Veyron Swift und das Juwel des Feuers. Tobias Fischer

Veyron Swift und das Juwel des Feuers - Tobias Fischer


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begrüßt Joe, als dieser hereinkommt, und informiert ihn, dass es zu spät ist. Die brisante Information wurde bereits weitergegeben. Joe packt die Wut, denn seine Machenschaften drohen zu scheitern. Er ist ein böswilliger Kerl, der – wie seine Kreatur – zu schrecklicher Gewalt neigt. Die arme Miss Burrows könnte das sicher bestätigen, säße ihr der Kopf noch auf den Schultern. Joe zieht sein Schwert, sticht es dem Professor durchs Herz. Daring hat den Tod jedoch erwartet; er leistet keine Gegenwehr. Wahrscheinlich weiß er, dass er Joe nicht gewachsen ist. Er ist allerdings zuversichtlich, dass jemand anderes Joe zur Strecke bringen wird – mit der Information, die er rechtzeitig weiterleiten konnte.

      Joe dagegen erkennt, dass er einen Fehler begangen hat, einen entscheidenden Fehler. Die Zeit läuft ihm davon. Er ahnt, wen der Professor benachrichtigt hat. Es kann nur ein ausgesprochen kleiner Zirkel von Leuten sein, von Joe längst ausgespäht und beobachtet. Er bricht auf, verlässt unverzüglich das Haus des Professors, ohne die Akten zu durchwühlen oder weitere Zerstörung anzurichten. Er muss schnell handeln, seine Pläne sind in Gefahr.«

      Alle waren still, als Veyron seine Ausführungen beendete. Gregson rieb sich gestresst die Augen. »Selbst wenn Sie mit Ihren Annahmen recht haben, fehlt uns noch immer jegliche Spur zum Täter. Darings Mörder hat nirgendwo Finger- oder Fußabdrücke hinterlassen. Wir können nicht einmal seine nächsten potenziellen Opfer warnen. Wem Daring diese brisanten Informationen gegeben haben könnte, wissen wir nicht«, meinte er ein wenig vorwurfsvoll.

      Veyron ließ sich davon jedoch kaum in seiner Begeisterung für den Fall bremsen. Er nahm einfach eines der Notizbücher des Professors zur Hand und schlug es auf.

      Gregson stöhnte aufgebracht. »Sie sollen doch am Tatort nichts verändern! Und schon gar nichts anfassen!«

      Veyron zuckte in gleichgültiger Geste mit den Schultern. »Ein unwichtiger Einwand, mein lieber Gregson. Viel wichtiger ist dagegen ein Blick in den Terminkalender. Der verrät uns nämlich einiges. Professor Daring traf sich in den letzten zwei Wochen nur mit sehr wenigen Leuten, zumeist ehemaligen Professorenkollegen oder Vertretern von Universitäten. Allerdings taucht in diesem Terminkalender immer wieder ein Name auf, der mir regelrecht ins Auge sticht: Nagamoto Tatsuya. Daring rief ihn in den letzten zwei Wochen öfter an. Das ist zweifellos unser Mann«, meinte er lapidar und klappte den Terminkalender des Professors wieder zu.

      »Sie wissen jetzt, wer oder was der Mörder ist. Er ist nicht von dieser Welt, also werden Sie ihn kaum in London ausfindig machen. Geschweige denn, dass Ihre lächerlichen Schusswaffen für ihn eine Gefahr sein würden. Der Kerl rennt mit einem Flammenschwert herum, und er besitzt die Kontrolle über ein Monster, das einem den Kopf abbeißt. Wenn ich mich nicht irre, befindet sich Flammenschwert-Joe in diesem Moment auf dem Weg in die Vereinigten Staaten von Amerika. Dort ist nämlich der Sitz der Energreen Corporation.«

      »Einen Moment!«, protestierte Jane. »Was hat die Energreen Corporation damit zu tun? Woher wollen Sie überhaupt wissen, dass Nagamoto Darings Kontakt ist? Es könnte auch jeder andere aus dem Kalender sein.«

      Veyron seufzte enttäuscht und drückte sich für einen Moment mit Daumen und Zeigefinger die Augenlider zu. »Willkins, Willkins, Willkins … Da fällt mir spontan Tolkien ein: Am besten, Sie gehen wieder ins Bett, Ihr Verstand schläft nämlich noch! Nagamoto Tatsuya, oder Tatsuya Nagamoto – wenn Ihnen die europäische Schreibung seines Namens geläufiger sein sollte – ist der stellvertretende Vorsitzende eines Energiekonzerns, der Energreen Corporation. Die verkaufen Strom aus Solar-, Wind- und Wasserkraft. Ich habe davon in der Zeitung gelesen, weil Energreen eine feindliche Übernahme durch einen Hedge Fonds droht, Borgin & Bronx, wenn ich mich recht erinnere. Nagamoto ist also nicht gerade der typische Gesprächspartner für einen alten Bücherwurm wie Daring, der sich vornehmlich für Kunst, germanische und keltische Mythen und gutes Essen interessiert. Haben Sie etwa noch keinen Blick auf die Bücher geworfen, die hier überall in den Vitrinen stehen? Mit Energiewirtschaft hatte Daring wirklich nichts am Hut. Warum also taucht in seinen Aufzeichnungen ständig ein Energiemanager auf? Ganz klar: Weil Nagamoto Darings Vertrauter ist. Damit ist er unser Mann! Vergessen Sie außerdem diese Blitzerscheinungen am Himmel nicht.«

      Jane und Gregson schauten sich verblüfft an, und dann zu Tom, der jedoch in ratloser Geste mit den Schultern zuckte. Veyron atmete tief durch und verdrehte entnervt die Augen. Vermutlich konnte er nicht fassen, wie sechs Augen und drei Gehirne gleichzeitig so wenig begriffen. Er zückte sein Smartphone und tippte wie verrückt darauf herum, während er in ungeduldigem Tonfall und mit rasender Geschwindigkeit sprach. »Diese seltsamen, gewitterfreien Blitze, die seit vierzehn Tagen unregelmäßig von verschiedenen Piloten beobachtet wurden. Seit ihrem ersten Auftauchen über dem Atlantik telefonierte Daring ständig mit Nagamoto. Sie konferierten darüber. Im Terminkalender steht es eindeutig. Nagamoto. Wegen Blitzerscheinungen. Steht da überall. Haben Sie das übersehen? Ist Nagamoto Meteorologe? Nein, er verkauft Solarstrom und hat Betriebswirtschaft studiert. Das verrät mir seine Vita auf der Energreen-Homepage. Vielleicht sollten Sie besser alle wieder ins Bett gehen.«

      Gregson hob beruhigend die Hände. Er ging zu Veyron und klopfte ihm anerkennend auf den Rücken. »Schon gut, schon gut. Sie haben gewonnen. Gute Arbeit, wirklich. Also, Nagamoto ist unser Mann. Was haben Sie jetzt vor?«

      Als Antwort darauf eilte Veyron nach draußen, packte im Vorbeigehen Tom und zog ihn hinter sich her. »Ich fliege nach New York – und zwar auf der Stelle. Tom kommt mit mir. Sie können derweil nach einem riesigen, insektenähnlichen Wesen Ausschau halten. Fragen Sie die Bauern in Londons Norden. Da haben einige gewiss was Ungewöhnliches gesehen oder gehört. Wahrscheinlich haben die gedacht, sie seien verrückt. Lassen Sie Ihre Leute mit schweren Waffen ausrüsten, das Ding ist riesig und sehr gefährlich. Damit meine ich nicht einen dummen Troll. Widerstehen Sie außerdem der Versuchung, vorschnell mit Nagamoto Kontakt aufzunehmen. Wir wissen nicht, ob seine Leitung abgehört wird. Jedes Wort von Ihnen könnte unserem Gegner einen Vorteil verschaffen und Nagamoto gefährden. Ich werde ihn selbst aufsuchen und Sie dann auf dem Laufenden halten. Derweil können Sie die anderen Kontakte aus seinem Terminkalender abklappern – auch wenn das wahrscheinlich nichts bringen wird. Aber Vorschriften sind Vorschriften. Also dann, weiter geht’s mit Schwung!«

      Kurz darauf saßen Tom und Veyron wieder in einem Black Cab und fuhren in Richtung Flughafen. Tom beklagte, dass er keinerlei Gepäck dabeihatte, noch nicht einmal was zum Anziehen. Für Veyron war dies das geringste Problem. Sie würden sich am Flughafen das Nötigste für den Überflug besorgen und sich Ersatzkleidung in New York kaufen. Tom war einverstanden, bis ihm in den Sinn kam, dass er überhaupt kein Geld besaß.

      Veyron winkte jedoch ab. »Keine Sorge, ich bezahle alles. Hauptsache, wir kommen baldmöglichst nach New York. Wir könnten jetzt wirklich ein sehr schnelles Flugzeug gebrauchen. Zu dumm, dass es davon kaum welche gibt. Flammenschwert-Joe hat mindestens fünf Stunden Vorsprung. Garantiert hat er die erste Maschine genommen und den Atlantik inzwischen zur Hälfte überquert. Wir werden ihn nicht mehr einholen. Mit etwas Glück ist Nagamoto vorgewarnt und wird Vorsichtsmaßnahmen treffen«, sagte er, lehnte sich zurück und verfiel wieder in sein stilles Grübeln.

      Wer konnte erahnen, welche Gedanken durch sein Gehirn schossen, wie viele Theorien und Möglichkeitsvarianten er gleichzeitig ersann, überprüfte und wieder verwarf? Zumindest ist es in seinem Kopf nicht langweilig, dachte Tom mit einer Mischung aus Respekt und Ehrfurcht. Er hatte England noch nie in seinem Leben verlassen, und morgen wäre er mit einem Mal in New York. Das kam alles ein bisschen plötzlich und erschien ihm sehr abenteuerlich.

      Veyron erriet seine Gedanken (vermutlich las er sie einfach Toms besorgtem Gesichtsausdruck ab). Er lächelte beruhigend. »Wir sind rechtzeitig bis Schulanfang wieder zurück, das versichere ich dir. Falls es dennoch Verspätungen gibt, werde ich Willkins benachrichtigen.«

      Tom grinste vor Begeisterung von einem Ohr zum anderen. »Eigentlich sind Sie gar nicht so übel, wenn man Sie mal ein bisschen näher kennt«, meinte er.

      Veyron seufzte. »Lass das nicht Willkins wissen. Du könntest dich da bei ihr glatt unbeliebt machen. Ich versuche lediglich, effizient zu sein, Tom. Effizienz bedeutet in vielen Fällen Geschwindigkeit. Und deshalb kann ich es mir nicht leisten, auf die Gefühle anderer Menschen großartig


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