Drei sind keiner zu viel. Jörn Holtz
das kleine Stofftier an, während er ihren Lippen auf seiner nun etwas feuchten Wange nachspürte. Dabei hatte er gerade das Gefühl zu erröten, als ein lautes Krachen und Knarren, gefolgt von einem lauten Fluchen auf Platt von draußen reinschallte.
Mit einer unguten Vorahnung befreite er sich abrupt von Lottas Körper und sprang auf, bevor er zu ihr hinübersah: „Scheiße, das hörte sich ja so an, als ob direkt vor der Tenne etwas zu Bruch gegangen ist!“ Dann rannte er los.
Gülle und die alternative Art zu reisen
Draußen angekommen, musste Ole erst einmal abrupt abbremsen, um nicht in einen riesigen Trecker zu laufen, der direkt vor der Eingangstür stand. Am Trecker angehängt war ein ebenfalls überdimensionaler Kesselwagen, der dem strengen Geruch nach Gülle geladen hatte. Daneben stand ein junger, langhaariger Mann und fluchte lauthals. Als dieser Ole und Lotta entdeckte, fing er auf einmal an, wild in Oles Richtung zu gestikulieren: „Sagt mal, habt ihr Dussels etwa genau hier, diese gummibereifte Kasperkiste abgestellt? Wo doch alle Welt weiß, dass wir heute Gülle fahren und ich hier rückwärts lang muss. Man, ich sehe doch nichts nach hinten raus, wenn ich hier wende und nun schaut euch Mal diese Sauerei hier an!“
Ole, der zunächst einmal geschockt war von der Titulierung seines geliebten VW-Busses und dann von dessen Anblick, merkte daraufhin, wie ihm die Knie weich wurden und er in sich zusammensackte. Dabei schlug er seine Hände vors Gesicht, damit er den Anblick, des eben noch frisch gewaschenen und jetzt zerbeulte, sowie mit Gülle übergossenen VW-Busses, nicht länger ertragen musste. Wodurch sich ein Rollentausch vollzog, denn nun war er es, der heulte und Lotta die, die sich neben ihn gehockt hatte, um ihm tröstend ihren Arm zu Verfügung zu stellen, während sie beschwichtigend auf ihn einredete. Sanft meinte sie dabei, dass das alles bestimmt nicht so schlimm sei, wie es im ersten Moment aussah und dass sie bestimmt eine Lösung finden werden. Ole jedoch war anderer Meinung, weshalb er etwas später sichtlich empört, abrupt aufstand, wobei er leise brummte, „Wieso in drei Teufelsnamen soll dies alles hier nicht so schlimm sein?“ Er wollte dies gerade lautstark ausformulieren, als er sich noch einmal und dann verwundert umschaute, denn der komplette Eingangsbereich war auf einmal stark bevölkert. Der Langhaarige hatte sich zwischenzeitlich beruhigt und fluchte nicht mehr, sondern lief nur noch nervös auf und ab. Man hatte die Servicehaube von seinem Camper geöffnet und eine Frau war gerade dabei die Gülle aus dem Lüftungskanal vorne abzuschöpfen. Andere wiederum waren damit beschäftigt, das Leck im Kesselwagen notdürftig zu flicken, nachdem sie seinen Surfboard-Mast dort herausgezogen hatten und wieder andere waren dabei die Einfahrt von der Gülle zu befreien. All dies lief so harmonisch, ohne Streit und ohne Hektik ab, so dass Ole sich insgeheim fragte: Ob dies das normalste auf der Welt für sie sei oder ob sie auf solche Notsituationen trainiert worden waren? Verwundert schüttelte er gerade seinen Kopf, als er auf einmal Lottas warme Hand in seiner spürte. „Siehst du, alles ist gut!“, sagte sie dabei beruhigend, bevor sie ihn geschickt ins Haus zurückführte.
In der Küche angekommen, ließ Ole ihre Hand los und ging mit schweren Schritten zurück zum Sofa, wo er sich frustriert hinsetzte, während er brummte: „Na ja, heute werden wir zumindest nirgendwohin mehr aufbrechen, soviel steht schon mal fest!“
„Ja, aber Morgen vielleicht, wer weiß?“, entgegnete sie weiterhin sanft. „Vielleicht war es ja Karma, weil das Universum uns etwas mitteilen wollte?“
„Ach Lotta, nun komm schon, das hatte doch nichts mit Karma zu tun, sondern mit einem kurzsichtigen, langhaarigen Bombenleger, der nicht rückwärtsfahren kann. Und was wollte das Universum uns schon mitteilen wollen, etwa fahrt nicht?“, patzte er sie an, während er sie kritisch betrachtete.
„Nein, das spüre ich genau! Vielleicht nur nicht so, sondern anders.“
„Wie anders, vielleicht zu Fuß oder doch mit der Bahn? Also, etwas genauer werden muss es da schon!“, verzog er gerade ungehalten sein Gesicht, als ein großer, starker Mann mit einem urfreundlichen Gesicht die Wohnküche betrat.
„Moin, wir kennen uns ja noch gar nicht. Ich bin Dieter, Jonas Zweit-Opa! Wie ich gehört habe, kennt ihr beiden euch ja schon?“, kam er auf sie zu und sah Ole lächelnd in die Augen.
„Nur der Stimme nach!“, erhob Ole sich spontan und reichte Jonas Zweit-Opa die Hand, während er beschloss über diese weitere Ungereimtheit nicht weiter nachzudenken. „Hallo, und ich bin Ole, der unglückliche Besitzer der mit Gülle überzogenen, gummibereiften Kasperkiste dort draußen vor der Tür!“, zwang er sich ein gequältes Lächeln ab.
„Ja, das kann ich gut verstehen. Der Martin ist aber auch watt‘n Dösbaddel!“, nickte Dieter verständnisvoll, bevor er sich umdrehte, um sich einen Kaffee einzuschenken.
Mit dem dampfenden Pott Kaffee in der Hand kam Dieter zurück und setzte sich Lotta und Ole gegenüber auf einen Stuhl. Bedächtig nahm er einen vorsichtigen Schluck aus dem Becher, bevor er Ole mitfühlend betrachtete. „Tja, das ist ja nun Shit. Aber nun lass mal den Kopf nicht hängen, dat ward schon. Nur mit deinem Camper da draußen solltest du besser erst mal nicht mehr herumfahren. Der sollte zunächst einmal gebügelt werden und ich würde dringend empfehlen, dass die Lüftung kräftig gespült wird. Sonst riecht es auf Dauer in deinem VW-Bus, genauso wie bei meinen Schweinen und das will ja nun keiner!“, lachte er dann herzlich über seinen eigenen Witz.
„Ja aber, das dauert doch mindestens zwei Wochen!“, entgegnete Ole sichtlich empört, während er aus dem Fenster starrte.
„Ja, übern dicken Daumen magst du da wohl recht haben. Aber ich garantiere dir, danach ist der so gut wie neu. Das wäre ja gelacht, wenn der Martin deinen Camper nicht wieder hinbekommt. Denn wenn der nicht gerade auf den Trecker sitzt, ist er unser Mechanikus und schraubt an Allem herum, was hier so auf dem Hof mindestens zwei Räder hat. Oh, da fällt mir ein,“, grübelte er kurz, „übern Winter hatte er und sein Onkel an so einem alten Wohnmobil herumgeschraubt. Tja, und der ist nun mittlerweile wieder flott. Denn letzte Woche war er damit in Schönberg, zur HU“, strahlte Dieter die beiden kurz an, bevor er mit einem etwas nachdenklicheren Gesicht fortfuhr: „Man, da sag ich was! Lauft bitte nicht weg. Ich bin gleich wieder da“, sprang er auf und lief zur Tenne hinaus, während Ole ihm verdutzt hinterherrief: „Keine Angst, das wird schon nicht passieren, wie auch?“ Dann wandte er sich an Lotta: „Nur hoffentlich schraubt dieser Martin besser, als er mit dem Trecker rangiert!“
„Jo, da verlass dich mal drauf!“, war die prompte, leise Antwort von Dieter aus dem Off, bevor dieser laut: „Martin, Martin, wo steckt der Bengel den nun schon wieder. Hat hier irgendjemand den Martin gesehen?“, rief.
Währenddessen strahlte Lotta ihn an: „Und, was habe ich gesagt? Nun, da hast du deine Antwort!“
„Ja, okay,“, verdrehte Ole kurz die Augen, „aber wer weiß was das für eine Kiste ist! Und wieso nennt er sich Jonas Zweit-Opa und nicht Opa oder so?“
„Weil er zwar der Erzeuger von Nicole ist, doch haben sich Bianca und Dieter getrennt während der Schwangerschaft. Kurz darauf ist Bianca mit Peter zusammengekommen, der dann die Vaterrolle für Nicole übernommen hat. Logischerweise ist er daher auch der Opa für Jonas, wobei er außerdem auch der Neffe von Martin ist.“
„Ach so, alles klar!“, pflichtete er ihr mehr automatisch bei, während er erneut aus dem Fenster starrte. Dabei stellte er sich alle möglichen Varianten von Wohnmobilen vor, die in seiner Fantasie alle bunt bemalt waren und mit einem Regenbogen an der Seite, sowie mit einem Peace Zeichen vorne auf der Motorhaube. Dieser Tagalptraum endete erst, als Dieter vor dem Fenster auftauchte und ihnen mittels Handzeichen andeutete, zu ihm rauszukommen.
„Man, der Martin hat ein ganz schön schlechtes Gewissen, dass er euch euren Tourstart so versaut hat. Darum fand er meinen Vorschlag auch auf Anhieb gut. Er bügelt deinen VW-Bus, spült die Lüftung und macht alles wieder Chic, während ihr seinen frisch renovierten Camper nehmt“, sagte Dieter. Dann drehte er sich um und lief in Richtung der Stallungen davon, die sich auf der Rückseite des Gebäudes befanden, wobei er ihnen andeutete, ihm zu folgen. So liefen Lotta und Ole ihm hinterher, wobei Ole gespannt war, ob sein Tagalptraum