Marattha König Zweier Welten Gesamtausgabe. Peter Urban

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Detail der abendlichen und nächtlichen Unterhaltung gierig aufgesogen und sich eingeprägt. Bereits während des unglückseligen Flandernfeldzugs war ihm klar geworden, wie kriegsentscheidend genaue Informationen waren. Hier in Indien – einem Land, das nicht nur unglaublich groß war, sondern auch fremdartig – war die nachrichtendienstliche Arbeit noch viel bedeutender. Ein britischer Offizier im Felde, der nicht nur über eigene britische und indische Armeeaufklärer verfügte, sondern überdies auf ein Netzwerk aus Informanten zurückgreifen konnte, wie Lutuf Ullah es besaß, würde erfolgreicher sein als ein Mann wie Frederick von York, der auf einem Kriegsschauplatz auftauchte und nicht einmal wusste, dass die winterlichen Verhältnisse an der Nordseeküste und im holländischen Flachland so grausam waren, dass eine besondere Ausrüstung für die Soldaten erforderlich war, um überhaupt kämpfen zu können.

      Arthur nahm sich vor, Lutuf Ullah in den nächsten Tagen einen weiteren Besuch abzustatten: Zum einen brauchte er unbedingt ein, zwei Reitpferde, zum anderen konnte er sich durchaus vorstellen, dass der Kontakt zu Lutuf Ullah in nicht allzu ferner Zukunft nützlich sein würde. Sir John Shore hatte ihm, Arthur, den Auftrag erteilt, den Plan für einen Schachzug gegen Spanisch-Manila zu entwerfen. Er würde dem Generalgouverneur ein paar weitere Vorschläge unterbreiten, die nicht mit diesem begrenzten Territorium zu tun hatten, sondern mit Englands Herrschaft über den gesamten Subkontinent. Es würde ein großes, aufregendes Spiel werden, ein wunderbares Abenteuer. Er würde niemandem von seinem Ausflug nach Hoara erzählen, und auch alle weiteren Ausflüge in diese fremde Welt mussten sein Geheimnis bleiben.

      Ausgestreckt auf seinem bequemen Bett und umgeben von der Ruhe einer indischen Sommernacht, war ihm eine Idee gekommen. Arthur war nun felsenfest davon überzeugt, dass ein ungefährliches, ruhiges Leben nur etwas für alte Männer und Schreiberlinge war.

      »Ich verstehe einfach nicht, wie ein vernünftiger Mann mitten in der Nacht aufstehen kann, um ein königliches Regiment durch die Dunkelheit laufen zu lassen, Arthur!« flüsterte Sir John Sherbrooke seinem Kommandeur zu, während 733 unausgeschlafene, murrende Rotröcke versuchten, Aufstellung zu nehmen und sich so die Rüffel ihres jungen Obersten zu ersparen. Major John Shee konnte das Trinkgelage der vorausgegangenen kurzen Nacht kaum verbergen. Mit tiefen, schwarzen Ringen unter den Augen stand er schlecht rasiert vor seinen Kompanien. Major Francis West hatte in der Nacht zwar weitaus weniger Alkohol konsumiert als sein Kamerad, war aber dennoch kaum zum Schlafen gekommen, da er der Einladung einiger alter Bekannter aus England gefolgt war, gemeinsam zu Abend zu essen und anschließend einige Partien Trick-Track im Offiziersclub von Kalkutta zu spielen. Major West hatte Glück gehabt: Ein gewisser Hauptmann Lord Clinton hatte eines seiner Poloponys an ihn verloren. West war ein Pferdenarr, und sein Gewinn hatte ihn in solche Aufregung versetzt, dass er das Tier um Mitternacht noch geritten hatte. Es war ihm mit großer Mühe gelungen, von Wesley ungesehen im letzten Moment zu seinen Kompanien zu stoßen und Aufstellung zu nehmen.

      Arthur legte den Kopf schief und grinste John Sherbrooke hinterlistig an. »Du solltest weniger feiern und meinem guten Beispiel folgen. Zeitig ins Bett und früh aus den Federn! Wo hast du dich denn gestern herumgetrieben, dass du heute so zerknittert aussiehst?«

      Auf Befehl ihrer Offiziere führten die Soldaten des 33. Regiments die vorschriftsmäßigen Übungen des Waffendrills aus. Ladestöcke schlugen hohl in leere Gewehrläufe, hölzerne Gewehrkolben hämmerten auf die trockene indische Erde.

      »Du hast wirklich etwas verpasst, Arthur! Der alte St. Leger versteht es, Empfänge zu geben – nur den besten französischen Champagner, Claret und Madeira in Strömen. Und seine Küche zählt zu den erlesensten in der ganzen Stadt. Außerdem hat er Humor. Er war ein wenig enttäuscht, dass du nicht mitgekommen bist, aber ich habe ihm erklärt, dass Sir John Shore dich am späten Nachmittag noch nach Fort William beordert hat. Aber heute Abend wirst du dich nicht drücken können. Connor McLeod vom 74. Hochlandregiment gibt ein großes Abendessen. Seine Frau hat ihm am letzten Sonntag einen kräftigen, gesunden Sohn geschenkt. Ganz Kalkutta und die besten Soldaten Englands sind eingeladen.«

      Wesley nickte. »Ich weiß. Das ist auch einer der Gründe, warum ihr in aller Herrgottsfrühe hier antreten müsst. Shore will einen Plan für einen Feldzug gegen Spanisch-Manila – und zwar schnell.«

      »Und er hat dich damit beauftragt! Gratuliere, Arthur! Wer den Plan entwirft, bekommt auch das Kommando ... und die Preisgelder dürften nicht zu knapp sein. Ich hab dir bei der Abreise aus Dublin ja gleich gesagt, dass du deine finanziellen Sorgen bald los sein wirst.« Wesley zuckte nur mit den Schultern. Was kümmerte ihn seine finanzielle Lage, wo er jetzt die Aussicht auf ein Kommando und einen abenteuerlichen Feldzug hatte? Er wollte in den Krieg ziehen und kämpfen und all den Unken und Kröten zu Hause beweisen, dass er nicht nur Richard Lord Morningtons dummer kleiner Bruder war.

      Nach einem anstrengenden Morgenappell, gefolgt von einem harten Marsch mit vollem Gepäck, versuchten die Männer des 33. Regiments sich so gut wie möglich zu erholen. Einige reinigten ihre Ausrüstung, andere waren damit beschäftigt, unter dem prüfenden Auge von Sergeant-Major John Dunn die Baracken zu kalken, während ihre Frauen putzten und schrubbten. Dunn hatte nach Wesleys Gefühlsausbruch vom Vortag ein paar große Holzzuber besorgt und durchgesetzt, dass auch der unwilligste Rotrock sein Hemd und seine Socken vorbeibrachte, um alles waschen zu lassen. Viele nörgelten, während Sergeant Robin Seward auf seiner Regimentsliste abhakte, wer befehlsgemäß seine Wäsche abgeliefert hatte. Jeder Mann erfuhr aus dem Mund des freundlichen jungen Schotten, dass Oberst Wesleys Sorge um seine Gesundheit mit vier Dimes pro Woche zu bezahlen sei – für die Regimentswäscherinnen und ein paar indische Hilfskräfte, die er vorsorglich angeheuert hatte.

      Arthur saß im Schatten duftenden Jasmins auf der kleinen Veranda seines Hauses. Vor ihm lagen große Karten ausgebreitet, und neben ihm stand eine Tasse Kaffee. Während seine Augen immer wieder auf imaginären Linien über die Landkarten reisten, kaute er nervös auf seinem Bleistift. Doch es war eine anregende Art von Nervosität, die einen Mann überkam, wenn er seiner Sache immer sicherer wurde. Von Zeit zu Zeit kritzelte Arthur ein paar Worte auf ein Stück Papier. Die Sache mit Spanisch-Manila war eigentlich ein Kinderspiel, wenn man sorgfältig eins und eins zusammenzählte.

      Vingetty, der indische Bedienstete, den Sir John Sherbrooke bereits einen Tag nach Ankunft des 33. Regiments in Indien eingestellt hatte, tauchte mit der Kaffeekanne neben ihm auf. »Darf ich Ihnen nachschenken, Wesley-Sahib?« erkundigte er sich in seinem harten, aber fehlerfreien Englisch. Arthur schrak zusammen. Er war zu tief in Gedanken versunken gewesen, um zu bemerken, dass jemand aus dem Haus auf die Veranda getreten war.

      »Ja, gerne!« erwiderte er auf Hindustani. Vingetty füllte schwarzen Kaffee in die Tasse. Dann wiederholte er freundlich und langsam die Hindustani-Worte, die sein Herr soeben benutzt hatte – allerdings in der richtigen Aussprache.

      »Danke!« Arthur lächelte ihm zu und warf einen Blick auf seine Taschenuhr, die er vor sich auf den Tisch gelegt hatte, um seinen geplanten Ausflug zum Pferdemarkt von Kalkutta nicht zu verpassen. Es war kurz vor Mittag, und er würde noch knapp eine Stunde an seinem Plan für Sir John Shore arbeiten können.

      »Was hast du vor, mein Freund?« tönte es aus dem angenehm kühlen Salon auf die Veranda hinaus, als Wesley seine Papiere wegpackte. John Sherbrooke hatte sich die Zeit mit Faulenzen vertrieben, doch den lieben langen Tag von Jemima zu träumen, wurde ihm doch ein wenig langweilig. Alleine wagte er sich kaum in die belebten Straßen von Kalkutta; deshalb hoffte er, dass sein Kommandeur nicht dienstlich fort musste, sondern private Pläne verfolgte.

      »Los, zieh dir deinen roten Rock über und vergiss Jemima, John! Vingetty hat mir genau erklärt, wie man zum Bhawanipur-Bazar kommt.«

      »Du willst dir ein Pferd kaufen?«

      »Wenn ich unentwegt zu Fuß gehe, schade ich dem Ruf des 33. Regiments. Die anderen werden noch denken, wir könnten uns nicht einmal mehr Beritt leisten.«

      »Hast du schon was Bestimmtes im Auge?«

      Wesley grinste wie ein Verschwörer. »Man hat mir einen Händler aus Kabul empfohlen, der die besten Tiere in ganz Indien anbietet.«

      Die beiden jungen Offiziere verließen gemeinsam die Kaserne bei Fort William. Zuerst mussten sie eine große Parklandschaft


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