Heidesumpf. Herbert Weyand

Heidesumpf - Herbert Weyand


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die beiden allein.

      »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich habe noch etwas zu tun.« Sie stand auf und wollte gehen, als ihr Susanne eine Hand auf den Arm legte.

      »Bleiben Sie.« Sie hatte Claudias Musterung durchaus bemerkt und das Verstehen in ihren Augen gesehen. »Sie haben recht.« Aus einem Grund, den sie nicht kannte, erzählte sie ihre Geschichte.

      »Scheiße, Scheiße«, fluchte Kurt. »Weshalb bist du nicht zur Polizei gegangen. Und die kleine Gerlinde. Ich fasse es nicht.«

      »Keine Beweise. Als Frau bist du machtlos. Wir kennen die Schweine noch nicht einmal.«

      »Und jetzt«, fragte Claudia. Die drei Toten und die Geschichte, die sie gerade hörte, hingen zusammen.

      »Wir sind unsicher. Einerseits brennen wir darauf, den Schweinen das Handwerk zu legen, und andererseits ist der Gedanke an Selbstjustiz auch nicht fern.«

      »Das lassen Sie am besten«, warf Claudia trocken ein.

      »Wie bitte?« Susanne musterte Kurts Frau aufgebracht.

      »Wie ich es sagte. Zurzeit bearbeite ich einen Fall, der zu Ihrer Schilderung passt. Ach so …« Sie reagierte auf Susannes verblüfftes Gesicht. »Ich arbeite bei der Mordkommission.«

      »Oh Scheiße«, stöhnte Susanne.

      »Ist es nicht. Unser Gespräch ist privat und bleibt privat. Es wäre ja noch schöner, wenn ich Gespräche mit Freunden in der Arbeit verwende.«

      »Keine Sorge.« Kurt sah sie mitleidig an. »Du kannst dich auf Claudia verlassen.«

      »Wenn Ihr das sagt.« Susanne hätte sich in den Hintern beißen mögen. Einmal in all den Jahren erzählte sie von den Vergewaltigungen und schon geriet sie an eine Polizistin.

      »Ich mache Ihnen einen Vorschlag.« Claudia suchte konzentriert nach den richtigen Worten. »Das, was Ihnen geschehen ist, kann ich nicht gut machen und auch nicht nachvollziehen. Jetzt ist alles raus und wir müssen das Beste daraus machen. Sie sprechen mit den anderen Frauen und wir kommen dann wieder zusammen oder auch nicht. Vielleicht sollten wir dann noch ein oder zwei meiner Kollegen einweihen. Doch das entscheiden Sie und nicht ich. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, besitzen Sie Informationen, für die ich wochenlang recherchieren muss. Wir tun uns auf einer inoffiziellen Schiene zusammen.«

      »Der Vorschlag klingt gut. Ob die anderen mitspielen, weiß ich nicht.« Sie zuckte mit den Schultern.

      »Wenn ich richtig gerechnet habe, könnten noch fünfzig bis siebzig potenzielle Opfer leben. Was für eine Schweinerei. Und ihr kriegt die Nase nicht dran«, sagte Kurt vorwurfsvoll zu Claudia gewandt.

      Jetzt zuckte sie mit den Schultern. »Mordkommission. Sexualdelikte wollte ich nicht«, meinte sie lapidar. »Wir haben einige Tote, die uns Kopfzerbrechen bereiten«, sagte Claudia zu Susanne. »Der Verdacht, dass unsere drei Mordopfer aus den eigenen Reihen getötet wurden, liegt nahe. Aber daran glaube ich nicht. Dagegen spricht die Art und Weise, wie sie zu Tode kamen. Die Genitalien wurden verstümmelt. Alles deutet auf eine Frau oder mehrere. Einer solchen Organisation traue ich zu, die Zungen herauszuschneiden oder Ähnliches. Aber Geschlechtsteile … nein.«

      »Mag sein«, bestätigte Susanne, erstaunt darüber, dass ihr die Beamtin das erzählte. »Ich höre heute zum ersten Male von den Umständen, die zum Tod führten.« Susanne ging auf, dass Claudia sie verdächtigte. »Meine Mädels sind zu jung für eine solche Tat. Sie würden die Verbrecher umbringen. Da bin ich mir sicher. Aber nicht so kaltblütig. Ich könnte es. Aber leider hatte ich diese grandiose Idee nicht. Eigentlich schade.« Sie schüttelte gewollt bekümmert den Kopf.

      »Ich lass euch jetzt allein, weil ich tatsächlich noch einige Dinge erledigen muss. Ihr habt euch sicherlich noch einiges zu erzählen.« Sie ging nach oben zum Bad. Der Besuch von Kurts alter Bekanntschaft war ein Fingerzeig, das spürte sie. Claudia kannte den Ausdruck in Susannes Augen. Da war immer noch Angst und das nach Jahren. Aus dem Bericht der Frau ging zwar nicht hervor, wann sie vergewaltigt wurde, doch es musste einige Jahre her sein. Sie schüttelte die Gedanken ab. Nicht mal Pinkeln konnte sie ohne Arbeit.

      *

      Neun

      Heute nahm Peter zum vierten Male an einem Konvent teil. Er gehörte zu den wenigen, die, die zweite Zusammenkunft überstanden. Es geschah vor vierzehn Tagen. Damals kamen noch sieben junge Männer. Den anderen wurde die Sache wohl zu brenzlig. Jetzt saß er mit drei weiteren Personen in einem kleineren Raum des Hauses, das er bisher noch nicht von außen gesehen hatte. Er besaß keine Vorstellung, in welcher Gegend er sich befand. Die anfängliche Vermutung in Richtung Eifel revidierte er. Dazu war das Gelände, durch das sie fuhren, zu eben. Der Motor des Fahrzeugs lief ruhig und bewältigte kaum Steigungen.

      Während die jungen Leute warteten, sprachen sie nicht miteinander. Nicht, dass es einem Verbot unterlag. Es bestand nicht die Notwendigkeit zu einer Unterhaltung und wer wusste, ob sich ihre Wege noch einmal kreuzten.

      »Guten Abend.« Stefan betrat den Raum und sprach, während er Platz nahm, weiter. »Das Ausleseverfahren ist abgeschlossen. Mein Name ist Stefan.« Er sah sie abwartend an.

      »Peter«, sagte er nach einer kurzen Pause, als er realisierte, was der Lehrer von ihm erwartete.

      »Bastian, Marko, Michael«, zogen die anderen nach.

      »Kommt. Wir haben eine Kleinigkeit vorbereitet.« Er führte sie durch einen Flur zu einem anderen Zimmer, aus dem es köstlich duftete. Auf dem Tisch standen Gedecke für fünf Personen. Sie saßen kaum, als eine rundliche kleine Frau einen Servierwagen hereinschob, auf dem dampfende Schüsseln standen. Schweinebraten, Kartoffeln, Soße und verschiedene Gemüse.

      »Darf ich vorstellen: Frau Heinrichs, unsere Perle. An sie könnt ihr euch mit allen Fragen wenden.« Er stellte sie vor, während die Frau freundlich lächelte, jedoch nichts sagte.

      Sie speisten schweigend und hatten kaum die letzte Gabel in den Mund geschoben, da räumte Frau Heinrichs schon ab.

      Stefan deutete auf eine Sitzecke im Raum. Sie setzten sich und sahen ihn erwartungsvoll an.

      »Ihr seid also übrig geblieben. Habt ihr Fragen?« Er lächelte.

      Sie schüttelten unisono den Kopf.

      »Jetzt habt euch nicht so. Wir haben euch ausgewählt und ich wäre enttäuscht, wenn ihr keine Fragen habt.«

      »Wo sind die anderen?«, fragte Peter.

      »Selektion. Wir wollen nur die Besten«, antwortete Stefan lapidar.

      »Aber wie? Es wurden weder Fragen gestellt noch Prüfungen durchgeführt.« Marko warf die Frage und Bemerkung ein.

      »Die Fragen, die nicht gestellt wurden, sind entscheidend. Glaubt mir, ihr seid die Besten.«

      »Was geschieht jetzt weiter?«, wollte Peter wissen.

      »Wir pauken in der nächsten Zeit die ungeschriebenen Regeln. Ich gehe davon aus, dass ihr das Regelwerk, das der Gesetzgeber vorgibt, studiert habt.« Er wartete die stumme Bestätigung ab. Er griff blind hinter seinen Sessel und zauberte vier Briefumschläge hervor. »Hierin ist der Zugangscode zu unserem Konventhaus.« Er reichte jedem eine Briefhülle. »Merkt euch die zwölfstellige Zahl und vernichtet das Papier. Die Schließanlage ist so konzipiert, dass sie mehrere Tausend unterschiedliche Zutrittsberechtigungen verwalten kann. Und nicht nur dies. Jeder Zugang wird protokolliert. Ihr könnt jederzeit in dieses Haus kommen und studieren oder was ihr sonst tun wollt. Weiblichen Personen und anderen ist der Zutritt nicht gestattet. Zumindest nicht, bei dem Status, den ihr im Moment innehabt. Die Adresse dieser Zuflucht kommt nie über eure Lippen. Über alles, was hier oder in unserer Verbindung geschieht, fordern wir absolutes Stillschweigen, auch gegenüber euren Eltern, Freunden und Freundinnen oder Frauen. Damit ihr seht, dass ihr eine gute Wahl getroffen habt, ist hier euer Begrüßungsgeschenk. Geschenk ist der falsche Ausdruck, denn ihr werdet, wenn ihr später in eurem Beruf steht, alles zurückzahlen.« Er zauberte,


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