Menschen wären reinlich.

      Kurze Zeit später verließ ihn dann auch noch sein letztes Fell auf dem Kopf.

      Mein schönes, hellbraunes Fell ist Gott sei Dank pflegeleicht. Das macht mich unabhängig von den Menschen und deswegen auch ein wenig stolz. Wäre ich auf´ s tägliche Bürsten meines Herrchens angewiesen, sähe ich inzwischen aus wie ein Chow-Chow unter Strom.

      Sorry, wollte niemanden meiner Artgenossen beleidigen.

      Auch ich selbst litt unter der Trennung von Heike und tue es eigentlich immer noch.

      Schließlich hatte Heike damals auch mich verlassen. Moment bitte … ich muss mal kurz … schnief, schnief.

      Manchmal zuckten meine Pfoten im Schlaf, wenn ich träumte. Das hatte ich selbst nie bemerkt, aber Kai erzählte es einem Mann auf der Straße, der mit einem weißen Königspudel unterwegs war. Beide Männer (also Kai und der andere Mann) lächelten mich an. Der Pudel hingegen zeigte mir die kalte Schulter. Dieser Köter war total arrogant, würdigte mich keines Blickes. Er schnupperte noch nicht einmal an meinem Hinterteil. Das nahm ich als persönliche Beleidigung auf. Was glaubte er eigentlich, wer er war.

      Dieser Dummbratze hätte ich gerne ein Graffiti in Pink verpasst.

      Ein Schriftzug auf den Flanken wäre toll gewesen. Zum Beispiel: ›Werbeflächen zu vermieten‹ oder ›keine heiße Asche einwerfen‹ oder ›Hohlraumversiegelung‹.

      Ich schnupperte ganz unverbindlich an einem Fahrrad und stieß dabei mit dem Kopf gegen die Pedale. Fahrräder sind tückisch. Wir Hunde geraten da schnell mal in die Speichen.

      Kai plauderte weiter mit dem Herrchen von … jetzt kommt´ s … halten sie sich fest … Attila. Ich musste mich so zusammenreißen, dass ich nicht vor Lachen über meine Beine stolperte.

      Kai petzte, ich würde im Traum vor etwas weglaufen. Da musste ich ihn leider korrigieren, ich lief nicht weg, sondern hinter jemandem her … und zwar hinter Heike.

      Ich träumte viel von ihr – auch heute noch.

      Der Pudel grinste nur doof über diese höchst private Insider-Information.

      Irgendwann, mein Lieber, irgendwann … knirschte ich.

      Die angeblich schlauen Menschen sagten, dass man sich am nächsten Morgen an die meisten Träume nicht erinnern kann. Was wussten die schon.

      Ach, war das schön. Wir machten immer tolle Ausflüge. Sind stundenlang im Auto irgendwo hingefahren. Die A7 und die A23 waren ein Garant für Staus aus dem Nichts heraus. Ständig wurde dort irgendetwas gebaut oder repariert. Dann schoben sich lange Autoschlangen hintereinander her. Der Vorteil, nun hatte auch der Fahrer, meistens Kai, genügend Zeit an der Natur teilzuhaben. Ich stellte mich dann immer auf die Hinterpfoten und stützte mich am Seitenfenster ab. So konnte auch ich hinaussehen. Rechts und links Wiesen, Felder und diese riesigen Windkrafträder, die den Menschen für den elektrischen Strom dienlich waren. Diese Windkrafträder vermehrten sich in der letzten Zeit so unkontrolliert wie Kaninchen. Fast jeden Morgen waren scheinbar neue dazugekommen (Windräder).

      Schäfchenwolken tanzten am blauen Himmel. Alles sah so friedlich aus.

      Menschen glaubten es zwar nicht, aber Schafe sind gut organisiert.

      Kühe übrigens auch. Die lungern nicht nur so rum und fressen den ganzen Tag die Wiese leer, nein, die sind sehr konzentriert und nehmen mental viel mehr auf als man denkt – bevor sie auch viel mehr Methan abgeben, als gedacht.

      Manchmal fuhren wir auch an die Nordsee. Im Gegensatz zu mir war mein Kai eine Wasserratte. Allerdings erinnerte mich sein Geplantsche manchmal eher an einen gestrandeten Wal.

      Das Klima an der Nordsee soll gesund sein, sagten die Menschen. In der Luft soll Jod vorkommen. Hier am Meer wurde das wohl in die Luft gesprüht und vom Wind automatisch verteilt.

      Die Luft war so sauber, wegen Jod wahrscheinlich, dass ich zuerst gar nichts gerochen hatte, null, nada, niente.

      Ich vermutete schon, ich wäre geruchsblind. Für einen Hund das Schlimmste, was man sich vorstellen konnte. Doch als eine West-Highland-Terrier-Dame an mir vorbeiging, roch es verführerisch. Da war ich so froh. Ich dachte sogar kurz mal an Sex. Dieses kleine Luder war aber auch schnuckelig.

      Herrchen verhielt sich nach der Trennung sehr auffällig.

      Er fraß mir manchmal mein Dosenfutter unter der Schnauze weg. Ich vermutete allerdings, dass es weniger mit Heike zu tun hatte, als viel mehr mit dem Besuch bei seinem Arzt vor einigen Tagen. Seitdem kauften wir weniger Fleisch und mehr Gemüse. Holla, das wär ja nichts für mich. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste nur noch vegetarisch fressen, könnte ich gleich ganz das Fressen einstellen.

      Kai erzählte den Menschen auf der Straße, ich wäre auffällig geworden. Na, das sagte der Richtige, dachte ich. Nur weil ich manchmal zu Hause großes Interesse an Sofakissen und Schuhen hatte? Dogshit! Alles was geschah, war aus Langeweile geschehen. Ich hasste es, den ganzen Tag alleine zu sein. Das machte mich traurig. Ich bin eben ein Rudeltier.

      Doch ich hatte Glück, bevor ich unsere Wohnung komplett zerlegen konnte, nahm mich Kai irgendwann mit in sein Büro. Dort durfte ich unter seinem Schreibtisch vor mich hinkauern und manchmal streichelte er mir den Kopf. Er hätte mich ja auch in eine Hundepension abschieben können. Dorthin, wo man als Hund bis zum Tod dahinvegetierte oder irgendwann eingeschläfert wurde, wenn man nicht mehr vermittelbar war. Für Menschen gab es das auch. Da hieß es Pflegeheim.

      Dort blieben die Menschen, bis man sie zu Tode gepflegt hatte.

      Aber ich will nicht klagen, ich hatte es gut bei meinem Herrchen.

      Juhu, Kai und sein Kollege Gunnar nahmen mich mit zu einem Ausflug. Auf dem Weg zum Auto tänzelte ich vor den beiden her. Wie sich herausstellte, fuhren wir auf´ s Land. Leider konnte ich vom Auto aus nicht so viel erkennen, ich war zu klein, um aus den Fenstern schauen zu können, aber den langsam aufgehenden Sternenhimmel konnte ich durch das Glasdach erkennen. In nahezu Lichtgeschwindigkeit raste Kai mit uns über die Landstraße durch die Dunkelheit. Die Baumkronen rechts und links der Straße fegten nur so an uns vorbei. Fast hätten wir die Sternschnuppe eingeholt, die sich aus dem Dunkel der Nacht der Erde näherte.

      Wildwechsel war schon eine ganze Weile angezeigt. Selbst ich hatte das Schild gesehen.

      Sein Kollege Gunnar warnte ihn mehrfach, aber Kai wollte einfach nicht hören. Immer hatte er seinen eigenen Kopf. Pfeilschnell schossen wir durch die Nacht. Sein Fuß klebte auf dem Gaspedal. Ganz plötzlich und wie aus heiterem Himmel knallte es heftig. Ein ohrenbetäubender Lärm verstopfte meine Gehörgänge. Nach Vollbremsung, mehrfachem hin und her schlingern und mit quietschenden Reifen stoppten wir abrupt. Meine Schnauze bremste meinen Salto unsanft an Gunnars Rückenlehne ab. Ich sah schon mein kurzes Hundeleben vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen: Susi, der Labrador aus der Nachbarschaft, ein Schäferhund und eine Katze winkten mir in meinen scheinbar letzten Gedanken zu – dann wurde es kurz dunkel um mich herum.

      Ein dumpfes Krachen holte mich in die Gegenwart zurück.

      Etwas Großes, Dunkles rutschte von vorne, mit den Beinen zuerst über die Kühlerhaube, weiter auf´ s Dach und blieb darauf liegen. Während Kai und


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