Homunkulus Rex. S. G. Felix
mit unserer Anwesenheit gruseln. Bald wirst du deinen Chip bekommen, dann wird uns unsere gemeinsame Zeit wie ein konfuser Traum vorkommen.«
Robert grinste und entspannte sich. Er musste sich nicht unwohl fühlen. Neben ihm saß kein Fremder, sondern er selbst. Vor sich selbst brauchte man sich doch nicht zu fürchten. Oder?
»Was Nicole wohl dazu sagen würde«, murmelte Robert2, während er die Talk-Show weiter verfolgte.
»Was?« Bei dem Namen 'Nicole' gingen bei Robert die Alarmglocken an; er konnte es nicht verhindern.
»Ich meinte nur, wenn Nicole uns hier sehen könnte. Der doppelte Robert, im Zwiegespräch mit sich selbst.«
»Sie würde in Ohnmacht fallen«, sagte Robert.
»Ja, genau«, lachte Robert2.
Lass bloß die Finger von ihr!, hörte sich Robert in Gedanken sagen und war überrascht über seine Reaktion. War er jetzt neidisch auf seinen Klon? Dazu gab es überhaupt keinen Grund. Hendrik hatte ihm versichert, dass Robert2 keine Liaison mit irgendjemandem eingehen würde. Also auch nicht mit Nicole.
Auch wenn er für den Rest des Wochenendes versuchte, sich abzulenken, ließ ihn der Gedanke nicht mehr los, dass Robert2 sich fortan mit Nicole jede Woche treffen würde. Es missfiel ihm zutiefst. Er redete sich ein, dass er es bald vergessen haben würde, wenn er erst einmal in seiner neuen Heimat lebte. Und dennoch konnte er sich eines intensiven kaum abzuschüttelnden Eindrucks nicht erwehren:
Er mochte Robert2 nicht.
Kapitel 6: Der Schatten des Zweifels
Das Wochenende verging ohne besondere Vorkommnisse. Robert ging seinem Klon die meiste Zeit aus dem Weg, auch wenn das in seiner kleinen Wohnung nicht gerade einfach war. Robert hatte viel geschlafen, weil er sich nach dem Eingriff immer noch müde und erschöpft gefühlt hatte.
Wie versprochen kam Hendrik am Sonntag noch einmal vorbei. Zu dritt besprachen sie den kommenden ersten Arbeitstag für Robert2. Dem musste aber eigentlich nichts erklärt werden, da sein Wissen und seine Erinnerungen lückenlos und vollumfänglich mit denen von Robert übereinstimmten.
»Das Wichtigste ist, dass Sie sich nicht in der ersten Arbeitswoche überanstrengen«, sagte Hendrik zum Klon. »Ihr transplantierter Chip und Ihr Gehirnimplantat sind neu in Ihren Organismus integriert. Ihr Körper selbst ist auch brandneu und muss sich erst daran gewöhnen, auch wenn Sie jetzt nichts davon merken. Überanstrengung kann negative Auswirkungen haben. Also übertreiben Sie es nicht.«
»In Ordnung. Nach meinem letzten Schwächeanfall und dem anschließenden Besuch bei der Betriebspsychologin-KI werde ich garantiert keine Risiken eingehen«, antwortete Robert2, als er seinen Irrtum bemerkte. »Ich meine, nach deinem letzten Schwächeanfall«, korrigierte er sich und sah Robert entschuldigend an.
Hendrik machte für einen kurzen, kaum wahrnehmbaren Moment ein ernstes Gesicht, entspannte sich dann aber sofort und sagte zu Robert2: »Das kann schon für Sie beide verwirrend sein, nicht wahr? Wer jetzt wer ist, meine ich. Aber letztlich sind Sie ja ab heute Robert Mester. Und es sind keine fremden Erinnerungen an vergangene Ereignisse, sondern ab sofort Ihre eigenen, das müssen Sie sich immer wieder klarmachen. Wenn Sie nach draußen gehen, sind Sie von nun an der echte Robert Mester.« Dann wandte er sich an Robert. »Und Sie werden schon bald eine neue Identität bekommen. Und zwar so lange, wie wir brauchen, um Sie nach Kamtschatka zu bekommen.«
Robert nickte. »Wird schon schiefgehen.«
»Gut. Ich melde mich Ende der Woche wieder.« Hendrik verabschiedete sich und ging.
»Na schön. Dann viel Glück morgen«, sagte Robert zu seinem Klon, nachdem er die Wohnungstür hinter Hendrik verriegelt hatte.
»Glück brauche ich nicht. Ich will nur, dass uns nichts dazwischen kommt.«
»Das meinte ich.« In Gegenwart seines Klons fühlte sich Robert nach wie vor unsicher. Er würde die Stunden zählen, bis Hendrik endlich mit seinem neuen Überwachungschip aufkreuzen und ihm sagen würde, dass sie endlich aufbrechen könnten.
Der erste Arbeitstag verlief für Robert2 völlig problemlos. Wie empfohlen, versuchte er, alles ruhig angehen zu lassen, ohne dabei der ständigen Arbeitskontrolle negativ aufzufallen. Auch seine Kollegen schöpften nicht den geringsten Verdacht. Im Gegenteil: Er hatte sogar den Eindruck, dass man ihn mehr als üblich ignorierte. Wahrscheinlich wollte keiner von Roberts schlechten Bewertungen in Mitleidenschaft gezogen werden. Nichts steigerte die Arbeitsmoral mehr als das stetig über einem schwebende Damoklesschwert namens Kündigung.
Am Abend erstattete er Robert ausführlich Bericht. Robert selbst erging es in den Stunden, in denen er allein in seiner Wohnung ausharren musste, wesentlich schlechter. Ständig waren ihm Gedanken gekommen, dass sein Klon auffliegen könnte, und die Polizei jede Minute seine Wohnung stürmen könnte. Er fragte sich, wie er das noch wochenlang aushalten sollte. Robert2 beruhigte ihn, so gut es ging. Er machte sich weniger Sorgen, zeigte aber für Roberts Ängste - gleich, ob sie denn real oder eingebildet waren - Verständnis.
»Mach dir nicht so viele Gedanken. Es läuft doch alles nach Plan.«
»Hm.« Robert sah aus dem Fenster. Einige Flugtaxis sausten in der Ferne vorbei. Der Gedanke, nicht herausgehen zu können, war nur schwer zu ertragen. Und er hatte noch nicht einmal einen Tag geschafft.
Der Dienstag verlief ebenso wie der Vortag reibungslos. Robert machte sich weniger Sorgen. Er fühlte sich schon deutlich besser. Am Mittwoch wunderte er sich am Nachmittag zunächst, dass sein Klon zu spät von der Arbeit kam, bis ihm dann wieder einfiel, dass er sich mit Nicole treffen würde. Eine unangenehme Vorstellung, die ihn bis zum Abend, als Robert2 wieder nach Hause kam, nicht mehr losließ.
»Und?«, überfiel er seinen Klon, als dieser endlich in die Wohnung trat und erschöpft wirkte.
»Und was?«
»Wie lief das Essen mit Nicole?«
Robert2 zuckte leicht mit den Achseln. »So wie immer. Sie hat sich wieder ziemlich aufgeregt über ihren neuen Maschinen-Kollegen, der alles so viel besser macht als sie. Sie tut mir leid, weißt du? Schade, dass sie nicht mit dir mitgehen wird. Das wäre besser für sie gewesen.«
»Ich weiß. Ich habe alles versucht, sie zu überzeugen, aber es hat nicht geklappt.«
»Was hast du denn schon versucht?«, warf ihm Robert2 überraschend vor, während er seine Jacke aufhing und danach zum Bad ging, um sich die Hände zu waschen.
»Wie bitte?« Robert folgte ihm wütend.
»Na, ich an deiner Stelle hätte nicht so ein großes Geheimnis aus deinem Vorhaben gemacht. Du hättest ihr von dem Erbe erzählen sollen. Du hättest ihr sagen sollen, dass du gehen wirst. Du hättest sie vor vollendete Tatsachen stellen sollen. Dann wäre sie auch mit dir gegangen.«
Robert konnte nicht glauben, was sein Klon ihm vorwarf. »Du an meiner Stelle? Das ist wohl ein Witz! Du bist ich, schon vergessen?«
»Nein. Aber behaupte doch bitte nicht, du hättest alles getan. Das ist doch Schwachsinn. Du hast dich nicht getraut, das ist alles. Ich weiß das. Und du weißt das. Du willst es dir nur nicht eingestehen.«
Robert schwieg. Er war empört, weil er insgeheim wusste, dass sein Klon recht hatte.
»Verzeih mir. Ich wollte dich nicht wütend machen. Aber ich betrachte das eben aus einer anderen Perspektive. Im Nachhinein würde ich sagen, dass du dich falsch verhalten hast. Aber jetzt ist es leider zu spät.«
»Ja, allerdings. Danke für den Klugscheißer-Kommentar. Ich weiß selber, dass es anders hätte laufen können. Aber denk bitte auch mal an das Risiko, das ich eingegangen wäre, wenn ich ihr von dem Erbe und dem Klon erzählt hätte.«
»Was denn für ein Risiko? Sie hätte niemandem etwas gesagt, selbst wenn sie es gewusst hätte.«
»Ja,