3 Makabre KURZGESCHICHTEN. Daniela Christine Geissler
Monaten schon sechzehn Jahre alt.“
Stocksteif saß er am Sofa, bewegte sich nicht, legte nur einen Arm um ihre Schulter und atmete den Duft ihrer Haare ein. Sie löste sich nach einiger Zeit von ihm, blieb jedoch weiterhin auf seinem Schoß sitzen. Sie begann sein Gesicht zu streicheln, seine Wangen zu küssen. Er war glücklich, glücklich wie damals. Claire schien noch einmal in der Gestalt dieses Mädchens seine Seele zu umfangen. Er würde dieses Kind nicht anrühren, würde ihrer Seele kein Leid zufügen, würde ihr nur seine Zärtlichkeit geben, aber nicht mehr. Eine andere hatte ihm schon alles genommen und er wollte nicht den gleichen Fehler wiederholen, um nichts auf der Welt wollte er das jemanden antun, was er durchmachen musste.
Die nächste Woche war herrlich für Denise, nur hatte sie keine Ahnung wie er sich fühlte. Das machte sie ganz nervös.
„Was ist denn? Kannst du nicht still sitzen!“, meckerte Ashley. „Ach, lass mich doch!“, fauchte sie zurück. Ashley begann ihr auf die Nerven zu gehen. Sie empfand alle Jungs in dieser Klasse als Kinder. Niemals könnte sie mit einem Kind etwas anfangen, dachte sie weiter und freute sich auf die nächste Stunde. Schon allein seine Stimme zu hören, versetzte sie in einen Rauschzustand.
Sie konnte es in den nächsten Wochen kaum glauben, aber er bat sie jedes Wochenende zu sich und immer taten sie dasselbe, nur dieses Mal im Liegen. Doch er rührte sie bis jetzt in keiner Weise unsittlich an. Eher war sie es, welche ab und zu Annäherungen machte, die er jedoch sanft abwehrte. Bis auf ein paar Küsse ging das Ganze nicht hinaus, nicht einmal ein Zungenkuss kam für ihn in Frage. Es war eine recht eigenartige Beziehung, die sie beide miteinander hatten, falls man es überhaupt als eine Beziehung bezeichnen konnte, überlegte Denise.
8. Kapitel
„Wer war sie?“
„Wer?“
„Claire...du hast im Schlaf ihren Namen genannt...also, wer war diese Claire?“
Er erhob sich vom Sofa, auf dem er neben ihr eingeschlafen war und schritt zum Fenster. Die Wanduhr schlug Sieben.
„Du musst gehen. Es ist spät. Deine Eltern machen sich sonst Sorgen und das könnte unangenehme Folgen für mich haben.“
Verärgert erhob sie sich und meinte „Bei was, Jeremy, könnte man uns schon erwischen? Beim Händchenhalten?“ Wütend nahm sie ihre Tasche und schlug die Tür hinter sich zu.
Sie war fort. Wie damals, einfach so könnte sie aus seinem Leben verschwunden sein, außer er würde es verhindern, dachte er und hetzte ihr voll Angst nach. Sie hörte im Treppenhaus seine Schritte und wartete. Atemlos nahm er sie in seine Arme und entschuldigte sich mehrmals, bis sie wieder fragte „Wer war Claire? Ich habe ein Recht es zu wissen, weil ich dich wirklich liebe! Hörst du mich? Ich liebe dich!“ Er wich einen Schritt zurück „Sie ist keine Gefahr für dich.“, meinte er nur und verabschiedete sich abrupt von ihr.
Seine Art sich ihr gegenüber zu verhalten, machte Denise ganz krank. Bis zum nächsten Wochenende wich sie ihm aus, selbst im Unterricht sah sie an ihm vorbei. Sie wusste nicht recht, wie sie sich ihm gegenüber weiter verhalten sollte. Sollte sie wütend, traurig oder eifersüchtig sein? Eigentlich war sie alles zusammen.
Er fühlte ihren Schmerz, ihre Ratlosigkeit und er begann die beiden Denise und Claire in sich zu trennen. Denise war nicht wie Claire. Claire war von sonnigem, ungetrübtem Temperament, nicht so schwermütig wie Denise. Denise war jünger als Claire und doch so viel vernünftiger. Claire war wie ein kühler Luftzug in der Hitze des Sommers für ihn gewesen. Denise war wehmütig und kompliziert. Genau das war der Unterschied der beiden - sie sahen gleich aus, hatten aber einen völlig unterschiedlichen Charakter. Er fragte sich, warum er das nicht schon früher bemerkt hatte? War er so blind von Claire, dass er Denise nicht erkennen konnte?
Denise bekam Angst. Eine furchtbare Angst ihn zu verlieren. Dieses Wochenende war sie nicht zu ihm gegangen, obwohl es seit einigen Monaten zu einem festen Bestandteil ihres Lebens gehörte. Am Montag betrat er ungerührt die Klasse, es schien ihm nichts auszumachen, glaubte sie. Er blickte mehrmals zu ihr und bemerkte schließlich ihren tränenverhangenen Blick. Claire hatte nie geweint, weder um ihn noch um sonst irgendjemanden. Er begann Denise zu meiden. Sie war nicht Claire und dieses Bewusstsein erleichterte ihm den Trennungsschmerz von Denise. Er würde sie nicht fragen, ob sie wieder zu ihm kommt, zumal er wirklich Schwierigkeiten bekommen könnte, sich mit einer fünfzehnjährigen Schülerin einzulassen. Er versuchte Abstand zu gewinnen und das tat anscheinend auch Denise. Doch plötzlich bewunderte er ihre gerade Körperhaltung, ihren stillen Schmerzensschrei, der ihm lautlos in jeder weiteren Unterrichtsstunde entgegenkam.
Stolz. Ja, das war es, was beide gemeinsam hatten. Einen noblen Stolz, der jedoch nicht den Farbton der Arroganz trug, sondern edelmütig war.
Er wartete im Park auf sie, denn er wusste, dass ihr Schulweg daran vorbei führte. Langsam schritt sie auf ihn zu, hatte nicht das Bedürfnis ihm auszuweichen. Die Jugend liebt schnell, vergisst schnell, dachte er wehmütig. „Ich will nicht, dass du leidest, nicht wegen mir, das hätte keinen Sinn.“, meinte er nur. Sie stand vor ihm, ihr blondes Haar bildete einen eigentümlichen Kontrast zum frühlingshaften Grün der Blätter. Trotzig bemerkte sie „Du bist älter als ich, erfahrener. Du musst wissen, wie du mit Menschen umgehst.“, sagte sie und in diesem Satz lag ihre ganze Pein.
Darum bat er „Komm dieses Wochenende zu mir........bitte!“ Er wusste, dass er sie bitten musste, damit sie kam.
„Werde sehen.“, sagte sie nur und lief schnellen Schrittes fort. Sie spürte das Hämmern ihrer Halsschlagader bis zur Übelkeit. So sehr hatte sie auf nur ein Wort von ihm gewartet und fragte sich gleichzeitig warum sie das tat. Dieser Mann hatte nichts Schönes, nichts Liebeswertes, nichts an sich, was einem die Liebe schmackhaft machen konnte, doch wahrscheinlich war gerade dies der Grund, warum Denis ihn so sehr liebte. Sie liebte alles an ihm. Seine steife Art sich zu bewegen, seine oftmals schiefe Körperhaltung, seine hohe Stirn, eben einfach ihn. Vielleicht, dachte sie, müsste man um so einen Menschen zu lieben, einfach den Wunsch haben reif zu sein, was jedoch nicht mit einschloss es tatsächlich zu sein. Es war die Schwermut seines Gemüts, warum sie ihn, in ihrer jugendlichen Unreife liebte. Er hielt sie mit seiner Traurigkeit gefangen.
Er wartete auf sie. Normalerweise war sie pünktlich. Heute ließ sie ihn eine halbe Stunde warten. Sie war klitschnass, als sie eintrat und lief sogleich ins Wohnzimmer zum Kamin. „Das nützt nichts, du musst deine nassen Sachen ausziehen.....warte ich hole einen Bademantel.“
Als er zurückkehrte hatte sie sich der meisten Kleidungsstücke bereits entledigt, saß in einer dunkelblauen Unterwäsche vor ihm. Nicht aufreizend, eher sportlich war ihr Büstenhalter. Sie zitterte. Wieder schien Claire in Denise Gestalt anzunehmen……..
„Na, hast du schon ein Mädchen gehabt?“, fragte Claire keck. Verlegen hüstelte er. Sie setzte sich auf sein Bett, zog ihn zu sich. Eine seltsame Wonne, ein sonderbares Gefühl der innersten Nähe überrannte den damals Dreizehnjährigen. Wie in einem Wirbel saugte sie ihn mit ihren Küssen in sich auf, umfing mit ihrer süßen Haut den Knaben, nahm ihm seine Kindlichkeit und ließ ihn in den weiteren Jahren doch für immer Kind sein.
Er legte ihr den Bademantel um die Schulter. Sie blickte hoch und zog ihn, wie Claire damals, zu sich, legte sich auf ihn. Ihm schwindelte, sein Herz schien unkoordinierte Laute zu hämmern. Wieder dieser süße Geruch junger Haut. Das machte ihn ganz verrückt, ließ ihn in sich zurückfallen und stöhnte Claire, Claire, ach Claire........Wie von Sinnen starrte Denise ihn an und schrie
„Wer ist sie! Ich, ich, kann nicht mehr......es tut weh, so weh......ich liebe dich so sehr und immer wieder höre ich nur Claire...!“
Sie weinte, lief ins Bad und zog ihre nassen Sachen wieder an. Unsanft aus seinen Träumen gerissen, stürmte Jeremy zu ihr, nahm sie in die Arme und stammelte
„Verzeih mir, verzeih mir, aber du ähnelst ihr so sehr, so sehr......“
Sie spürte sein Leid, sodass sie plötzlich keine Liebe,