ShadowPlay - Entblößt. Victoria vanZant
Ob das eine Schraube ist?
Der Pilot reckte sich nach oben Richtung Tragfläche und untersuchte eine Stelle. Seine verfinsterten Züge hellten sich auf. Offensichtlich hatten sich seine Bedenken in Luft aufgelöst. Mit der flachen Hand strich weiter über die Tragfläche, als würde er sie liebkosen. Plötzlich sah er in das Fenster hinein …
Elena schreckte zurück und presste sich tief in den Sitz, um nicht von ihm entdeckt zu werden. Sie bebte am ganzen Körper. Alles, was er ausgezogen hatte, waren zwei kleine goldene Knöpfe und eine smaragdgrüne Krawatte. Doch das war der beste Striptease, den sie jemals gesehen hatte.
»Miss Pasley, ich wollte mit dir meine Hochzeit besprechen … Rede und rede und was machst du? Schaust aus dem Fenster und antwortest nicht!«
Sonst nie um eine Ausrede oder einen passenden Spruch verlegen, blickte Elena die Braut jetzt lediglich unangenehm berührt an.
»Er hat es dir ganz schön angetan, was?«, fragte die Schwangere liebevoll.
Hilflos zuckte Elena die Schultern. »Ich weiß auch nicht.«
»Er hat dich mit seinem Verhalten verletzt …«
»So einen Mann wie ihn habe ich noch nie kennengelernt«, gestand die Blonde kleinlaut.
»Was genau meinst du?«
»Können wir später darüber sprechen? Ich weiß das alles noch nicht einzuordnen und ich möchte es auch nicht.« Beinahe flehentlich sah sie Fiona an und starrte dann so intensiv in den Kakaobecher, als würde sie in dem Getränk nach etwas suchen. Sie atmete einige Male tief durch, um mit fester Stimme weiter sprechen zu können. »Ich möchte mich genau wie du ganz und gar auf deine Hochzeit konzentrieren. Das sollen schließlich die schönsten Tage deines Lebens werden.« Strahlend streckte sie der Freundin die Hände entgegen und zog sie in ihre Arme. »Ich freue mich so sehr für dich, dass du deinen Mann, deine Familie gefunden hast und ich wünsche euch alles Glück der Welt!«
»Ach, hör auf. Wenn du so etwas Schönes sagst, muss ich sofort wieder heulen!«, schluchzte Fiona herzzerreißend.
»Ich auch!«, stimmte Elena jammernd ein.
»Ladys, seid ihr startklar?« Ryan sah die Frauen fragend an und kratzte sich am Kopf. »Warum weint ihr denn jetzt? Sollen wir vielleicht noch ein wenig warten … Gibt es noch etwas zu klären?« Er sah Fiona mit gespielter Verzweiflung an. »Gib es zu: Wir können gar nicht heiraten, weil du vergessen hast, mir zu sagen, dass du schon verheiratet bist!« Nach seiner Bemerkung ging er sofort in Deckung, als würde er befürchten, seine Zukünftige könnte ihren Becher jeden Moment in ein Wurfgeschoss verwandeln.
»Du Blödmann!« Mehr konnte Fiona nicht sagen und trompetete lautstark in ihre Serviette.
»Auch wenn du es nicht verdient hast«, murmelte Ryan und küsste sie zärtlich. »Wieder okay?«, vergewisserte er sich, bevor er sich aufrichtete. Nach ihrem Nicken wandte er sich wieder beiden Frauen zu. »Bitte schnallt euch an, wir werden gleich starten.« Noch ein liebevoller Blick in Richtung seiner Verlobten, dann räumte er den Tisch ab und marschierte zum Eingang, um die Treppe einzufahren und die Tür zu verriegeln.
»Ist Ryan jetzt der, der geflüchtet ist?«, frotzelte Elena, als er nicht zurückkam.
»Nein, er fliegt vorne mit. Direkt hinter dem Cockpit gibt es noch einen Sitz. So haben wir Zeit für uns und können alles besprechen.«
»Du heiratest wirklich einen Gentleman und Frauenversteher«, bekannte Elena neidlos.
»Ja, das ist er in der Tat.« Der süffisante Blick verriet, wie gut er Fiona verstand.
Die Frauen mussten lachen.
»Männer!«
»Männer!«, bestätigte Fi.
Verschleierungen
Proportional zu dem steigenden Tempo, mit dem die Bäume und Büsche am Fenster vorbeiflogen, stieg auch Elenas Erregungslevel. Doch mit dem Abheben, hatte die freudige Aufregung nichts zu tun. Es war eine so schwer in Worte zu fassende, eine unwirkliche Vorstellung, dass vorne im Cockpit David saß und diese Maschine flog. Der Gedanke übte eine ebenso magische Faszination auf sie aus wie zuvor der Blick aus dem Fenster, als er den Jet für den Sicherheitscheck umrundet hatte. Auch wenn sie es sich selbst nicht eingestehen wollte: Dieser Mann zauberte trotz seiner unberechenbaren Art ein sanftes Kribbeln in ihren Bauch und – wenn sie nicht höllisch achtgab – ein versonnenes Lächeln in ihr Gesicht. Allerhöchste Zeit für eine Ablenkung! »Ich freue mich auf Venedig«, seufzte Elena und wandte sich vom Geschehen außerhalb des Flugzeugs und ihrem bewegten Inneren ab und wieder der Freundin zu.
»Dann wirst du dich noch etwas gedulden müssen. Wir fliegen zuerst nach Mailand, damit ich mir noch ein Brautkleid aussuchen kann.«
»Wow! Ich darf dir sogar helfen, dein Brautkleid auszusuchen?«
»Du darfst nicht«, empörte sich Fiona. Beide Zeigefinger wiesen ähnlich einem Fluglotsen bei der Einweisung auf dem Rollfeld rhythmisch auf ihre Kugel. »Du musst!«
»Und Ryan?«
»Der kommt natürlich nicht mit. Es bringt doch Unglück, wenn er das Kleid vor der Trauung sieht!«
Elena prustete los. »Das weiß ich doch! Ich meinte eigentlich, was der Bräutigam zur Hochzeit trägt.«
»Ganz traditionell, einen mittelgrauen Cut, Stresemann Hose und hellgraue Weste. Männer haben es da ja relativ einfach. Er hat mich nur gebeten, ihm ein Hemd mitzubringen, damit es farblich zum Brautkleid passt – weil ich noch nicht sicher bin, ob ich weiß nehme.«
Elena war mit ihren Gedanken schon wieder ganz woanders. »Wie hat Ryan das eigentlich so schnell mit dem offiziellen Aufgebot und mit diesem Jet hinbekommen?«
»Das verdanken wir David. Dieser Jet gehört zur Flotte der israelischen Regierung und der israelische Außenminister ist mit David oder seinen Eltern befreundet oder so was. Auf jeden Fall hat der Minister seinen italienischen Amtskollegen um Hilfe gebeten … wegen der Blitztrauung.«
»Ich kommentiere das alles nicht mehr. Ich muss mich daran gewöhnen, dass Ryan so hochrangige Kontakte und so eine illustre Gesellschaft von Freunden hat.«
»Ich möchte nicht neugierig sein, aber du hast da vorhin angedeutet, dass es Spannungen zwischen dir und David gibt?« Obwohl ich drauf wetten könnte, dass ihr am liebsten übereinander herfallen würdet, verkniff Fiona sich, weil Elenas Gesichtsausdruck bei diesem Thema ständig undefinierbar zwischen selig grinsend und angewidert ablehnend schwankte. Aber zumindest musste sie sicher sein, dass sie von der Freundin nichts Unmögliches verlangte. »Ist es denn überhaupt noch okay für dich, wenn ihr gemeinsam Trauzeugen seid?«
Elena kam ins Schwimmen, weil sie die Situation zurzeit selbst nicht einschätzen konnte. Und so wiegelte sie generös mit einer kleinen Schwindelei ab. »Ach was, das ist nur ein wenig schwierig mit der Planung …«
»Mit welcher Planung?«
»Na, weil … weil … weil wir aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen stammen.«
»Ja?« Fiona zog das A so lang, dass es einer ganzen Serie von Fragen gleichkam.
»Ja«, wiederholte Elena und gab darüber hinaus nur noch unkontrollierte Laute von sich, die einfach keine Worte bilden wollten. Das schlechte Gewissen stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Endlich kam die Erlösung.
»Ihr plant irgendwelche Streiche für uns! Mensch, sag das doch! Und ich bohre und bohre. Klar, dass du mir das nicht verraten kannst.«
»Genau!«, stieß Elena erleichtert hervor und lenkte das Gespräch schnell in eine andere Richtung, bevor der Israeli wieder im Mittelpunkt des Interesses stand. »Kennst du dich in Mailand aus?«
»Kein Stück«, musste Fiona