Die Sternenschnüffler. Thomas Manderley
„Ja, der wird es tun!“, meinte Joe voller Zuversicht, ging zum Bett, zog seine Unterhose wieder aus, spannte sie mit zwei Fingern über dem Bett auf und unterschrieb auf ihr. Dann ging er zurück zur Tür und übergab Denise mit einem breiten Grinsen erst den Stift und dann das frische Unterhosen-Autogramm.
Denise stand mit offenem Mund da und suchte in Joes Gesicht nach irgendeinem Hinweis darauf, dass dies nur ein Scherz war, aber sie konnte einfach nichts finden.
Als Joe dann ein trockenes: „Auf Wiedersehen. Ihr Trinkgeld scanne ich unten!“, hinzufügte, zog sie es vor, schnell das Weite zu suchen.
Joe schloss die Tür, trottete ins Badezimmer und betrachtete sich selbst im großen Spiegel über dem Waschbecken. Seine langen, inzwischen etwas dünner gewordenen Haare hingen wie immer halb vor seinem Gesicht und die ersten Bartstoppeln waren auch schon wieder zu sehen. Als Joe das Licht über dem Spiegel einschaltete, zuckte er zusammen, denn seine tiefen dunklen Augenränder kamen zum Vorschein.
„Ach du Scheiße!“, sagte er laut zu sich selbst und dann verfiel er in eine seiner üblichen Grübelphasen. Er setzte sich auf die Toilette und begann, wie fast jeden Morgen, über sein Leben nachzudenken: Über die scheinbar endlose Tournee mit den fast täglichen Shows in halbleeren Hallen und den unzähligen Reisen von Stadt zu Stadt, von Planet zu Planet, die in all der Routine zur Bedeutungslosigkeit verkommen waren. Joe dachte an sein komplett durchorganisiertes Leben, in dem jeder seiner Schritte von Agenten und Managern bestimmt und überwacht wurde. Und wie jedes Mal begann sich Joe auszumalen, wie es wäre, ein „normales“ Leben zu führen: Eine Frau, vielleicht Kinder, eine eigene Wohnung oder sogar ein Haus, irgendwo auf einem der neuen Siedlungsplaneten weit draußen im Nebbulla-Sektor. Doch dann wurde sich Joe des Schreibtischjobs bewusst, den er dann vermutlich hätte und dies holte ihn sofort zurück in die Realität: „Egal, die Show muss weitergehen!“, sagte er laut, stand auf und betätigte die Toilettenspülung. Merklich erleichtert nahm er eine kurze Dusche, zog sich an und machte sich auf den Weg zum Transportterminal.
Joe vermied es, durch die Lobby zu gehen und fuhr mit dem Fahrstuhl direkt zum unterirdischen Taxistand des Hotels. Unten angekommen ging er, ohne nach links oder rechts zu schauen, durch die schmucklose Rohbetonhalle direkt zum nächstbesten der rot-weiß gestreiften, hoteleigenen Taxis und während er einstieg, gab er dem Fahrer nur einen kurzes: „Irgendein Raumhafen, von dem aus ich zur Falkenstation komme und schnell bitte!“. Dann betätigte er den Schalter für die Trennwand zwischen Fahrer- und Fahrgastraum, legte sich quer auf die Rückbank und gab sich seiner Müdigkeit hin.
„Raumhafen zwei: Wir sind da!“ Die Stimme des Fahrers aus der Kommunikationsanlage riss Joe das zweite Mal an diesem Tag aus dem Schlaf.
„Oh, wow, schon da?“, sagte er und stemmte seinen Oberkörper mit beiden Armen mühevoll nach oben: „Kann ich direkt hier hinten bezahlen?“
„Ja sicher!“, antwortete der Fahrer und direkt vor Joe klappte ein Scanner aus der Fahrgasttür. Joe blickte hinein und musste sich anstrengen, seine Augen so weit zu öffnen, dass der Scanner seine Netzhaut erfassen konnte. Aber irgendwann hatte es Joe geschafft und der Quittierungston sagte ihm, dass er jetzt aussteigen und gehen konnte.
Kurz darauf trottete Joe in die Abflughalle, aber nachdem sich die großen Glastüren des Eingangs hinter ihm geschlossen hatten, blieb er erst einmal stehen und schaute in der Gegend herum. Alles schien sich im Kreis zu drehen und er selbst stand mitten im Zentrum. Egal wo er hinsah: Alles verschwand sofort wieder aus seinem Blickfeld und verlor sich im Durcheinander der Infomonitore, Werbetafeln, Leuchtreklamen und Warteschlangen. Aber Joe konzentrierte sich und versuchte, irgendetwas einzufangen, worauf er seine Gedanken lenken konnte.
Und dann schaffte er es: Sein Blick blieb am Werbeaufsteller eines Geschäftes für Herrenbekleidung hängen: „Was war da noch mit meinen Klamotten?“, dachte Joe und dann erinnerte er sich an das etwas außergewöhnliche Autogramm für Denise. Also atmete er tief durch und ging mit festem Schritt in den Laden.
„Was wünschen Sie, mein Herr?“ Eine Verkäuferin, kaum einen Meter sechzig groß, mit mäuseartiger Figur und spitzer Nase, kam direkt im Laufschritt auf ihn zu.
„Oh, ich brauche nur ein paar Unterhosen: Slips bitte! Ich hasse jegliche Form von Boxershorts, Sportshort oder was es da sonst noch so in dieser Richtung gibt.“
„Selbstverständlich! Größe L?“, fragte die Verkäuferin mit gut gelaunter Stimme.
„Ja, L ist gut!“ Joe trottete hinter der Verkäuferin her, die zu einem Regal im hinteren Teil des Ladens eilte.
„Welche Farbe? Ach, und soll es eine Großpackung sein, oder mögen Sie lieber ein Markenmodell? Ich habe auch Kombi-Packungen mit vielen verschiedenen Farben. Wie wäre es denn damit?“ Die Verkäuferin sah Joe mit erwartungsvollen Augen an, aber an Joes verkatertem Gesichtsausdruck, prallte ihr Blick wie an einem Betonpfeiler ab.
„Ich will nur ganz normale Slips. Die Farbe ist mir vollkommen schnurz.“, sagte Joe: „Geben Sie mir die da!“ Joe griff nach einer Großpackung mit schwarzen Unterhosen und gab sie der Verkäuferin.
„Sagen Sie, ich kenne Sie irgendwo her? Sind Sie prominent?“, fragte die Verkäuferin und begann, Joes Gesicht genaustens und aus nur zwanzig Zentimetern Entfernung auf Ähnlichkeiten mit den ihr bekannten Prominenten zu untersuchen.
„Na so was ähnliches.“, sagte Joe und trat einen Schritt zurück.
„Na gut, Herr Sowasähnlicheswieeinprominenter, das macht fünfzehn Unidollars!“, sagte die Verkäuferin in leicht distanziertem Ton und hielt Joe einen Scanner hin. Joe verlor jedoch kein weiteres Wort. Er bezahlte und verabschiedete sich aus dem Laden.
Joes Weg führte ihn geradewegs zur nächsten Toilette. Dort würde er in Ruhe seine gerade erstandene Unterwäsche anziehen können, aber als er die Eingangstür öffnen wollte, wurde diese von innen mit einem starken Schwung aufgestoßen und schlug dumpf und hart direkt gegen seinen Kopf. Es klang, als ob jemand einen schweren Holzklotz aus großer Höhe auf einen Betonboden fallen lassen würde. Joe verlor zwischen all den Sternen, die er sah, endgültig die Orientierung, taumelte rückwärts und fiel, einer Filmszene gleich, auf sein Hinterteil.
Aus der Toilette trat Lora, die vor Schreck zusammenzuckte: „Oh Entschuldigung, tut mir leid!“, rief sie, während sie sofort zu Joe eilte: „Sind Sie OK?“
„Ja, alles klar, ist schon gut!“, sagte Joe noch leicht benommen: „Mein Tag läuft eh schon nicht besonders, da kommt es auf eine Beule am Kopf auch nicht mehr an.“ Und während er Lora ein kleines Lächeln zuwarf, wurde er auf eine kleine Ungereimtheit aufmerksam und konnte nicht umher nachzufragen: „Ach sagen Sie: Warum waren Sie eigentlich auf der Herrentoilette?“
„Das ist eine Toilette nur für Männer?“
„Ja klar, was dachten Sie denn, was dieses Zeichen hier auf der Tür bedeutet?“
„Na ja, für zweibeinige Spezies. Und die andere Tür da ist für einbeinige.“ Loras Tonfall verriet jedoch, dass sie selbst nicht glaubte, was sie sagte.
Joe lachte laut auf, während er sich wieder aufrappelte, und fragte weiter: „Na und die ganzen Pissbecken an der Wand? Was haben Sie gedacht wofür die Dinger sind?“
Lora begann sich über sich selbst zu amüsieren. „Na ja, für mich haben die Dinger immer genau die richtige Höhe.“
„Und bisher hat Ihnen nie jemand was dazu gesagt oder sich beschwert?“
„Nein, bisher nicht!“, und nun musste auch Lora laut lachen: „Ich bin erst seit zwei Wochen auf einem Menschenplaneten und war meistens im Bad des Hotelzimmers, um ... na ja, Sie wissen schon!“
„Weiß ich!“, sagte Joe, noch immer mit einem breiten Grinsen im Gesicht: „Also für die Zukunft: Frauen werden hier nur mit einem Bein dargestellt. Warum auch immer?! Jetzt muss ich aber auch mal dringend ... Sie wissen schon! Also viel Erfolg noch!“
„Danke! Ihnen auch viel Erfolg! Und nochmals Entschuldigung für die Beule.“, sagte Lora und