Das Friedrich-Lied - 1. Buch. Henning Isenberg

Das Friedrich-Lied - 1. Buch - Henning Isenberg


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den Augen und den Brauen, die Augen unten, in der vollen Ansicht des Gesichts, die Nase über den Nasenlöchern auf jeder Seite.“

      Mit jedem Satz, den er langsam sprach, führte er die Striche und Linien aus.

      „

      Wenn das Antlitz rechts blickend ist, auf der rechten Seite; wenn links, dann auf der linken Seite. Ferner unter dem Mund und der Stirn und innen in den Wangen der Greise und an den Fingern der Hände und den Gelenken der Füße innen und bei einem gewendeten Gesicht in den Nasenlöchern vorne.“

      Friedrich schaute dem Mönche wissbegierig über die Schulter.

      „

      Die Brauen aber der Greise und Hinfälligen machst du mit Veneda, mit der du die Augäpfel angefüllt hast. Hierauf vollende mit einfachem Schwung die Brauen der Jünglinge, so dass darüber ein wenig von Rubeum sichtbar werde. Verfahre ebenso bei dem oberen Teil der Augen, der Nase und den Ohrläppchen, den Hände und Fingern an der Außenseite, den Gelenken und übrigen Linien des Körpers. Alle Umrisse des nackten Körpers aber mache mit Rubeum und die Nägel auf der Außenseite mit Rosa. Schau, … so.“

      Lange waren Schüler und Lehrer in den Rhythmus aus Erläutern, Zeigen und Aufnehmen vertieft, so dass sie das Erscheinen Bruder Heinrichs gar nicht bemerkten.

      Heinrich schaute einen Moment eifersüchtig auf die Harmonie von Lehrer und Schüler. Dann zischelte er leise, als wolle er einen Schlafenden nicht zu wirsch wecken: „Friedrich, pssst, Friedrich.“ Die beiden schauten auf.

      „

      Er schickt nach dir“, vollendete Heinrich.

      „

      Wer?“

      „

      Dompropst Engelbert.“

      „

      Oh nein, nicht schon wieder“, rief Friedrich und warf Notger dabei einen gequälten Blick zu.

      Dann band er seine Schürze ab, warf sie auf die schartige, fleckige Eichenplatte und putzte sich die tintenschwarzen Finger an einem Lumpen ab. Er tauschte einen letzten Blick mit Notger und ging vorbei an Bruder Heinrich, der ihm auf dem Fuße folgte, in Richtung der Propstei.

      Sie gingen über den schlammigen Klosterhof; die Köpfe zu Boden gesenkt. Sie wussten beide, was jetzt folgen würde. Friedrich schaute an Heinrichs Profil vorbei zum Reinebächlein, dessen Wasser munter durch sein kaltes Bett plätscherte.

      Der Anblick erinnerte ihn an seine erfrorenen, blutigen Hände, die er fast genau vor einem Jahr immer und immer wieder in das frostige Gewässer eingetaucht hatte, bis er gemerkt hatte, dass sich die Laken des Dormitoriums, die er zu waschen hatte, rot statt rein und weiß färbten. „So wird das nie etwas“, hatte Bruder Lappenhard, der Haushofmeister, ihm zugerufen.

      „

      Bruder Lappenhard, meine Hände sind derart erfroren, dass ich nicht merke, wenn sie über das Waschbrett schrappen.“ Dabei hatte Friedrich ein gequältes Gesicht gemacht.

      „

      Dein Problem, Bruder Friedrich. Du musst es auch selbst lösen. Ich bin doch nicht deine Amme“, hatte Lappenhard geantwortet.

      Und Friedrich hatte das Problem gelöst.

      „

      Heinrich, ich brauche deine Hilfe“, hatte er Heinrich in einer ruhigen Minute angesprochen.

      „

      Worum geht es, Friedrich?“, hatte dieser mit offener Miene gefragt.

      Friedrich hatte einen Plan ausgerollt, auf den er sein Werk aufgemalt hatte.

      „

      Schau meine Hände an!“

      Friedrich hatte Heinrich die gerade verschorften Knöchel entgegengestreckt.

      „

      Oh, Friedrich!“

      Heinrich hatte besorgt auf die Wunden geschaut.

      „

      Ist das vom Waschen im Bach?“

      Friedrich hatte genickt.

      „

      Ja, ich merke nie, wenn ich an das Waschbrett stoße. Es ist so viel zu waschen und das kalte Wasser lässt meine Hände erstarren.“

      Heinrich hatte Friedrich fragend angeschaut und gefragt: „Warum machst du es denn alleine?“

      „

      Propst Engelbert hat es so angeordnet. Aber Lappenhard hat gesagt, ich soll die Aufgabe erledigen und das Problem lösen.“

      Heinrich hatte wieder fragend dreingeschaut, aber dieses Mal so, als wolle er sagen: und was soll ich dabei tun?

      „

      Nun, Heinrich, um es zu lösen, so wie mir gesagt, brauche ich deine Hilfe.“

      Heinrichs Miene hatte sich bei Friedrichs Worten ein wenig verschlossen. Doch Friedrich hatte den Plan, der sich wieder zusammengerollt hatte, erneut vor Heinrichs Augen ausgebreitet.

      „

      Sieh, ich will Wasser aus dem Bach in eine Rinne leiten“, dabei hatte er auf ein mittelgroßes Wasserrad auf dem Plan gezeigt. „Über die Rinne läuft es in einen Zuber, der von unten erhitzt wird.“

      Er zeigte auf das kleine Feuer, welches er unter eine Wanne gezeichnet hatte.

      „

      Von da läuft das Wasser über das Waschbrett, das auf einem Rahmen fest angebracht ist. Dort schrubbst du die Wäsche und kannst sie in die Lauge im unteren Zuber tauchen.“ Dabei hatte er auf die untere Konstruktion gezeigt.

      „

      Was ist das?“

      Heinrich hatte den Rahmen gemeint, der das ganze Bild umfing.

      „

      Damit die Kälte einem nicht so viel anhat und das Feuer nicht erlischt, wird das Ganze von einem Häuschen umgeben. Einer einfachen Holzhütte.“

      „

      Du willst ein Haus bauen?! … Wo willst du das ganze Material hernehmen?! Du bist ja verrückt! Das bekommst du nie hin!“

      Friedrich hatte kurz überlegt, ob Heinrich recht hatte, dann jedoch an seinem Plan festgehalten.

      „

      Bruder Notger“, hatte er zu sich gestanden, „findet, dass das eine gute Idee ist. Er hat mir Farben und Pergament für die Zeichnung überlassen. Und Lappenhard hat gesagt, ich soll das Problem lösen. Nichts anderes mache ich…. Bleibt nur die Frage, ob du mir hilfst.“

      „

      Dein Brief an deinen Vater, dass du zu niedrigen Arbeiten eingeteilt wirst, darüber kaum zum Studieren kommst und der Propst-Elekt dir die Würden des Domherrn vorenthält, hat Bruder Engelbert wenig gefallen. Dass er dich für die Wäsche im Winter einteilt, hat also einen Grund…“

      „

      Ach, daher weht der Wind! Du hast Angst, dich bei ihm in die Nesseln zu setzen.“

      Heinrich hatte betreten zu Boden geschaut.

      „

      Ist deine Angst vor Engelbert größer, als deine Freundschaft zu mir?!“

      „

      Friedrich!“, Heinrich war zornig geworden, „erpress mich nicht! Auch ohne dies helfe ich dir.“

      In den folgenden Tagen hatten Friedrich und Heinrich mit Lappenhards und Notgers Hilfe alles Bauholz und sogar zwei hohle Sandsteine, die als Becken dienten, zusammengetragen. Es waren zerbrochene Steine von der Dombaustelle, die die Steinmetze für sie zu Becken ausgehöhlt hatten.

      Nach einer Woche war das Bauwerk fertig


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