Holzperlenspiel. Irene Dorfner

Holzperlenspiel - Irene Dorfner


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anderen denken?

      Leo sah das erschrockene Gesicht des Bruders Andreas, aber er wollte diesem fröhlichen Bruder Siegmund eine Freude machen. Ihm gefiel dieser Mann und er mochte ihn sehr, obwohl er sicher war, dass er einem auch auf die Nerven gehen konnte. Aber egal, sie hatten beide der Polizei sehr geholfen und das mit dem Streifenwagen war nun wirklich kein Problem. Er nahm den Telefonhörer und wählte.

      „Frau Gutbrod? Würden Sie bitte eine Fahrt mit einem Streifenwagen nach Altötting organisieren? Ich habe hier zwei Herren, die eine Mitfahrgelegenheit suchen. Beide Herren sind übrigens unverheiratet.“ Leo konnte sich diese Zusatzbemerkung nicht verkneifen. Frau Gutbrod war die Sekretärin von Rudolf Krohmer und nicht nur neugierig, sondern sie nervte mit ihrer unverheirateten Nichte Karin, die sie unbedingt an den Mann bringen wollte. Frau Gutbrod war schon seit vielen Jahren hier bei der Polizei Mühldorf und mit ihren 62 Jahren stand sie kurz vor der Rente – was sie aber nicht wahrhaben wollte. Sie kleidete sich nicht nur viel zu jugendlich und aufreizend, sondern ließ sich regelmäßig die Falten auf- und unterspritzen, um einige Jahre jünger auszusehen. Aufgrund der letzten Bemerkung bezüglich zweier unverheirateter Männer reagierte sie hocherfreut.

      „Das ist doch kein Problem Herr Schwartz, ich werde mich sofort darum kümmern.“

      Sie hatte aufgelegt und Leo sowie die anderen Kollegen, die sich ein schallendes Lachen nicht verkneifen konnten, warteten jeden Moment darauf, dass Frau Gutbrod in ihr Büro kommen würde, um die beiden unverheirateten Männer persönlich in Augenschein zu nehmen. Tatsächlich dauerte es nur wenige Augenblicke, bis es klopfte und Frau Gutbrod freudestrahlend im Büro stand. Beim Anblick der beiden Kapuzinerbrüder verzog sie das Gesicht.

      „Das sind die beiden?“, rief sie enttäuscht und drohte Leo mit dem Finger. „Da haben Sie mich aber ganz schön auf die Schippe genommen, das war nicht nett von Ihnen.“ Die Klosterbrüder waren aufgestanden und musterten Frau Gutbrod neugierig. Bislang hatten sie so eine bunte Frau noch niemals leibhaftig vor sich gesehen. Bei den wenigen Frauen, mit denen sie es zu tun hatten, handelte es sich um normale Frauen – diese hier war außergewöhnlich: bunt, schrill und sie funkelte und glitzerte überall. Die Frau war stark geschminkt, beinahe zugekleistert. Sie hatte hochtoupierte, blonde Haare, die mit lilafarbenen Strähnen durchzogen waren. Dazu trug sie ein sehr kurzes Minikleid aus lila Spitze, unter dem ihre Unterwäsche zu sehen war. Mit ihren sehr hohen Stöckelschuhen war sie fast einen halben Meter größer als die beiden Mönche – sie waren beinahe eingeschüchtert und wussten nicht, wo sie hinsehen sollten.

      „Na dann kommen Sie mal mit. Los, nicht so schüchtern, ich beiße nicht,“ sagte sie lachend und zog die beiden einfach mit sich.

      „Was sagt dein Programm? Ist es schon fündig geworden?“

      „Nur Geduld.“ Werner hatte die wenigste Geduld von allen, denn am liebsten hätte er sofort das passende Ergebnis präsentiert, nur so konnte er die hämischen Bemerkungen verstummen lassen.

      Sie tranken Kaffee und machten sich dann wieder an die Arbeit. Außer Werner glaubte niemand daran, dass dieses Computerprogramm die Identität der Frau ausspucken würde, und deshalb gaben sie das Foto der Unbekannten an die Presse weiter, vielleicht erkannte sie jemand.

      Plötzlich stürmte Frau Gutbrod ohne zu klopfen ins Büro, die beiden Klosterbrüder hatte sie im Schlepptau.

      „Wissen Sie, was ich eben erfahren habe? Es gibt noch einen Bruder Benedikt bei den Kapuzinern in Altötting.“ Sie war völlig außer Atem, strahlte aber übers ganze Gesicht, als sie die Reaktionen der Kollegen bemerkte – sie wussten es tatsächlich nicht!

      „Wie bitte?“, rief Viktoria.

      Frau Gutbrod schob die beiden Klosterbrüder ins Zimmer.

      „Los, erzählen Sie das, was Sie mir eben erzählt haben.“ Natürlich war es klar, dass Frau Gutbrod die beiden zwischenzeitlich ausgequetscht hatte und somit ausführlich informiert war. Sie hatte bislang noch keine Möglichkeit gehabt, die Akten durchzulesen und sich auf den neuesten Stand zu bringen, deshalb waren die beiden naiven Klosterbrüder eine wunderbare Informationsquelle.

      „Es gibt noch einen Bruder Benedikt bei uns, und zwar schon sehr viele Jahre lang. Er ist schon weit über 80 Jahre alt und genießt seinen wohlverdienten Ruhestand in unserem Kloster. Allerdings geht es ihm gesundheitlich immer schlechter, wir befürchten das Schlimmste.“ Bruder Siegmund war verunsichert, warum war dieser alte Glaubensbruder jetzt plötzlich interessant für die Polizei?

      „Wo finden wir diesen Bruder Benedikt?“

      „Natürlich bei uns im Kapuziner-Kloster, wir haben dort einen eigenen Bereich für unsere alten Mitbrüder, die selbstverständlich auch nach ihrer aktiven Zeit bis zu ihrem Tod bei uns und mit uns leben. Ein Klosterleben endet nicht mit der aktiven Zeit, sondern wir sind bis zu unserem Tod mit unserem Glauben und somit mit dem Kloster verbunden. Entschuldigen Sie, aber ich weiß nicht…“

      „Verstehen Sie denn nicht? Bei dem Mord könnte es sich um eine Verwechslung handeln.“

      Die beiden Kapuzinerbrüder traten erschrocken einige Schritte zurück. Daran hatten sie nicht gedacht. Wer sollte Interesse daran haben, einen alten, kranken Mann zu töten? Viktoria bereute ihre Aussage, sie wollte den beiden keine Angst machen. „Das ist nur eine Vermutung, mehr nicht. Aber wir sollten uns mit Bruder Benedikt unterhalten, um diese Möglichkeit aus der Welt zu schaffen. Dann wollen wir mal, kommen Sie bitte,“ sagte Viktoria und nahm ihren Mantel.

      „Und der Streifenwagen?“

      Sie sah in die enttäuschten Augen des Bruders Siegmund und verdrehte genervt die Augen. Immer dasselbe mit den Zivilisten! In dem Moment gab Werners Computer ein lautes Signal von sich.

      „Das Programm hat die Frau identifiziert,“ rief Werner aufgeregt. Viktoria befand, dass sich viel zu viele Personen im Büro aufhielten, die beiden Klosterbrüder und auch Frau Gutbrod waren jetzt überflüssig.

      „Frau Gutbrod kümmert sich darum, dass die beiden mit einem Streifenwagen ins Kloster gefahren werden. Wir treffen uns dort.“

      Natürlich wäre Hilde Gutbrod lieber hiergeblieben und hätte gerne erfahren, warum die Kollegen so euphorisch waren und um welche Frau es ging – etwa die Sandlerin, die mehrfach im Kloster nach diesem Toten gefragt hatte und ihn sprechen wollte? Genau das war es, das konnte nicht anders sein. Die beiden Klosterbrüder, besonders dieser dicke Bruder Siegmund war sehr gesprächig gewesen und sie wusste jede Einzelheit über den aktuellen Fall. In der Basilika wurde ein Bruder Benedikt getötet, der nur zu Besuch in Altötting war. Es gab eine Besonderheit, denn in der rechten Hand hielt der Tote eine Holzperle – sie musste irgendwie an die Berichte der Pathologie und der KTU kommen, um Näheres über den Toten und diese Holzperle zu erfahren. Es war nicht nett von Frau Untermaier, dass sie jetzt weggeschickt wurde, aber sie würde irgendwie an die entsprechende Information kommen. Früher oder später fand sie alles heraus. Sie schob die beiden Klosterbrüder vor sich her und begleitete sie zum Ausgang, wo der Streifenwagen bereits auf sie wartete. Ungeduldig sah sie zu, wie die beiden auf dem Rücksitz Platz nahmen. Jetzt machte sie sich umgehend auf den Weg zur KTU, denn mit der dortigen Sekretärin war sie sehr gut befreundet. Hier würde sie ganz bestimmt an die Information bezüglich dieser Holzperle kommen. Wegen des Berichts der Pathologie müsste sie sich noch was einfallen lassen, an den ranzukommen war nicht ganz so einfach – aber erst einmal ein Schritt nach dem anderen!

      2.

      „Babette Silberstein, 52 Jahre, ohne Wohnsitz, hält sich aber vorwiegend im Altöttinger Landkreis auf. Die ehemalige Krankenschwester ist bereits mehrfach wegen kleinerer Delikte aufgegriffen worden: Ruhestörung, Beleidigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt – nichts Gravierendes,“ las Werner Grössert nicht ohne Stolz vor. Es war ihm mithilfe dieses Programmes tatsächlich gelungen, die Frau trotz der schlechten Aufnahme zu identifizieren, und damit hatte er die skeptischen Kollegen restlos von diesem genialen Programm und dessen Möglichkeiten überzeugt.

      „Na toll, und wie sollen wir die Frau finden?“

      „Einschlägige


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