Aufgeflogen. Mona Busch

Aufgeflogen - Mona Busch


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Ich will doch nur ganz kurz mit Herrn Amper sprechen und ihm diesen Brief geben!“

      Doch der Pförtner zuckte mit den Schultern: „Tut mir leid, ich darf Sie nicht hereinlassen. Sie müssen warten oder später wiederkommen.“

      Verdammt!

      Natürlich hinterließ Isa ihre Telefonnummer. Dann stieg sie die Stufen hinunter und setzte sich ein paar Meter weiter auf ein niedriges Geländer. Später wiederkommen? So einfach war das nicht! Wie stellte der sich das vor?

      Während sie wartete – oder es zumindest versuchte – merkte sie, wie Wut in ihr aufstieg. Vielleicht hing Davids Leben davon ab, dass sein „Führer“ – wie das klang! – diesen Brief, diese Nachricht schnell bekam. „Jetzt sofort!“, hatte David gesagt.

      Sie musste jetzt da rein, egal, was der Pförtner sagte! Bloß wie?

      Ärgerlich schimpfte sie leise vor sich hin. Das durfte alles nicht wahr sein! Sie hatte Angst um David. Sie konnte den Brief nicht übergeben. Und sie kam zu spät in die Schauspielschule.

      Wütend zog sie die beiden Briefumschläge aus ihrem Rucksack und starrte darauf, als ob sie sie hypnotisieren wollte. Was mochten sie enthalten?

      Plötzlich rutschte der große, schwere Umschlag ihr aus der Hand und fiel zu Boden.

      Isa fluchte: „Mist!“

      Sie bückte sich, um ihn wieder aufzuheben – doch unerwartet ergoss sich der gesamte Inhalt des Umschlags auf den Boden.

      Das Erste, was Isa unverkennbar ins Auge fiel, war… eine Waffe!

      Isa bekam fast einen Herzinfarkt und sah sich panisch um: Hatte jemand das bemerkt?

      Gott sei Dank sah gerade niemand zu ihr. Rasch hob sie die Pistole auf und ließ sie in ihrem Rucksack verschwinden. Puh! Wieso hatte David eine Waffe in diesen Umschlag gesteckt? Wieder überfiel Angst sie.

      „Reiß dich zusammen, Isa!“, befahl sie sich selbst.

      Schnell sammelte sie die restlichen Gegenstände auf, die aus dem Umschlag gepurzelt waren, als er aufgeplatzt war.

      Als Isa sich wieder aufgerichtet hatte, betrachtete sie die Dinge. Davids Dienstausweis war darunter. Den würde er normalerweise doch auch nicht einfach so weggeben! Ihr Magen krampfte sich zusammen. Der Dienstausweis steckte in einer Plastikhülle. Sie drehte diese um… und da fiel ihr eine weiße Karte ins Auge. So eine hatte sie doch vorher ein paar Mal gesehen – bei den LKA-Mitarbeitern, die das Dienstgebäude betreten hatten. Das musste Davids Zugangskarte sein! Damit könnte sie ins LKA hinein, Herrn Amper suchen – auch ohne die Zustimmung des Pförtners!

      Adrenalin durchflutete Isabellas Körper. Aufgeregt überlegte die junge Frau. Sie hatte zuvor, als sie an der Pförtnerloge warten musste, beobachtet, wie andere Mitarbeiter des LKAs mit der weißen Zugangskarte durch die Drehtüren gingen. Karte ans Lesegerät halten, durch die Drehtür gehen – fertig. Das war nicht schwer, das würde sie hinkriegen. Nur durfte der Pförtner sie nicht erkennen. Hektisch kramte sie in ihrem Rucksack. Da waren ihr Sonnenhut und ihre Sonnenbrille. Eine Haarspange fand sie auch noch, mit der sie ihre auffälligen, lockigen, schwarzen Haare hochstecken konnte. Gut! Isa zögerte nicht länger. Das musste doch ein Wink des Schicksals sein, dass der Umschlag aufgeplatzt und ihr die Zugangskarte in die Hände gefallen war. Also los!

      Sie verkleidete sich mit den Utensilien, die sie dabeihatte und packte alles Restliche in ihren kleinen Rucksack. Dann, als ein ganzer Schwung Leute von der zuletzt eingetroffenen U-Bahn aufs LKA zukam, schritt Isa – ganz Schauspielerin – selbstsicher mit schwingenden Hüften wiederum auf den Eingang des LKAs zu. Sie sah weder links noch rechts, als täte sie das jeden Tag. Unauffällig mischte sie sich unter die vielen LKA-Mitarbeiter, stellte sich kurz in der weiter von der Pförtnerloge entfernten Warteschlange vor den Drehtüren an und beobachtete die Menschen vor sich. Als sie an der Reihe war, hielt sie wie selbstverständlich Davids Zugangskarte vor das Lesegerät. Ohne Probleme passierte sie die Drehtür.

      Ha! Geschafft!

      Sie ging noch ein paar Meter weiter und konnte sich ein siegessicheres Grinsen kaum mehr verkneifen. Sie war drin! Im LKA! Jetzt konnte sie Herrn Amper suchen und ihm endlich Davids Brief übergeben. Erleichtert atmete sie auf. Ihr war zwar klar, dass ihr Handeln nicht ganz korrekt war, aber sie hoffte, dass Herr Amper darüber hinwegsehen würde, wenn er hörte, was vorgefallen war.

      Okay – jetzt auf zu Zimmer 314! Das war bestimmt im 3. Stock. Unauffällig sah sie sich um und entdeckte ein Treppenhaus. Erleichtert ging sie darauf zu. Einige Schilder wiesen den Weg zu verschiedenen Abteilungen des LKAs. Staatsschutz war nicht dabei. War sie hier richtig? Nachdem sie auf ihre Uhr gesehen hatte – es war schon 8.12 Uhr – lief sie etwas unsicher weiter. Kurz darauf stand sie außer Atem im 3. Stock.

      305, 307... da hinten musste 314 sein!

      An der Zimmertür hing ein Schild: „Konferenzraum“. Von einem Herrn Amper stand hier nichts. Komisch – hatte David ihr etwa die falsche Zimmernummer genannt?

      Isabella klopfte vorsichtig, aber nichts rührte sich. Noch einmal klopfte sie, diesmal etwas lauter, fester. Keine Antwort.

      Nervös sah sie sich um. Vielleicht war es eines der Nachbarzimmer? Rasch schritt sie den Gang weiter entlang, in beide Richtungen 20 Meter. Henger, Damm, Albrecht, Unger, Hofmeier, Igmar, Weidemann... aber kein Amper!

      Isabella biss sich nervös auf die Unterlippe. Wo zum Teufel war der Raum von Herrn Amper? Jemanden fragen konnte sie schlecht, das würde auffallen!

      Sie eilte wieder zurück zum Zimmer 314. Noch einmal klopfte sie energisch und laut. Und wieder kam keine Antwort.

      Probeweise drückte sie die Klinke herunter. Die Tür öffnete sich! Mit klopfendem Herzen steckte sie ihren Kopf in den Raum – keiner da. Sie rief: „Hallo?“, weil sie sah, dass an der Seite eine Tür war, die wohl zu einem Nebenzimmer führte. Keine Antwort.

      Isabella zog ihren Kopf zurück. Was sollte sie jetzt tun? Wo steckte dieser Herr Amper bloß? Sie sollte den Brief doch persönlich übergeben – aber ihr lief die Zeit davon! Bald begann ihr Unterricht in der Schauspielschule, sie musste eigentlich los! Sie konnte doch nicht das ganze Gebäude jetzt nach Herrn Amper absuchen! Irgendwann würde jemandem auffallen, dass sie nicht hierhergehörte – und dann…

      Sie dachte lieber nicht weiter.

      Isabella überlegte: Vielleicht fand sie ja hier im Zimmer irgendeinen Hinweis darauf, wo er jetzt war? Zögernd legte sie ihre Hand wieder auf die Türklinke. Aber David hatte gesagt, sie solle Herrn Ampers Zimmer nicht ohne dessen Erlaubnis betreten!

      Wieder sah sie auf die Uhr: 8.17 Uhr. Gleich begann die Schauspielschule. Verdammt! Sie musste es versuchen!

      Isabella öffnete die Tür und betrat das Zimmer. In der Mitte des etwa zehn Meter langen Raumes stand ein großer Tisch. Einige Papiere lagen darauf verstreut, an den Wänden waren Informationen angepinnt. Nervös griff Isabella nach einigen Papieren auf dem Tisch: Amtliche Mitteilung, Fortbildung... nichts von einem Herrn Amper! Sie bemerkte, dass ihre Hände leicht zitterten. Nun ging sie zur Pinnwand und begann, die Zettel dort zu betrachten: Sie hatten ähnliche Inhalte wie die auf dem Tisch, dazu gab es hier Landkarten und Kopien aus irgendwelchen Zeitschriften.

      Plötzlich schrak Isabella zusammen: Draußen auf dem Gang näherten sich Schritte! Sie erstarrte und lauschte: Die Schritte und Stimmen mehrerer Leute... und sie kamen näher, ohne jeden Zweifel.

      Sie konnte jetzt nicht rausgehen, sonst würden die sie sehen – und sie durfte doch eigentlich nicht im Gebäude sein, schon gar nicht in diesem Raum! Und wenn sie nun hierher kämen, in dieses Zimmer, und sie dort erwischen würden? Sie würde mächtigen Ärger bekommen, weil sie das Zimmer – das LKA – ohne Erlaubnis betreten hatte. Das musste sie vermeiden!

      Die Schritte waren nur noch wenige Meter entfernt. Sie musste etwas tun! Ihr Blick fiel auf die Tür zum Nebenzimmer. Ohne lange zu überlegen öffnete Isabella sie, schlüpfte in das dämmerige Zimmer hinein und schloss die Tür hinter sich. Hoffentlich gingen die Leute vorbei!


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