3 Makabre KURZGESCHICHTEN. Daniela Christine Geissler

3 Makabre KURZGESCHICHTEN - Daniela Christine Geissler


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daran freigestellt. Es sollte eine Art Schulferien für Schüler und Lehrer sein. Wenn man wollte, konnte man auch einfach im Zimmer bleiben, doch da das Wetter diese Woche herrlich war, wurden die Ausflugsangebote gerne genützt.

      Sie war knapp hinter ihm. Er spürte ihre Nähe und kurz darauf schritt sie an seiner Seite, neben ihn. Der Wanderzug schlurfte gemächlich dahin. Im Glimmer der Frühlingssonne wurde die hügelige Landschaft in krasse Licht- und Schatteneffekte getaucht. Er betrachtete sie. Noch immer schweigend, ging sie neben ihn. Sie wagte es nun doch nicht, ihn direkt daraufhin anzusprechen, zumal ihr dazu auch die Worte fehlten. Dann brach er das Schweigen.

      „Du weißt, wie peinlich mir die Sache im Zug ist.... ich....“ Wenn sie wollte konnte sie Salz in seine Wunde streuen und zum ersten Mal fühlte sie die Macht einer Frau. Es gefiel ihr plötzlich diesen Mann, dessen Geist sie so verehrte, in ihrer Hand zu haben. Doch sie begriff, dass es an der Zeit war, erwachsen zu handeln und sagte

      „Ich habe mich nicht betroffen gefühlt, da der Kuss nicht mir galt, sondern einer anderen.“ Einer anderen. Dieser Satz hallte mehrmals in Jeremys Ohren, bevor er begriff, dass Denise eifersüchtig war. Eifersüchtig auf ein Gut, dass ihr gehörte. Die kurze Unterredung brachte weder ihr, noch ihm Erlösung oder hob die Peinlichkeit zwischen ihnen auf. In den nächsten Tagen gingen sie sich aus dem Weg und fühlten die Nähe des anderen dennoch stärker, als alles andere in ihrer Umgebung.

      „Er hat dich verhext!“

      „Wie bitte?“ Sie sah ihn erstaunt an. Ashley wandte sich bedrückt ab und fuhr ungehalten fort „Unser irre Geschichtslehrer hat dir den Kopf verdreht.....ich hätte nicht gedacht, dass dein Geschmack so sonderbar ist.“ Energisch antwortete sie „Es geht mir gerade nicht so gut. Warum glaubst du, soll er daran schuld sein? Wie kommst du überhaupt darauf?“

      „Weil du seitdem anders bist.... alle sind anders, seit er hier ist.“

      Eilig entfernte Ashley sich von ihr. Nach längerem Grübeln kam auch sie zu der Erkenntnis, dass nicht nur sie sich verändert hatte. Es war nur die Frage, wie sich diese Veränderung vollzog und sie kam zum Schluss, dass dieser Lehrer die Kraft besaß, aus ihnen Erwachsene zu machen. Er behandelte seine Schüler wie Erwachsene und der logische Effekt dessen war, dass man sich als Jugendlicher einfach idiotisch vorkam, wenn man sich anders verhalten würde, als er es von ihnen forderte. Wenn er in der Klasse war, hatte die Kindheit keine Existenzberechtigung mehr und doch trat er ihnen allen mit einer unbeugsamen Sanftheit entgegen, die es einem einfach machte, älter zu werden, reifer zu sein, ohne die Kindheit unter Trotz- und Angstgefühlen hinter sich zu lassen. Doch der beängstigende Nebeneffekt dessen war, dass er alle nach seinem Willen formte. Einer nach dem anderen schien ihm immer näher zu kommen und gleichzeitig zu ihm zu werden. Zärtlich dachte sie an Ashley. Er ist der einzige, der das erkannt hatte. Trotz des sonnigen Tages verkroch sich Ashley in seinem Zimmer. Sie klopfte an und trat ein. „Es ist wahr was du gesagt hast. Dieser Lehrer beeinflusst uns, aber es ist nicht wahr, dass er schlecht ist. Er ist eben, wie er ist.“ Er setzte sich im Bett auf und wechselte das Thema

      „Morgen wird ein Picknick veranstaltet. Machst du mit? Komm schon, wird sicher spaßig.“ Ihm zuliebe sagte sie zu.

      Der Kellner stand ungeduldig neben seinem Tisch und wartete, bis der sonderbare Fremde endlich gewillt war, zu bezahlen. Es war kurz vor Sperrstunde. Jeremy blickte zu dem Kellner hoch und zuckte seine Geldbörse. Seine Gedankenwelt drehte sich nur um Denise. Dieses Mädchen, in deren Gegenwart er sich wie ein kleiner Junge vorkam. Vielleicht gefiel ihm ihre Nähe auch deshalb, weil er auch Denise über kurz oder lang verlieren würde - so wie Claire würde auch sie eines Tages aus seinem Leben verschwinden und eine Leere hinterlassen, die ihm schon jetzt den Atem nahm. Er durfte sich nicht so hineinsteigern, nahm er sich vor und dachte an den kommenden Tag. Mrs. Head, die Mathematiklehrerin, und er waren für das morgige Picknick verantwortlich. Sie besorgte die Speisen und er sollte für Unterhaltung sorgen. Einige sportliche Aktivitäten, wie Federball, standen auf seinem Plan. Ein sonderbarer Gedanke beschlich ihn und er überlegte, ob er einen Kassettenrecorder mitnehmen sollte. Er liebte Verdi, doch ob auch seine Schüler La Traviata lieben würden, bezweifelte er. Picknick mit der Musik von Verdi. Warum nicht, dachte er und außerdem war er auf die Reaktionen der Schüler gespannt.

      Seine Fantasie überschlug sich. Vor seinem geistigen Auge sah er vier Boxen, die er um den Picknickplatz stellen würde. Eine reizende Waldlichtung, würde ebenfalls ein stimmungsvolles Flair bieten. Maximal zwanzig Schüler konnten daran teilnehmen. Insgeheim hoffte er auf Denise. So konnte er sie wenigstens betrachten, Zuschauer ihrer Jugend sein, von fern daran teilhaben.

      6. Kapitel

      Die Schüler starrten aus dem Bus.

      „Was schleppt er denn da an? Was ist in der riesigen Kiste?“, staunte Chris. Sachte stellte er den Karton neben seinen Sitz, begrüßte die Schüler und zählte achtzehn Personen, darunter Denise.

      „Und? Mrs. Head, haben Sie uns auch was Köstliches eingepackt?“

      „Na ja, Wein kann ich ja leider nicht mitnehmen, aber vielleicht haben Sie für Bier gesorgt.“, lächelte sie ironisch und deutete auf den Karton. „Nein, nein, das ist ein Recorder. Ein wenig Musik muss schon sein.“ Verständnislos starrte sie ihn an, doch er zwinkerte ihr liebenswürdig zu.

      Denise verstand ihre Erregung nicht. Als Jeremy einstieg, wurde sie immer kurzatmiger. Ashley stöhnte „Hätte ich mir ja denken können.“ Nach einer halben Stunde hielt der Bus an einer weiten, grünen Wiesenfläche. Es war zwar keine Waldlichtung, aber der Weitblick war unbeschreibbar. Einige Schüler halfen Mrs. Head, andere trugen mit Jeremy den großen Karton aus dem Bus und halfen ihm beim Auspacken. Als der Recorder und vier Musikboxen zum Vorschein kamen, jubelten die Schüler. Mit Bangen stellte Jeremy fest, dass die jungen Leute sicher eine andere Musik erwarten würden, als die klassischen Töne von Verdi. Die Mädchen nahmen die Federballsets und die Jungs die Fußbälle.

      Mit Wehmut betrachtete Jeremy das sorglose Treiben der Teenager um sich herum. Greg näherte sich ihm, himmelte ihn an. Der Junge war mittelgroß und hatte rotblondes, lockiges Haar.

      Seine Haut entbehrte jedoch die typischen Sommersprossen und war sonderbarerweise bräunlich gefärbt. Seine blauen Augen blitzten Jeremy freudig an. „Wohin sollen die Boxen?“ Jeremy gab seine Anweisungen und fragte leise „Was hältst du von klassischer Musik?“ Greg wand sich unter der Frage „Hmm….bisschen langweilig, finde ich.“

      „Aber nein, sie kann fröhlich und ausgelassen sein. Wirst schon sehen.“ Nachdem die Boxen großräumig um den Platz aufgestellt waren, begann er zur Einstimmung mit Rossinis Musik. Der Klang war rein und sauber, ohne Rauschen dröhnte Rossinis Barbier von Sevilla in die weite Landschaft hinaus. Er genoss jeden Ton. Sogar Greg meinte, dass es recht gut klingen würde. Einige Schüler sahen kurz erstaunt rüber, gingen aber weiter ihren sportlichen Aktivitäten nach.

      Mit Greg stellte er einige Klapptische auf, worauf man die Brötchen anrichtete und breitete danach mehrere weiße Tischtücher auf der Wiese aus, die wie Bettlaken aussahen. Von weitem leuchtete der seidige Glanz ihrer dichten weißblonden Mähne. Unter Gregs Blicken wurde Jeremy langsam nervös. Er war es nicht gewohnt, derart angehimmelt zu werden. Nach zwei Stunden des Herumtobens fragten einige Schüler nach dem Essen.

      Jeremy ging ein paar Schritte rückwärts und stieß gegen Ashley. „Oh, entschuldige, habe dich nicht sehen können...hilfst du uns ein bisschen?“ Der Junge nickte kurz und beide begannen das Essen aus dem Bus zu tragen. Jeremy merkte sein abweisendes Verhalten und fragte geradeheraus „Ist alles o.k.?“ „Klar doch!“, meinte Ashley gedehnt und begann die Plastikbecher mit Saft zu füllen. Nun füllte sich die Luft mit der Musik von Verdi. Die Ouvertüre von La Traviata klang fröhlich und wehmütig zugleich und glich somit der Stimmung von Jeremy. Denise ging zu ihnen und nahm einen Becher. Ashley bemerkte sofort den veränderten Gesichtsausdruck von Jeremy. Es war so, als ob eine zarte Weichheit sein herbes Gesicht umschmeicheln würde, wenn sie da war. Verdis Geigen schrillten in die Weite der Landschaft. Mit Argusaugen


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