SeelenFee - Buch Vier. Axel Adamitzki

SeelenFee - Buch Vier - Axel Adamitzki


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es ihr ja auch nicht nehmen, dachte Elektra. Sie wusste es, doch fiel es ihr schwer, das zu akzeptieren.

      Und wenn sie als Schauspielerin wirklich so gut war, dass man ihr in Miami eine erste kleine Rolle anbot, dann sollte sie sich doch für ihre geliebte Bella freuen, oder?

      Elektra freute sich ja auch, äußerlich, aber innerlich?, nein, innerlich freute sie sich nicht.

      In ihr brodelte es. Seit Donnerstag, seit Bella ihr beim letzten Skypen von dieser kleinen Rolle erzählt hatte, seit Elektra wusste, dass sie wohl zwei weitere Wochen auf ihre Geliebte würde verzichten und warten müssen … seitdem brodelte es. Und immer wieder brach es aus ihr heraus. Maria hatte am meisten abbekommen und hatte sich am Ende gekränkt, dennoch mit viel Beherrschtheit zurückgezogen.

      Entschlossen war Elektra dann nach Konstanz geflüchtet – bevor noch mehr »Scherben zusammengekehrt werden müssten«.

      Bella hatte sie am Donnerstag noch einmal darum gebeten, es nicht zu tun. »Bitte, bitte, Leeki, fahr nicht nach Konstanz«, hatte sie gebettelt … doch vielleicht wollte und musste Elektra es genau deshalb tun.

      Als sich Bella an diesem Donnerstag gemeldet hatte, hatte Elektra gehofft, sie würde ihr sagen, dass sie unterwegs zu ihr war, dass sie endlich in acht, neun Stunden wieder bei ihr sein würde, doch dann das … Miami!

      Wenn für dich Miami so wichtig, so lebenswichtig ist, dann kannst du ja wohl auch verstehen, was Konstanz mir bedeutet. Ich muss da hin. Das hatte sie ihr nicht gesagt, hatte sie glücklicherweise nur gedacht. Sicherlich hätten diese Worte sehr viel zerbrochen.

      Ohnmächtig vor Wut lief Elektra durch die Suite des Excelsiors hier in Konstanz.

      Ray meldete sich auch nicht. War er nach ihrer ersten E-Mail etwa wieder geflüchtet? Sie lachte grell. Was für ein Schisser. Nein, von diesem armseligen Kerl wollte sie bestimmt kein Kind. Nicht mehr. Und genau das würde sie ihm jetzt gern ins Gesicht schleudern. Gut, dann morgen. Und dann werde ich hier für immer verschwinden. Zeit genug hatte sie mit ihm vergeudet. Wertvolle Zeit.

      Sie stand am Fenster und sah blicklos hinaus.

      »Du bist doch kein Mann, du bist eine Memme!«, stieß sie empört aus. Die Worte hallten durch den Raum, erschütterten beinahe alles, was sich ihnen entgegenstellte. Dennoch gab ihr auch das keine Genugtuung. Sie wollte … sie musste … Porzellan? Oh nein, es musste mehr sein, viel mehr. Das Herz zerriss ihr, da waren die wenigen Scherben einer Tasse, eines Tellers oder einer Vase nicht genug.

      Das Hoteltelefon klingelte. Streitsüchtig lief sie hinüber zu einem kleinen Beistelltisch und riss das schnurlose Telefon aus der Ladestation.

      »Was ist?«, schrie Elektra Gräfin von Memmingstetten in den Hörer. Die Kontenance ihres Standes war ihr im Moment … scheißegal. Das, was in ihr brodelte, wollte nur endlich heraus. Ungezügelt. Und kränkend.

      »Entschuldigen Sie, gnädige Frau …« Die Empfangsdame des Hotels zuckte beinahe sichtbar zurück, brach kurz ab und atmete tief ein, Elektra hörte es deutlich.

      »Was? Was soll ich entschuldigen? Dass Sie unfähig sind, einen vollständigen Satz zu formulieren? Da gibt es kaum etwas zu entschuldigen! Also, was wollen Sie? Mir mit ihrem Gestotter meine Zeit stehlen? Oder was?«

      Was für eine Beschimpfung. Doch selbst diese schändliche Demütigung brachte kaum für mehr als ein paar Sekunden eine Art Befreiung.

      Erst als sie vernahm, wer da unten stand und mit ihr sprechen wollte, spürte sie, wie all ihr Hass und ihre Wut endlich ein billiges, nein, ein geeignetes, besser noch, das einzig passende Opfer, das hier in Konstanz neben Raymond möglich war, gefunden hatte.

      »Eine Frau Larbang möchte Sie sprechen, Frau Gräfin«, hatte die Empfangsdame sehr leise in einem ruhigen professionellen Ton schließlich von sich gegeben, wobei die Worte dann doch ein wenig zitterten.

      »Silvana Larbang?«, fragte Elektra nach, augenblicklich ruhig geworden. Der Gleichmut ihrer Stimme, ihrer Frage glich der einer lauernden Wildkatze.

      »Ja, Frau Gräfin. Frau Silvana Larbang möchte Sie gern sprechen«, sagte die Empfangsdame, nachdem sie sich hinsichtlich des Vornamens vergewissert hatte.

      »Ich lasse bitten.«

      Oh ja, Silvana kam ihr gerade recht. Keine andere Frau, kein anderer Mensch kam ihr jetzt so recht. Silvana Larbang war ihrer Bella Eva Broderson, abgesehen von Bellas bräunlichem Teint, äußerlich außerordentlich ähnlich, erinnerte sich Elektra. Und sicher hatte diese Silvana auch eine billige Erklärung dieser Memme im Gepäck. Und noch etwas entzückte Elektra Gräfin von Memmingstetten: Diese Frau war ihr damals schon, vor Wochen, nicht im Geringsten gewachsen gewesen – ein Opferlamm.

      Dass damals schon von dieser Frau, von Silvana Larbang, etwas Merkwürdiges ausgegangen war, etwas, das für einen kurzen Moment einen Zweifel in ihr geweckt hatte, daran wollte sich Elektra jetzt nicht erinnern.

      Nachdem Silvana endlich vor ihr stand, sie freundlich begrüßt hatte und sie nun beinahe etwas unbedarft ansah, öffnete Elektras Ego sogleich alle Schleusen ihres Schattenseins. Wie auf Befehl. Und das war so … so anregend, oh ja, das war es, anregend und unsagbar befreiend. Doch langsam, meine liebe Leeki, ganz langsam, der Genuss liegt im Blick und auf der Zunge.

      »Was kann ich für dich tun, Silvia?«

      Silvia! Wieder, wie schon bei ihrer ersten Begegnung, schien Silvana die stichelnden Bösartigkeiten der Person vor ihr deutlich zu spüren. Doch diesmal zuckte sie nicht, ließ sich nicht irritieren. Sie stand nur da und sah Elektra noch immer freundlich an.

      Elektras Ego duckte sich kurz weg ob dieser unverhofften Reaktion, trat aber beinahe noch größer wieder vor Silvana.

      »Nun sag schon, was willst du? Hat dich Raymond, hat dich der Landgraf geschickt? Ist er wieder geflohen?« Elektra lachte. Höhnisch.

      »Ray weiß nicht, dass ich hier bin. Er kann es sich aber vielleicht denken. Er hat mir Ihre letzte SMS gezeigt.«

      Ray? Hat sie wirklich Ray gesagt? Und hatte sie tatsächlich diese SMS gelesen? Erstaunt sah Elektra Silvana an.

      »Seit wann sagst du Ray zum Landgrafen? Fickt er dich endlich und erlaubt dir dafür, ihn zu duzen?«

      Oh, was für vortrefflich boshafte Worte. Sie taten gut und sie beschrieben genau, was sie von dieser Liaison hielt … sollte es eine solche geben. Falls nicht, na mein Gott, die Worte würden sie schon nicht umbringen.

      Doch die Worte trafen Silvana nicht so, wie Elektra es sich erhofft hatte. Im Gegenteil: Diese junge Frau vor ihr lächelte verhalten, und in diesem Lächeln lag nun beinahe so etwas wie aufrichtiges Mitgefühl. Am Ende sogar Mitleid?

      Das missfiel Elektra, es missfiel ihr sogar sehr, und unverhofft durchzog sie mehr als ein Hauch Unsicherheit.

      Oh nein, das durfte nicht sein.

      Sie richtete sich auf. Zumindest versuchte sie es. Ich bin stark, für diese Frau hier vor mir zu stark, redete sie sich ein. Dennoch schien es, als verlor ihr Ego an Kraft. Noch einmal versuchte sie, das zu ignorieren.

      »Bist du hergekommen, um mich stumm anzusehen?«

      Silvana blickte ihr bedacht in die Augen. »Ich bin gekommen, um mit Ihnen zu sprechen, Frau Gräfin. Von Frau zu Frau«, sagte sie schließlich mit ruhiger Stimme.

       Wie lächerlich und einfältig diese Person doch war. Von Frau zu Frau? Für wen hält sie sich?

      Und wieder lachte Elektra hämisch.

      »Was hätten wir beide wohl zu sprechen … von Frau zu Frau?«, sagte sie, doch der Klang ihrer Stimme, sie hörte es selbst, entsprach nicht mehr dem, was ihre Worte ausdrücken sollten. Diese Frau vor ihr schien nicht eingeschüchtert, sie wirkte stark, sehr stark. Auch ging mehr und mehr eine Strahlkraft von ihr aus, die eine beinahe unheimliche Besonnenheit erkennbar werden ließ, die unvermittelt in Elektra eindrang und etwas in ihr weckte. All das schien nicht von dieser Welt zu sein.

      Aber


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