Heidesumpf. Herbert Weyand

Heidesumpf - Herbert Weyand


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öffnete er sie und trank aus der Flasche. »Der Fuchs ist der Depp, der jeden Kleinkram mit Begeisterung ausführt. Aber nicht jeder in dem Zirkel ist lieb. Ich sollte Demut lernen und deshalb jeden Kram ausführen, den mir ein halb verrückter Leibbursche auftrug.

      In der ersten Prüfung ging es um Hierarchie. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass alle Burschenschaften angeblich basisdemokratisch sind. Jeder besitzt, entsprechend der Satzung, die gleichen Rechte und Pflichten. Aber Papier ist geduldig. Tatsache ist, dass Handlanger vorgehalten werden, die einer kleinen Elite zuarbeiten. Das sind die äußeren, ich nenne es mal, Zirkel. Ab der vierten Ebene wird das Konstrukt undurchsichtig, weil niemand der ersten drei Ebenen weiß, wer dorthin gehört. Ein sogenannter ›Alter Herr‹ konnte alles oder nichts sein. Wie viele Abstufungen die Organisation hat, weiß ich nicht. Soweit bin ich nicht vorgedrungen.

      Der sogenannte Erstchargierte, sagen wir mal erster Vorsitzender, wechselte in regelmäßigen Abständen, wie die Satzung es vorschrieb. Doch diese Personen agierten meines Dafürhaltens als Marionetten und die tatsächlichen Drahtzieher saßen im Hintergrund. Germanicus ist mächtig und die Beziehungen reichen bis in die oberen Etagen von Wirtschaft und Politik.« Er nahm noch einen Schluck aus der Pulle und musterte, mit sichtbarer Begeisterung, die Zuhörenden, die an seinen Lippen hingen. »Über die zweite Prüfung erzähle ich ein anderes Mal. Oder soviel, dass ich als Kind an einer Phimose litt?«

      »Woran?«, fragte Claudia verständnislos.

      »Vorhautverengung«, brummte Heinz.

      »Richtig«, sagte Horn und wurde tatsächlich rot. »Das wurde mein Verhängnis oder die Vorsehung griff ein. Meine Vorhaut wurde damals beschnitten. Einer dieser Wichser sah das unter der Dusche und machte sofort Meldung an den Erstchargierten. Im Konvent wurde ich zur Rede gestellt, und als Jude und Türke beschimpft. Das war es dann mit meiner Karriere bei Germanicus.«

      »Unglaublich«, stellte Maria fest. Die Oberkommissarin war die Dritte von Claudias Vertrauten. Zweiundfünfzig Jahre alt und eins zweiundsechzig groß. Die einst frauliche Figur ging ein wenig auseinander, was jedoch nicht verhinderte, dass sie weiterhin körperbetonte Kleidung trug. Die Haarfarbe wechselte von Stimmung zu Stimmung. Das immer noch ansprechende Gesicht wirkte ein wenig überschminkt. Wer sie näher kannte, den störte das nicht, denn sie besaß eine Frohnatur und konnte nur dann richtig sauer werden, wenn sie ihren geliebten Computer verlassen musste. »Wichser ist noch ein gemäßigter Ausdruck.«

      »Was wissen Sie über die dritte Prüfung?«, fragte Claudia und stand auf, um hinter Maria zu treten, die ihr irgendetwas signalisierte. Auf dem Bildschirm prangte das Foto von Guido Horn, der den Monitor nicht einsehen konnte. Maria stöberte wieder einmal in den Personaldaten. Die Zugriffsrechte hielten sie nicht davon ab.

      Claudia nahm die Daten mit einem Blick auf. Baujahr 1985, also neunundzwanzig Jahre. Erfolgreiches Studium an der Polizeiuni. Für besondere Aufgaben bei der Wirtschaftskriminalität eingesetzt. Oberkommissar.

      »Leider nichts«, antwortete Horn, als Claudia ihn wieder anschaute. »Über die Prüfungen insgesamt wurde nicht gesprochen. Ich bin froh, dass ich da raus bin.«

      »Haben Sie Kontaktdaten?«, wollte Maria wissen.

      »Fünfzehn, zwanzig Personen werde ich zusammenbekommen.«

      »Gut«, sagte Claudia und musterte ihn lange und eindringlich. »Den Hinweis zu dem Brandmal werde ich nach Köln weiterleiten. Sie werden mit Frau Römer zusammenarbeiten und gehen die Namen durch, die Ihnen einfallen. Heinz und ich müssen jetzt zu einem anderen Termin.«

      *

      Fünfzehn

      »Diese Aachener Tussi von der Kripo ist an Germanicus dran.« Der ältere Herr, mit der grauen Wallemähne, schnupperte an seinem Rotweinglas, welches er, mit abgestrecktem kleinen Finger, hielt. Er war mittelgroß und sehr schlank. Sein Gesicht wirkte fast asketisch.

      »Hauptkommissarin Plum.« Der wuchtige große Mann wusste sofort, wen er meinte. Sein Gegenüber nickte. »Wenn jemand, dann ist klar, dass gerade sie es sein musste.«

      »Können wir sie noch zurückpfeifen?«

      »Wenn es nicht mit den drei Toten in Zusammenhang steht, die sie gerade bearbeitet, ist es wahrscheinlich möglich.«

      »Doch. Unmittelbar.« Der Erstere schüttelte bekümmert den Kopf. Sein Blick glitt durch das Hinterzimmer des Restaurants, das sie für ihre Zusammenkünfte nutzten.

      »Dann ist es so gut wie unmöglich. Wir müssen uns etwas einfallen lassen.«

      »Wie viele Füchse haben wir dieses Jahr?«

      »Acht.«

      »Die werden diesmal eine ältere Füchsin beglücken.« Selbstgefälliges Grinsen lief über sein Gesicht.

      »Du willst doch nicht …«

      »Doch«, unterbrach der Grauhaarige. »Genau das. Ich habe ein neues Mittel zur Probe. Es entspannt total und hält die Schleimhäute geschmeidig. Sie wird nie etwas beweisen können. Aber dafür die Finger von unserem Zirkel lassen.« Die Worte standen leidenschaftslos gesprochen im Raum.

      »Was weißt du zu den Toten?«

      »Burschen. Vielleicht sind sie jemandem auf die Füße getreten.« Der Schmale zuckte mit den Schultern. Mit anderen Worten: Was ging ihn das an.

      »Nein, nein«, der Schwergewichtige verneinte vehement. »Dagegen spricht die Todesursache. Die Täter haben die Pimmel verstümmelt und auf den Boden genagelt.«

      »Echt?« Dabei fuhr die Zunge über die Lippen. »Dann weiß eine Füchsin mehr, als sie wissen darf. Finde heraus, wer sie ist und lasse sie unschädlich machen.«

      »Du erteilst mir keine Befehle«, brauste der Große auf.

      »Mensch. Reg dich nicht auf. Das war kein Befehl. Du bist der Einzige von uns, der das erledigen kann. Du hast den Apparat an der Hand. Dafür machen wir andere Sachen, bei denen du dir deine Hände nicht schmutzig machst. Eine Hand wäscht die andere. Also schreite zur Tat.«

      Der Große nickte. »Die Plum … wer erledigt das?«

      »Das übliche Verfahren. Dann geht auch nichts schief.«

      *

      Sechzehn

      »Mein Nachfolger?«, fragte Heinz, als sie im Auto saßen.

      »Möglich. Ich möchte einige testen. Ich hab da noch zwei Kolleginnen und einen Kollegen im Auge. Horn ist neu und mir vorher nie aufgefallen. Mensch Heinz.« Sie musterte ihn mit einem kurzen wehmütigen Blick von der Seite. »Warum musst du so alt sein. Die drei Jahre in unserer Truppe sind die schönste Zeit, die ich bisher hatte.«

      »So lange bist du noch nicht auf der Welt«, brummte er gerührt. »Wohin fahren wir eigentlich?«

      »Stadtmitte. Wir treffen uns mit einigen Frauen. Hoffentlich sind die nicht sauer, dass ich dich mitbringe.«

      »Suffragetten?«

      »Wie gut, dass ich dich kenne. Kein Schwein weiß heute mehr, was Suffragetten sind.«

      Er seufzte. »Frauenrechtlerinnen?«

      »Na ja. Halbwegs. Nein. Ich würde sie als Opfer bezeichnen.«

      »Sag bloß, du hast eine Spur, von der ich nichts weiß?«

      Sie nickte.

      »Mensch lass dir die Würmer nicht aus der Nase ziehen.«

      »Später. Wenn die Mädels damit einverstanden sind, wirst du alles erfahren.«

      Er lehnte sich zurück. Keineswegs sauer. So war sie eben. Immer einen Schritt voraus.

      »Ich habe Kriminalkommissar Heinz Bauer mitgebracht. Er ist einer meiner nächsten Vertrauten, den ich einweihen möchte. So lautete


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