Der Pfadfinder. James Fenimore Cooper

Der Pfadfinder - James Fenimore Cooper


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blos mit zehnen überfahrt."

      Cap machte sich durch ein erschütterndes Räuspern Luft, griff nach seinem Zopf, als ob er sich versichern wollte, daß sich derselbe noch wohlbehalten an seiner Stelle befinde, und blickte dann zurück, um die Gefahr zu ermessen, welche er eben erstanden hatte; denn daß sie vorüber war, wurde ihm schnell klar. Die größte Wassermasse des Stromes hatte einen senkrechten Fall von ungefähr zehn bis zwölf Fuß; aber mehr gegen die Mitte hin wurde die Gewalt der Strömung so mächtig, daß das Wasser unter einem Winkel von ungefähr fünfundvierzig Graden abstieß und daselbst eine schmale Passage über den Felsen eröffnete. Der Kahn war über diesen kitzlichen Weg mitten durch zerbrochene Felsenstücke, die Strudel und die Stöße des empörten Elementes, welche jeden Unkundigen die unvermeidliche Zerstörung eines so zerbrechlichen Fahrzeugs besorgen ließen, gegangen. Seine große Leichtigkeit hatte die Ueberfahrt begünstigt; denn getragen vom Kamme des Wassers, und geleitet von einem festen Auge und einem kräftigen Arm tanzte er mit der Leichtigkeit einer Feder von einer Schaumspitze zur andern, so daß kaum seine blanke Seite benetzt wurde. Es waren einige Felsblöcke zu vermeiden, welche eine äußerst genaue Führung forderten; das übrige geschah durch die Gewalt der Strömung. [Der Leser halte diese Schilderung nicht für bloße Fiktion, denn der Verfasser versichert, einen Zweiunddreißigpfünder gesehen zu haben, der glücklich über dieselben Fälle geführt worden ist.]

      Wollte man sagen, daß Cap erstaunt gewesen sei, so würde man nicht halb seine Gefühle ausdrücken. Er war mit Ehrfurcht erfüllt, denn der gewaltige Respekt, den die meisten Seeleute vor Felsen haben, kam noch seiner Bewunderung für die Kühnheit zu Hilfe, mit welcher dieses Manöver ausgeführt worden war. Er war jedoch nicht geneigt, alle seine Empfindungen an den Tag zu legen, um nicht zu viel zu Gunsten der Frischwasser- und Binnenschifffahrt einzuräumen. Auch klärte er seine Kehle nicht eher durch das obengenannte Räuspern, als bis seine Zunge sich wieder in dem gewöhnlichen Zuge der Ueberlegenheit befand.

      „Ich habe nichts gegen Eure Kenntniß der Stromfahrt einzuwenden, Meister Eau-douce (denn diese Benennung hielt er gläubig für Jaspers Zunamen), und Allem nach ist die Kenntniß des Fahrwassers an einem solchen Platze die Hauptsache. Ich habe es mit Schaluppenführern zu thun gehabt, die hier auch hätten herunterfahren können, wenn sie das Fahrwasser gekannt hätten."

      „Es ist nicht genug, das Fahrwasser zu kennen, Freund Seemann," sagte Pfadfinder; „es braucht Kraft und Geschicklichkeit, den Kahn aufrecht zu halten, und ihn klar von den Felsen abzusteuern. Es ist außer Eau-douce in der ganzen Gegend kein Bootsmann, der den Oswegofall mit Sicherheit zu passiren im Stande wäre, obschon hin und wieder Einer durchgetappt ist. Ich kann's auch nicht, wenn nicht mit Gottes Hilfe: und man braucht Jaspers Hand und Jaspers Auge, wenn man die Fahrt trocken und sicher machen will. Vierzehn Löffel voll sind im Grunde auch nicht viel, obgleich ich gewünscht hätte, es wären nur zehn gewesen, weil des Sergeanten Tochter zugesehen hat."

      „Und doch kanntet Ihr die Führung des Kahns, und sagtet ihm, wie er leiten und streichen solle."

      „Menschliche Schwachheit, Meister Seemann; 's ist Etwas von der Weißhaut-Natur. Wäre der Serpent in diesem Boote gewesen, so würde er kein Wort gesprochen und keinem Gedanken Laut gegeben haben. Ein Indianer weiß, wie er seine Zunge zu meistern hat, aber wir weißes Volk bilden uns immer ein, wir seien klüger als unsere Kameraden. Ich bin zwar willens, mich von dieser Schwäche zu kuriren, aber es braucht Zeit, ein Unkraut auszurotten, das schon mehr als dreißig Jahre gewuchert hat."

      „Ich halte wenig, oder, aufrichtig zu reden, gar nichts von der ganzen Geschichte. Es handelt sich bei einem Wegschießen unter der Londoner Brücke nur um eine kleine Schaumwäsche, und Hunderte von Menschen, ja selbst die empfindlichsten vornehmen Damen thun es täglich. Selbst des Königs Majestät hat in höchsteigener Person die Fahrt gemacht."

      „Wohl, wir brauchen keine vornehmen Damen oder Königliche Majestäten (Gott segne sie) für unsern Kahn, wenn er über diese Fälle geht, denn eine Bootsbreite auf irgend eine Weise gefehlt, möchte leicht aus ihnen ersäufte Leichname machen. Eau-douce, wir werden des Sergeanten Schwager wohl noch über den Niagara führen müssen, um ihm zu zeigen, was wir Gränzleute zu leisten vermögen."

      „Zum Teufel, Meister Pfadfinder, Ihr seid gegenwärtig sehr spaßhaft. Sicher ist es unmöglich, in einem Birkenkahn über jenen mächtigen Wassersturz zu setzen."

      „Ihr seid in Eurem Leben nie in einem größern Irrthum gewesen, Meister Cap. Nichts ist leichter als dies, und ich habe manchen Kahn mit meinen eigenen Augen hinunter rutschen sehen. Wenn wir Beide leben, so hoffe ich, Euch von der Wahrheit zu überzeugen. Ich, für meinen Theil, denke, das größte Schiff, das je auf dem Ocean gesegelt hat, müßte da hinunter geführt werden, sobald es einmal in den Stromschnellen ist."

      Cap bemerkte den Wink nicht, welchen der Pfadfinder mit Eau-douce wechselte, und blieb eine Weile still; denn in der That, er hatte nie an die Möglichkeit gedacht, den Niagara hinunterzukommen, so sehr sie auch jedem Andern in die Augen springen mußte, während doch, wenn man die Sache beim Licht betrachtet, die Schwierigkeit eigentlich nur in dem Hinaufkommen liegt.

      Unterdessen hatte die Gesellschaft die Stelle erreicht, wo Jasper seinen eigenen Kahn gelassen und im Gebüsch versteckt hatte. Sie schifften sich hier auf's Neue ein; Cap, Jasper und die Nichte in dem einen, Pfadfinder, Arrowhead und das Weib des Letzteren in dem andern Boote. Der Mohikan war bereits zu Land an den Ufern des Flusses weiter gegangen, indem er vorsichtig und mit der Gewandtheit seines Volkes auf die Zeichen eines Feindes achtete.

      Mabels Wangen fingen erst wieder an zu blühen, als der Kahn sich in der Strömung befand, auf welcher er sanft, nur gelegentlich von Jaspers Ruder angetrieben, abwärts glitt. Sie hatte den Uebergang über den Wasserfall mit einem Schrecken angesehen, der ihre Zunge gebunden hielt. Doch war ihre Furcht nicht so groß gewesen, daß sie der Bewunderung Eintrag gethan hätte, welche sie der Festigkeit des Jünglings, der die Bewegungen leitete, zollen mußte. In der That wären auch die Gefühle eines weit weniger empfänglichen Mädchens durch die besonnene und brave Haltung, mit welcher er das Wagestück ausführte, erweckt worden. Er war aufrecht geblieben, ohngeachtet des Sturzes, und diejenigen, welche sich am Ufer befanden, vermochten deutlich zu unterscheiden, daß nur durch die zeitige Anwendung seiner Kraft und Gewandtheit der Kahn den nöthigen Schwung bekam, um von einem Felsen klar abzufahren, über welchen das sprudelnde Wasser sich in Strahlen brach, und bald das braune Gestein sichtbar werden ließ, bald es mit einem durchsichtigen Wogenguß überschüttete, als ob ein künstliches Triebwerk dieses Spiel des Elements veranlaßte. Die Zunge vermag nicht immer auszudrücken, was das Auge schaut; aber Mabel sah, selbst in jenem Augenblicke des Schreckens genug, um ihrem Geiste für immer die Bilder des herabstürzenden Kahns und des unbewegten Steuermanns einzuprägen. Sie duldete diese verrätherischen Gefühle, welche das Weib so eng an den Mann ketten, und denen sich noch der Eindruck der Sicherheit, welche ihr sein Schutz versprach, beimischte. Sie fühlte sich in der zerbrechlichen Barke, in welcher sie sich befand, das erste Mal wieder, seit sie Fort Stanwix verlassen hatte, so recht leicht und behaglich. Der andere Kahn ruderte ganz nahe an dem ihrigen, und da der Pfadfinder gerade ihr gegenüber saß, so fand vorzugsweise zwischen ihnen Beiden die Unterredung statt. Jasper sprach selten, wenn er nicht angeredet wurde, und verwandte fortwährend eine Sorgfalt auf die Führung seines Bootes, welche wohl Jedem, der an seine sonstige zuversichtliche und sorglose Weise gewöhnt war, hätte auffallen müssen, wenn ein solcher Beobachter gegenwärtig gewesen wäre.

      „Wir kennen zu gut die Gaben der Frauen, um daran zu denken, des Sergeanten Tochter über die Fälle zu führen," sagte der Pfadfinder mit einem Blick auf Mabel zu dem Onkel, „obgleich ich manche ihres Geschlechts in diesen Gegenden gekannt habe, welche sich wenig aus einer solchen Fahrt machen würde."

      „Mabel ist zaghaft wie ihre Mutter," entgegnete Cap, „und Ihr thatet wohl, Freund, ihrer Schwäche zu schonen. Ihr werdet Euch erinnern, daß das Kind nie auf der See gewesen ist."

      „Nein, nein, das war leicht zu entdecken; doch bei Eurer eigenen Furchtlosigkeit hätte wohl Jeder sehen können, wie wenig Ihr Euch aus der Sache machtet. Ich fuhr einmal mit einem ungeschickten Burschen hinunter, der aus dem Kahn sprang, gerade als er den Saum berührte, und Ihr mögt urtheilen, was für eine Zeit er dazu gewählt hatte."


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