Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen - Johann Wolfgang von Goethe


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des treuen Priesters Ruf!

      Ich sehe neuen goldnen Schein umschimmern:

      Die Lieben sind's! o, wo sie leuchtend gehn,

      Liegt keine Wüste, haust kein Schrecknis mehr.

      Sie sind heruntergekommen und stehen neben ihm.

      O sagt mir an, ihr Holden, welchen Traum

      Von Ängstlichkeiten schafft ihr um mich her?

      Sie legen den Finger auf den Mund.

      Ich träume, ja! wo nicht, so hat ein Gott

      In tiefe Wüsteneien mich verschlagen

      Hier – keine Spur von jenem alten Glanz,

      Nicht Spur von Kunst, von Ordnung keine Spur!

      Es ist der Schöpfung wildes Chaos hier,

      Das letzte Grauen endlicher Zerstörung.

      Genien deuten hinüber und herüber.

      Was deutet ihr? Ich soll mich hier erkennen!

      Die Genien leuchten voran nach der einen Seite.

      Euch folgen? wohl! ihr leuchtet dieserseits.

      Was seh' ich hier! ein wohlbekanntes Bild!

      In Marmorglanze, Glanz vergangner Tage.

      »Der Vater ruht auf seinem breiten Polster,

      Die Frau im Sessel, Kinder stehn umher

      Von jedem Alter; Knechte tragen zu,

      Das Pferd sogar es wiehert an der Pforte;

      Die Tafel ist besetzt, man schwelgt und ruht.«

      Fürwahr! es ist die Stätte noch, wo mir

      Des Freudentages hellste Sonne schien;

      Ist alles doch in Schutt und Graus versunken.

      Sie deuten, und leiten ihn nach der andern Seite.

      Noch weiter? Nein, ihr Guten, nein, ach nein!

      Ich glaub' es auch, es ist die alte Stätte;

      Doch während meines Schlafes hat ein Gott

      Die Erd' erschüttert, daß Ruinen hier

      Sich aufeinander türmen, durch ein Wunder

      Der Bäume, der Gesträuche Trieb beschleunigt.

      So ist es hin, was alles ich gebaut

      Und was mit mir von Jugend auf emporstieg.

      O, wär' es herzustellen! Nein, ach nein!

      Ihr nötigt mich an diese Tafel hin!

      Zerschlagen ist sie, nicht mehr leserlich.

      Hinweg von mir! O mein Gedächtnis! O!

      Du hältst das Lied noch fest, du wiederholst es.

      UNSICHTBARES CHOR.

      Hast du ein gegründet Haus,

      Fleh' die Götter alle,

      Daß es, bis man dich trägt hinaus,

      Nicht zu Schutt zerfalle

      Und noch lange hinterdrein

      Kindeskindern diene,

      Und umher ein frischer Hain

      Immer neu ergrüne.

      EPIMENIDES.

      Dämonen seid ihr, keine Genien!

      Der Hölle, die Verzweiflung haucht, entstiegen.

      Sie haucht mich an, durchdringt, erstarrt die Brust,

      Umstrickt das Haupt, zerrüttet alle Sinnen.

      Er beugt seine Knie, richtet sich aber gleich wieder auf.

      Nein, kniee nicht! sie hören dich nicht mehr;

      Die Genien schweigen, wünsche dir den Tod.

      Denn wo der Mensch verzweifelt, lebt kein Gott,

      Und ohne Gott will ich nicht länger leben.

      Er wendet sich ab, verzweifelnd.

      GENIEN sich einander zuwinkend.

      Komm! wir wollen dir versprechen

      Rettung aus dem tiefsten Schmerz

      Pfeiler, Säulen kann man brechen,

      Aber nicht ein freies Herz:

      Denn es lebt ein ewig Leben,

      Es ist selbst der ganze Mann,

      In ihm wirken Lust und Streben,

      Die man nicht zermalmen kann.

      EPIMENIDES wehmütig.

      O sprecht! o helft! mein Knie, es trägt mich kaum:

      Ihr wollt euch bittern Spott erlauben?

      GENIEN.

      Komm mit! den Ohren ist's ein Traum;

      Den Augen selbst wirst du nicht glauben.

      Es wird auf einmal Tag. Von ferne kriegerische Musik. Epimenides und die Genien stehen vor der Pforte.

      Siebenter Auftritt

      Die kriegerische Musik kommt näher. Die Hoffnung, den Jugendfürsten an der Seite, führt über die Ruinen, da wo sie abgegangen ist, ein Heer herein, welches die verschiedenen neuern, zu diesem Kriege verbündeten Völker bezeichnet.

      CHOR.

      Brüder, auf! die Welt zu befreien!

      Kometen winken, die Stund' ist groß.

      Alle Gewebe der Tyranneien

      Haut entzwei und reißt euch los!

      Hinan! – Vorwärts – hinan!

      Und das Werk, es werde getan!

      So erschallt nun Gottes Stimme,

      Denn des Volkes Stimme, sie erschallt,

      Und entflammt von heil'gem Grimme,

      Folgt des Blitzes Allgewalt.

      Hinan! – Vorwärts – hinan!

      Und das große Werk wird getan.

      Und so schreiten wir, die Kühnen,

      Eine halbe Welt entlang;

      Die Verwüstung, die Ruinen,

      Nichts verhindre deinen Gang.

      Hinan! – Vorwärts – hinan!

      Und das große, das Werk sei getan.

      JUGENDFÜRST.

      Hinter uns her vernehmt ihr schallen

      Starke Worte, treuen Ruf:

      Siegen, heißt es, oder fallen

      Ist, was alle Völker schuf.

      Hinan! – Vorwärts – hinan!

      Und das Werk, es wäre getan.

      HOFFNUNG.

      Noch ist vieles zu erfüllen,

      Noch ist manches nicht vorbei;

      Doch wir alle, durch den Willen

      Sind wir schon von Banden frei.

      CHOR.

      Hinan! – Vorwärts – hinan!

      Und das große, das Werk sei getan.

      JUGENDFÜRST.

      Auch


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