Dämonentreue. Dagny Kraas

Dämonentreue - Dagny Kraas


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Wagen durch die kleine Stadt zum Hafen. Cridan, der sich bäuchlings auf die Ladefläche gelegt hatte, beobachtete ihre Umgebung aufmerksam durch den kleinen Schlitz unter der Plane. Er war nach der Begegnung mit den Soldaten auf alles gefasst, doch zu seiner Erleichterung – und zu seinem leisen Bedauern – behelligte sie niemand mehr. In dem geschäftigen Treiben auf den Straßen fiel ihr Gefährt als eines unter vielen nicht auf.

      Am Hafen reihte Mert seinen Wagen in die Schlange der Karren ein, die darauf warteten, ihre Waren beim Hafenmeister anmelden und an den Mann bringen zu dürfen.

      Es war eine lange Wartezeit, in der die Sonne endgültig hinter dem Horizont verschwand und den Hafen und die Stadt in Dunkelheit tauchte. Der Handel am Kai ging jedoch im Schein der entzündeten Fackeln unvermindert weiter. Nur allmählich rückten sie in der Schlange auf und kamen dem langgestreckten Gebäude, in dem der Hafenmeister seine Geschäfte leitete, immer näher.

      Mert lenkte den Wagen schließlich so dicht an die Bretterwand des Hauses, dass Cridan sie mit ausgestrecktem Arm leicht hätte berühren können.

      So gut es bei den diffusen Lichtverhältnissen und unter der Plane hindurch ging, musterte er ihre Umgebung. Ein paar Schritte von ihnen entfernt befand sich eine Tür in der Wand. Sie schien unverriegelt zu sein.

      Mert legte die Zügel ab, sprang vom Kutschbock und näherte sich dem Karren hinter ihnen, auf dem ein zusammengesunkener, alter Mann saß. Cridan ließ ihn dabei nicht aus den Augen.

      Mert begrüßte den Alten freundlich und fragte dann: »He, weißt du, wie lange der Hafenmeister noch weitermacht? Es ist schon dunkel, und ich habe keine Lust, hier in meinem Wagen zu übernachten.«

      Der Alte lachte ein zahnloses Lachen und antwortete: »Na, der macht weiter, bis alle dran waren. Gibt Geld, weißt du?« Er deutete nach hinten.

      »Aber es sind ja nur noch eine Handvoll da. Die meisten sind schon wieder abgedreht und werden morgen wiederkommen. Erfahrungsgemäß geht’s auch schneller, je später es wird. Wenn die Händler weg sind, kauft der Hafenmeister die Waren auf und lässt sie ins Lager bringen. Morgen früh wird er sie dann gewinnbringend an den Meistbietenden verscherbeln.«

      Mert hob die Brauen. »Und das lasst Ihr Euch gefallen?«

      »Ach«, der Alte wiegte den Kopf, »so schlecht zahlt er nicht. Es springt immer noch genug für uns dabei heraus.«

      Er sah zu Merts Wagen und rieb sich die Nase.

      »Du bist nicht von hier, nicht wahr? Du klingst, als kämst du von draußen«, er deutete aufs Meer hinaus.

      Mert lächelte. »Stimmt genau. Ich komme von Gantuigh. Du bist von hier? Dann kannst du mir sicher sagen, wo ich eine anständige Herberge und einen Stall für mein Pferd finde, wenn ich mit dem Hafenmeister einig geworden bin.«

      Der Alte grinste breit.

      »Aber sicher. Du musst dort entlang«, er drehte sich auf dem Kutschbock seines Karren herum und zeigte nach hinten. »Siehst du da hinten das Licht?«

      Mert trat näher an ihn heran. »Welches meinst du? Die Wagen haben ja alle ihre Laternen an.«

      »Na, da hinten«, der Alte deutete erneut. »Komm, ich zeige es dir. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit.«

      Mert half ihm vom Kutschbock herunter, und der Alte ging mit ihm ein paar Schritte weit die Reihe entlang. Sie hatten ihnen den Rücken zugedreht.

      Cridan zögerte nicht lange. Er packte Tiko an der Schulter, machte eine auffordernde Geste, kroch unter der Plane des Wagens hindurch und ließ sich in den Schatten des Gebäudes fallen. Lautlos landete er auf allen Vieren. Kaum einen Herzschlag später folgte ihm Tiko auf demselben Weg.

      Ohne ein Geräusch zu verursachen, schlichen sie zwischen dem Wagen und der Wand entlang, bis sie die Tür erreicht hatten. Cridan öffnete sie behutsam ein Stück weiter und dankte im Stillen für die offenbar gut geölten Scharniere, dann schoben sie sich in das dunkle Innere des Gebäudes. Tiko zog die Tür hinter ihnen wieder zu und legte leise den Riegel vor.

      Finsternis umgab sie. Nur durch die schmalen Ritzen der roh behauenen Bretter drang Fackelschein von Merts Kutschbock zu ihnen hinein.

      Cridan lehnte sich an die Wand, schloss die Augen und lauschte. Er hörte die Stimmen von Mert und dem Alten, die sich ihnen wieder näherten.

      »… nicht mehr allzu lange dauern. Es ist nur noch ein Wagen vor mir. Ich sollte aufschließen. Vielen Dank für deine Empfehlung.«

      »Nichts für ungut. Pass auf dich auf. Nachts ist es hier am Hafen nicht sicher. Nicht einmal die Stadtwache taucht dann hier auf. Nach Mitternacht sollte man sich hier nicht mehr blicken lassen, wenn man noch alle Sinne beisammen hat.«

      »Nach Mitternacht, so?« Merts Schritte verklangen direkt vor der Tür. »Du meinst also, es wäre eine schlechte Idee, sich dann noch hier herumzutreiben? Komm, Brauner, noch ein paar Schritte. Gleich hast du Feierabend.«

      Das Klappern von Hufen und das knarrende Poltern der Räder verrieten Cridan, dass Mert mit seinem Wagen weiter vorrückte.

      »Eine sehr schlechte«, stimmte der Alte ihm zu. »Es sei denn, du legst Wert auf abgeschnittene Ohren.«

      »Schade«, kommentierte Mert. »Weißt du, ich kann schlecht schlafen, und ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, um Mitternacht einen kleinen Spaziergang einzulegen, damit ich müde werde. Ich hatte gehofft, ein wenig am Wasser entlanggehen zu können.«

      »Na, wenn du das machst, brauchst du dir keine Sorgen mehr ums Einschlafen zu machen«, kicherte der Alte. »Wohl aber ums Aufwachen! Nein, nein, lass das sein, wenn du auf einen gutgemeinten Rat hören willst. Und nun schau, dass du voran kommst, du bist ja gleich dran. Was heißt, ich auch. Und ich will heute noch nach Hause!«

      Cridan öffnete die Augen wieder und sah sich um. Schemenhaft konnte er ihre Umgebung erkennen – stapelweise Kisten, Kästen und Säcke standen um sie herum. Tiko hatte es sich vor einer großen Holzkiste bequem gemacht.

      Cridan setzte sich, wo er war, lehnte den Kopf gegen die Bretterwand und beschloss, eine Weile zu dösen. Sie würden mindestens bis Mitternacht warten müssen, das war ihm klar, und wenn alles weiterhin nach Plan lief, würden sie nachts segeln. Es war also nicht verkehrt, schon einmal ein wenig zu schlafen.

      Tiko stieß ihn mit dem Fuß an. »Was hast du vor?« zischte er.

      Cridan runzelte die Stirn.

      »Wonach sieht‘s aus?« gab er ebenso leise zurück. »Ich werde schlafen. Oder hast du einen besseren Einfall?«

      Tiko schnitt eine missmutige Grimasse. »Wie kannst du nur so viel schlafen?«

      Cridan grinste bloß. Er hatte in den Jahren an Skatarhaks Seite gelernt, dann zu schlafen, wenn er die Gelegenheit dazu bekam. Mindestens genauso oft gab es nämlich Zeiten, in denen Schlafmangel vorherrschte – und die kommenden Wochen auf See würden ihm einiges abverlangen. Er war fest entschlossen, die Zeit, die er noch hatte, zu nutzen.

      Also brummte er ein gedämpftes »Weck‘ mich, wenn irgend etwas ist«, zu Tiko hinüber, ließ das Kinn auf die Brust sinken und schloss die Augen.

      Unwillkürlich glitten seine Gedanken zum Kampf zurück, und er spürte erneut dieses Gefühl, als hätte er etwas wiedergefunden, das er lange vermisst hatte. Ohne dass er es wollte, legte sich seine Rechte auf den Schwertgriff und schloss sich darum.

      Zufrieden bist du, nicht wahr, flüsterte die leise Stimme in ihm. Du kannst es nicht verleugnen. Viel zu lange warst du fort, viel zu lange verbannt in die Sümpfe, aber einen T'han T'hau wie dich kann man nicht brechen! Du bist der ficha'thar, und wehe dem, der sich dir in den Weg stellt!

      Cridan schüttelte diesen gleichermaßen befreienden wie beunruhigenden Gedanken ab, verschränkte die Arme vor der Brust und beschloss endgültig, zu schlafen.

      3. Kapitel – Ein Lagerhaus im Hafen

      Als


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