Die Sternenschnüffler. Thomas Manderley
Und ich nehme an, jeder Job ist besser als Dein letzter, nicht wahr?“
„Stimmt! Aber Du? Du wohnst und arbeitest auch hier. Warum gehst Du nicht weg, wenn Du das alles hier so scheiße findest?“.
Der Fahrer blickte wieder nach vorn und schien für eine kleine Weile nach den richtigen Worten zu suchen, bevor er mit ernster Stimme fortfuhr: „Na ja, kein Geld. Also fahr ich Taxi und wenn ich den Zaster zusammen habe, kaufe ich einen Raumtransporter, interstellar versteht sich! Und dann: Adios Gesius!“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „... aber das dauert wohl noch etwas.“
„Ja, aber wie bist Du eigentlich hierhergekommen?“, fragte Lora weiter.
„Zuhause war irgendwie alles große Kacke: Familie ging mir auf die Mütze, einen Job hatte ich auch nicht und Rawadian ist der stink-langweiligste Planet des Universums. Na ja, und hier suchten sie gute Ingenieure. Also hab’ ich meine Zelte abgebrochen und kam her.“
„Und dann? Du bist Ingenieur und fährst Taxi. Da muss wohl etwas passiert sein.“, bohrte Lora weiter, obwohl sie merkte, dass sie einen wunden Punkt beim Fahrer getroffen hatte.
„Na ja, dann kam der Krieg. Ich wurde gefeuert und keine andere Firma hat dann noch einen Rawadianer eingestellt. Ich brauchte aber abends ein Schnitzel auf dem Teller. Also hab’ mit meinem letzten Geld dies Taxi hier gekauft, um irgendwie ein paar Kröten zu verdienen.“
„Und seither fährst Du wie ein Wahnsinniger durch die Straßentunnel?“
„Was bleibt mir Anderes übrig und Du kannst Dir vorstellen, dass es zurzeit nicht einfach ist als Rawadianer hier auf Gesius.“
Lora fragte nicht weiter.
Der Fahrer nahm wiederum einen Ausfahrtstunnel: „Da sind wir: Raumhafen zwei! Das macht zweiunddreißig fünfzig.“ und während Lora bezahlte, fügte er hinzu: „Viel Glück da draußen! Vielleicht komme ich bald nach. Wer weiß?“
Lora sah ihm tief in die leuchtend roten Augen. Der Fahrer hatte seinen Frohsinn wiedergefunden, jedoch konnte Lora deutlich die Sehnsucht und die hinter dem Lachen versteckte Traurigkeit erkennen und es rührte sie fast zu Tränen. Aber sie beherrschte sich: „Ja klar, Du kommst nach. Verlass Dich drauf!“
Sie stieg aus dem Taxi und ging zum Eingang des Raumhafens. Als sie sich noch einmal umsah, war das Taxi bereits verschwunden. Nachdenklich betrachtete sie den leeren Taxihaltepunkt: „Ein seltsamer Kerl!“, dachte sie. Doch dann wurde ihr bewusst, dass er vielleicht Recht damit hatte, dass jeder Planet besser sei als dieser. Vielleicht hätte sie niemals hierherkommen sollen. Aber sie dachte auch daran, dass sie vielleicht ein Hoffnungsschimmer für ihn gewesen war, ein Lichtblitz in der manchmal so grausamen Wirklichkeit dieser Stadt und dann hätte doch alles einen Sinn gehabt. Und dann war da noch dieses seltsame, unerklärliche Gefühl, dass dieses Treffen mit ihm nicht rein zufällig gewesen war.
Lora atmete tief durch, drehte sich um, ging in die Abflughalle hinein und machte sich auf den Weg zum Transporter, der sie zur Falkenstation bringen sollte. Als sie dann hinter ihr das Geräusch der sich schließenden Eingangstüren vernahm, sagte sie laut zu sich selbst: „Adios Gesius!“, und schmunzelte innerlich, als sie an einem Werbeplakat für eine Taxi-Firma vorbeiging.
2. Kapitel
Ein lautes Klacken des Schlosses an der Zimmertür, die in diesem Moment von außen geöffnet wurde, riss Joe unbarmherzig dem Schlaf. Ein eiskalter Schreckensschauer fuhr ihm bis ins Mark und ließ seinen langen, hageren Körper in die Vertikale schnellen. Doch ein Schmerz, der sich wie ein Messerstich anfühlte, schoss Joe von den Schläfen bis in den Nacken und riss ihn sofort wieder zurück auf die Matratze.
„Wer ist da? Bist Du das, Richie?“, fragte Joe und hielt sich den Arm vor die Augen.
Aber es war nur ein Zimmermädchen des Hotels, das zögerlich und leise, fast wie auf Zehenspitzen eintrat. Dann stammelte sie mit fast unhörbarer Stimme gen Boden: „Hier ist nur der Zimmerservice, mein Herr. Mein Name ist Denise und Ihr Manager trug mir auf, Sie zu wecken und Ihnen auszurichten, dass er schon auf dem Weg zur Falkenstation sei, um das Equipment einzuschiffen.“
Joe versuchte, sich erneut aufzurichten, dieses Mal jedoch langsam und bedächtig. Denise nahm dies zum Anlass, ihre Fernbedienung zur Hand zu nehmen und die Rollläden der Fenster hochzufahren. Das gleißend blendende Tageslicht traf Joe wie der Punch eines Profiboxers und sandte ihn erneut mit technischen K.O. auf den Ringboden: „Mein Gott, können Sie nicht damit warten?“, rief Joe, während er sein Gesicht im Kissen vergrub: „Wie spät ist es überhaupt?“
„13.45 Uhr Ortszeit.“, antwortete Denise, die mit dem Ausleeren des Papierkorbs langsam zu ihren gewohnten Tätigkeiten überging: „Wenn Sie sich beeilen, erreichen Sie vielleicht noch den Transporter zur Falkenstation um 15.10 Uhr.“
Joe, der es inzwischen tatsächlich geschafft hatte, aufrecht im Bett zu sitzen, sah mit noch immer halb geschlossenen Augen im Zimmer umher: „Wo zum Teufel sind meine Klamotten?“ Joe wollte sich eigentlich Sorgen machen, aber er war viel zu müde dazu.
„Ihr Manager hat alles schon packen lassen, während Sie schliefen.“, antwortete Denise und öffnete die Schranktür. „Er hat Ihnen diesen Anzug und diese Plastiktüte dagelassen und er hat Sie bereits ausgecheckt. Bezahlt ist auch schon alles! Wie war eigentlich Ihre Show gestern Abend? Die Party danach muss jedenfalls klasse gewesen sein!“ Denise konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Joe stieg langsam aus dem Bett. Denise drehte sich schnell und verstohlen weg, obwohl ihre Augen trotzdem versuchten, einen kurzen Blick zu erhaschen, denn Joe fehlte jegliche Schlafgarderobe. Aber dies war wohl nicht das erste Mal, dass Denise in eine solche Situation geraten war, denn nur einen kurzen Moment später flog ein Handtuch, das sie scheinbar nur für diesen Fall bereitgehalten hatte, zu Joe herüber. Er fing es jedoch nicht auf: „Ach lassen Sie! Sie wissen doch wie Männer aussehen, oder?“
Joe trottete zum Schrank und warf einen Blick in die grünweiße Plastiktüte: „Oh Gott, das darf doch nicht wahr sein!“, kommentierte er angewidert und zog eine graue Unterhose hervor, die ihre besten Tage seit langem hinter sich hatte.
Denise zögerte zunächst, konnte ihre Neugier dann aber doch nicht im Zaum halten: „Was ist denn passiert? Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“
„Nun ja, falls sie eine Unterhose parat haben, die passt, nicht im Schritt scheuert und vielleicht sogar neu oder zumindest nicht fleckig ist, dann ja!“
Denise senkte ihren Blick gen Boden und zog es vor, ihrer Arbeit nachzugehen.
Auch Joe kommentierte das Ganze nicht weiter und begann damit, seine Unterhose anzuziehen. Das erste Bein konnte er erfolgreich an der richtigen Stelle platzieren. Dann drehte er sich noch einmal zu Denise um: „Ich weiß, dass es schon spät ist, aber bitte reinigen Sie das Zimmer erst, nachdem ich weg bin, OK? Ich ziehe mich nur schnell an und dann bin ich auch schon raus hier.“, und noch während Joe diese Worte aussprach, versuchte er seine Unterhose heraufzuziehen. Doch diese war unter seinem rechten Fuß eingeklemmt und so fiel er mit lautem Fluchen vorn über und schlug mit einem dumpfen Knall auf dem Boden auf.
Denise kam sofort herbeigeeilt: „Oh Gott, haben Sie sich verletzt?“
„Nein, alles klar! Bitte können Sie in einer halben Stunde nochmal wiederkommen? Dann bin ich schon weg und Sie können hier in aller Ruhe arbeiten.“
„Selbstverständlich mein Herr!“ sagte Denise leise. Dann ging sie schnell zur Zimmertür. Doch bevor sie den Raum verließ, drehte sie sich doch noch einmal um: „Herr Falk, ich hätte da noch eine kleine Bitte: Könnten Sie mir ein Autogramm geben? Meine Mutter ist ein großer Fan!“
Joe sah Denise zum ersten Mal richtig an. Da stand sie mit ihrer leicht untersetzen Figur, den wilden braunen Haaren, die durch einen Pferdeschwanz gebändigt wurden, ihrem rundlichen Gesicht und mit großen, so erwartungsvollen Augen, dass Joe gar nicht umher kam zuzustimmen: „Natürlich!“, sagte Joe ruhig, während er sich wieder aufrappelte. Dann