Heidesumpf. Herbert Weyand

Heidesumpf - Herbert Weyand


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für Ihre Rücksicht.« Susanne Treber sah in die Runde und registrierte das Nicken der Leidensgenossinen. »Ist er eingeweiht?«

      »Damit wollte ich warten, bis ich das o. k. habe. Ich werde Herrn Bauer später informieren.«

      »Hallo Professor.« Das Mädchen, das ihn mit seinem Spitznamen ansprach, reichte ihm die Hand und machte einen Knicks.

      »Warte. Sag nichts.« Er schmunzelte und Hunderte Fältchen erschien in seinen Augenwinkeln. »Du bist Gerlinde. Richtig?«

      Sie strahlte ihn an. »Richtig.«

      »Was hast du mit unserem Fall zu tun? Wissen deine Eltern, wo du dich herumtreibst?«

      »Mensch Professor. Aus Kindern werden Leute. Noch ein Semester und ich habe meinen Bachelor in der Tasche.«

      »Und der Fall? Ich weiß nur, dass meine Chefin eine Spur hat. Hast du auch damit zu tun?«

      Ein Schleier zog über die Augen der jungen Frau und das Gesicht wurde düster. Eine Ahnung zog in Heinz hoch, als er die Opfer vor seinem inneren Auge aufziehen ließ. »Mein Gott.« Er zog Gerlinde in die Arme, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt und streichelte ihren Rücken. Dabei kullerte eine Träne die Wange herunter. »Mensch Mädchen. Wir kriegen das Schwein. Das verspreche ich dir.«

      Die anderen beobachteten die Szene gerührt und wischten mit den Handrücken in den Augenwinkeln.

      »Nicht nur ein Schwein«, warf Susanne bitter ein.

      »Ich werde das später mit Heinz klären.« Claudia hob die Hand und forderte damit Aufmerksamkeit ein. »Wir haben eine vielversprechende Spur. Dafür bin ich heute in der Hauptsache hier. Ein Kollege von uns war bei Germanicus. Keine Angst«, sie reagierte auf das erschrockene Einatmen der Frauen. »Vor der letzten Prüfung ist er abgesprungen und hat deshalb von dem Schweinkram keine Ahnung. Er arbeitet gerade mit unserer Kollegin Maria Römer zusammen und nennt Namen. Namen, die wir schnell recherchieren müssen. Ich habe ein ungutes Gefühl, das mit unserem Präsidium zu tun. Deshalb brauche ich Ihre Hilfe.«

      »Du weißt, was du tust?«, fragte Heinz dazwischen.

      »Ja. Und zwar ganz genau. Dazu später mehr.«

      »Dann werde ich mit Ihnen arbeiten«, sagte Heinz zu den Frauen gewandt. »Natürlich nur, falls Sie das wünschen.«

      »Klar«, Gerlinde sprach auch für die anderen, die zustimmend nickten.

      *

      »Ich mache Feierabend. Fährst du mit? Ich hole dich morgen früh bei dir zu Hause ab.« Heinz wohnte in Windhausen, einem Nachbarort.

      Heinz nickte. »Weiß Maria Bescheid?«

      »Ich habe es ihr heute Nachmittag gesagt. Ich muss mit dir sprechen.« Sie legte den Gang ein und fuhr los.

      »Ich weiß. Du hast mich nicht umsonst ins Auto gepackt. Das mit den Frauen hättest du alleine regeln können.« Er suchte eine bequeme Stellung und harrte dem, was wohl kam.

      »Ich bekam, bevor wir mit Horn sprachen, einen Anruf. Jemand im Präsidium oder in einer höheren Dienststelle ist ein Führungsmitglied bei Germanicus. Für die nächste Bumsrunde wollen die mich kidnappen. Ich habe Angst.«

      »Du hast sie nicht alle.« Heinz schnappte nach Luft.

      »Das habe ich auch gedacht. Doch wenn ich es recht überlege, ist es mehr als folgerichtig, dass die mich aus dem Verkehr ziehen wollen.« Sie zog eine nachdenkliche Schnute.

      »Und das erzählst du mir nebenbei im Auto. Du hast sie wirklich nicht alle.« Er hieb die Faust wütend auf die Armatur. »Wir müssen dich aus dem Verkehr ziehen. Das ist klar.«

      »So klar nicht. Ich möchte nicht, dass die aufmerksamer werden, als sie es schon sind. Wir müssen eine andere Alternative finden.« Sie trat wütend auf das Gaspedal, sodass der Wagen einen Satz machte.

      »Auch eine Alternative«, meinte Heinz gelassen, »du fährst gegen den nächsten Baum, dann bist aus dem Schneider.«

      Claudia nahm sofort den Fuß vom Pedal.

      »Weiß Maria Bescheid?«

      »Nein. Noch nicht.«

      »Dann lass das mal. Die dreht ab, wenn ihr Küken in Gefahr ist. Dann ist sie keine Hilfe mehr.« Er hieb wieder mit der Faust auf die Armatur. »Dir ist klar, dass ich dich keinen Augenblick mehr aus den Augen lasse.«

      »Damit habe ich gerechnet. Ich brauche dich jetzt für die Ermittlungen. Wir müssen das anders regeln.«

      »Hast du sonst nichts auf der Pfanne?« Er rutschte wütend nach vorn, bis der Kopf fast gegen die Windschutzscheibe stieß. Von dort funkelte er sie wütend an. »Taktieren ist vorbei. Wir müssen alle Fakten auf den Tisch legen.«

      »Mag sein.« Sie winkte ab. »Damit kommen wir nicht an die Drahtzieher. Lass mich die Sache überschlafen. Vielleicht fällt mir etwas ein.«

      *

      Siebzehn

      Anstatt den Öffentlichen Dienst und damit das Amt eines Richters, wählte Peter Brock den Weg in eine Anwaltskanzlei, die sich auf Wirtschaftsrecht spezialisierte. Die Wahl fiel leicht, denn die Verbindung gab sie vor. Das geschah vor nunmehr zehn Jahren. Mittlerweile besaß er die Kanzlei und Dependancen in allen großen Städten Deutschlands und einigen Großstädten Europas. Seine Tätigkeiten beschränkten sich auf die Koordination und Repräsentation sowie die Überwachung der vielfältigen Geschäfte der Burschenschaft.

      Seit der Ermordung Bastians verlief sein Leben geradlinig nach oben. Heute gab er dem Ermordeten recht, als er die Verbindung als Jungmännerzirkus bezeichnete. Manchmal dachte er, er sei der einzig Normale in dem Verein. Der Großteil der Mitglieder, egal wie alt, fand hier eine Spielwiese, die gesellschaftliche Regeln außer Kraft setzte. Und dies auf menschenverachtende Art und Weise. Einer Art, die Jugendliche an den Tag legten. Während die Masse das pubertierende Gehabe mit fortschreitendem Alter ablegte, verharrten diese Menschen in dem Zustand. Dennoch unterstützte Peter die Institution vorbehaltlos. Sie sicherte ihm Macht, Einfluss und Geld. Außerdem steckte er zu tief in den Geschäften. Ein Ausscheren bedeutete den sicheren Tod. Dafür hatte er schon zu viele Exekutionen angeordnet, selbst durchgeführt und toleriert.

      Etwas änderte sich auch zu früher. Bastian blieb der einzige Tote, den er selbst entsorgen musste. Bei den Nächsten bestellte er ein Säuberungsteam, das ihm diese Arbeit komplett abnahm. Die Leichname verschwanden faktisch von der Erdoberfläche. Nie hörte er wieder davon oder las in den Medien darüber.

      Peter wusch Geld für die Organisation, das auf vielen nicht legalen Wegen hereinkam. Er trat so gut wie nie selbst in Erscheinung. Seine Zentrale lag im Aachener Westen, zwischen Universitätsklinikum und Technischer Hochschule. Eine mehr zufällige Entscheidung, die er vor Jahren traf.

      Jetzt, Mitte dreißig, besaß er scheinbar alles, was ein Mensch sich wünschte. Bis auf eine Familie … Mittlerweile wusste er, woran es lag, dass er ein ambivalentes Verhältnis gegenüber Frauen an den Tag legte. Er mochte den weiblichen Part, doch sein Innerstes lehnte eine enge Bindung ab. Eine Folge seiner Initialisierung in die Burschenschaft. Das Erlebnis, das ihn sein Leben lang verfolgte und verfolgen würde. Während der letzten Jahre traf er einige Entscheidung für die Organisation, die jedem normalen Menschen schlaflose Nächte bereitet hätte. Ihm nicht. Nur dieses eine Erlebnis ließ ihn immer wieder aus dem Schlaf hochschrecken.

      Mittlerweile diente er im dritten Jahr als Adept der übergeordneten Organisation der Burschenschaft und des Firmenverbundes. Noch immer stand die erste Begegnung mit den ›Brüdern‹ vor seinem inneren Auge. Erst dort wurde ihm klar, wie gefährlich sich sein Leben entwickelte.

      Der Telefonanruf bestellte ihn zu einer Adresse in Herzogenrath. Peter fuhr mit gemischten Gefühlen in die Tiefgarage auf dem alten Fabrikgelände, die er nie und nimmer dort vermutet hätte. Der Zeitpunkt seiner Ankunft gab eine Toleranz von fünf Minuten vor. Ansonsten wäre


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