Marattha König Zweier Welten Gesamtausgabe. Peter Urban

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      »Er ist das Fünffache wert«, flüsterte Arthur.

      »Chabuk sawai – du bist ein kluger Kopf. Das Zehnfache, Wesley. Du hast seinen Stammbaum noch nicht gesehen. Aber wenn ich ihn schon nicht behalten kann, dann soll ein guter Reiter dieses Tier besitzen, nicht einer von diesen Verrückten im roten Rock, die ihn umbringen werden, weil sie dauernd mit langen Stöcken nach kleinen Bällen schlagen wollen.«

      »Du magst Polo nicht, Lutuf?«

      »Ein unsinniges Spiel. Man reitet die Pferde zuschanden. Und wofür?«

      »Dieser hier wird nie auf einem grünen Rasen hinter einer Holzkugel her hetzen. Du hast mein Wort, Lutuf!« Arthur stieg vom Rücken des jungen Tieres und tätschelte ihm den Hals. »Ich bin mit dem Preis einverstanden. Lasse den Hengst heute Abend zu den Baracken des 33. Regiments bringen. Man wird dir dort dein Geld aushändigen.« »Shabash, shabash! Nimm das Tier mit, Oberst-Sahib! Als Zeichen meines guten Willens. Ich wollte dich vorhin mit dem Schwarzen nicht betrügen ... Heute Abend schicke ich dann meinen Bediensteten mit dem Stammbaum des Hengstes. Man soll ihm das Geld übergeben.«

      »Einverstanden!« Arthur schlug in die dargebotene Rechte des Kabuli. Der Pferdehandel war besiegelt. Zufrieden betrachtete er seinen Goldfuchs, während Kabir dem jungen Tier Sattel und Zaumzeug abnahm und ihm ein Halfter mit einem Führstrick überstreifte. Ohne ein weiteres Wort an Lutuf Ullah zu richten, verließ Arthur den Zentralplatz des Pferdemarktes. Er ging mit seiner Neuerwerbung zu John Sherbrooke, der, an einen schattenspendenden Baum gelehnt, ein Stück abseits vom großen Trubel auf seinen Freund und Kommandeur wartete. Interessiert und bewundernd glitten die Augen des Oberstleutnants über den Hengst. »Der Bärtige hat dich nicht betrogen, Arthur. Wieviel hat er dir für dieses Prachtexemplar abgeknöpft?«

      »Fast ein Geschenk. Er wollte nur sechzig Pfund, weil das Pferdchen sich ein bisschen unruhig verhält.«

      »Ich hab einen Moment lang geglaubt, das Pferdchen würde dir das Genick brechen ...«

      Mit strahlenden Augen tätschelte Wesley dem Fuchs den Hals. »Das Pferd, das mir das Genick bricht, ist noch nicht geboren, mein Freund.

      Du brauchst nur Geduld und Ruhe und darfst nie grob zu ihnen sein ... Wenn du sie liebst, lieben sie dich auch und lassen dich nie im Stich. Hast du kein Tier gefunden, das dein Herz höher schlagen lässt?«

      »Ehrlich gesagt, Arthur, ziehe ich es vor, den Schimmel zu kaufen, den St. Leger mir gestern gezeigt hat. Zumindest benimmt er sich, wie es sich für ein ordentliches britisches Pferd geziemt.«

      Der Oberstleutnant war nicht besonders abenteuerlustig. Zu Hause in England warteten ein großes Erbe und ein Sitz im Oberhaus auf ihn. Er wollte sich in Indien, diesem schrecklichen Land, nicht auch noch den Hals brechen, wo er schon riskierte, an irgendeiner unbekannten, grauenvollen tropischen Krankheit zu sterben oder von den Spaniern totgeschossen zu werden. Er hatte seinen Vater gebeten, ihm ein Offizierspatent zu kaufen, weil er sich ein wenig gelangweilt hatte und eine schmucke Uniform die jungen Damen der Gesellschaft stets beeindruckte. Er hatte nicht vor, sein ganzes Leben als Soldat zu verbringen.

      Während des gesamten Rückwegs durch den »maidan« redete Arthur munter auf das Pferd ein. John Sherbrooke fühlte sich von der angeregten Unterhaltung naturgemäß ausgeschlossen, doch er kannte seinen Kameraden schon so lange, dass er ihm verzieh. Wesley liebte Pferde über alles, und das Prachtexemplar, das er gerade auf dem Markt von Bhawanipur gekauft hatte, bedurfte mehr seiner Zusprache als der britische Oberstleutnant, der eine fremde Stadt mit fremden Geräuschen, fremden Gerüchen und neuen Eindrücken auch alleine verhältnismäßig zuversichtlich und furchtlos zu durchqueren vermochte. Das Füchschen tänzelte zwar und sprang auch ab und an erschrocken zur Seite, legte aber zutraulich die Ohren nach vorne und hörte seinem neuen Herrn aufmerksam zu.

      John Sherbrooke konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Jedesmal wenn ich solche Dinge über meine Jemima sage, beschwert er sich, aber selbst ... Augapfel! Kleine Schönheit! Perle! Was muss der arme Gaul sich alles anhören!«

      Während die Offiziere des 33. Infanterieregiments sich für die Abendgesellschaft bei ihren Kameraden vom 74. Hochlandregiment umkleideten und John Sherbrooke sich bei einem Glas kühler Limonade von seinem anstrengenden Nachmittag im Herzen Kalkuttas erholte, stand der Kommandeur des Regiments mit strahlenden Augen am Zaun der kleinen Koppel hinter den Stallungen und beobachtete seinen blutjungen Goldfuchs, der wie ein Fohlen durch die Gegend tobte und wilde Bocksprünge machte. Er dachte in diesem Augenblick weder an Sir John Shore und Spanisch-Manila noch an seine Idee vom geheimen Nachrichtendienst, der die Soldaten Englands mit wichtigen politischen und militärischen Informationen versorgen sollte, während sie im Felde standen. Auch die anstehende Feier der Geburt von Connor McLeods erstem Sohn schien er vergessen zu haben. Erst als all seine Offiziere abmarschbereit und in schmucken Uniformen hinter ihm standen, wandte er seinen Blick von dem Hengst ab.

      »Er ist traumhaft schön, Sir«, flüsterte Major Francis West leise. Arthur nickte nur glücklich und atmete ein paarmal tief durch, um sich von den Ereignissen dieses denkwürdigen Nachmittags zu erholen. »Hat er schon einen Namen?« erkundigte sich West. Er war der zweite Pferdenarr des 33. Regiments und stand in nichts hinter seinem Kommandeur zurück, wenn es um Vierbeiner ging.

      »Eochaid«, antwortete Arthur leise, als würde er mit sich selbst und nicht mit seinem Untergebenen sprechen.

      »Ein schöner Name, Sir. Das sagenumwobene weiße Pferd des Krieges, auf dem Morrigan in die Schlacht reitet.«

      »Sie kennen die Geschichte?« Der Oberst war ein wenig verwundert, dass ein junger Mann, der in der schottischen Grafschaft Berwick zur Welt gekommen war, über eine uralte Sage seiner grünen Insel Bescheid wusste.

      »Auch wir Männer aus den Lowlands haben noch ein bisschen keltisches Blut in den Adern, Sir«, erwiderte West grinsend.

      »Geben Sie mir zehn Minuten Zeit, meine Herren! Dann können wir uns auf den Weg zum 74. Regiment machen.« Arthur verließ die Offiziere eilig und begab sich ins Haus. Vingetty, der indische Diener, war inzwischen unruhig geworden. Die neue Uniform und ein frisch gebügeltes und gestärktes Leinenhemd lagen auf dem Bett des Obersten.

      Gerade noch pünktlich erschienen die Offiziere des 33. Regiments und ihr Kommandeur im Haus von Connor McLeod. Die heiße Vormonsunzeit war auch die Zeit der Festlichkeiten, Hausbälle und Empfänge in der kleinen britischen Kolonie von Kalkutta.

      McLeod hatte keine Kosten und Mühen gescheut und die Feier besonders prächtig ausrichten lassen – nicht nur, weil man die Geburt seines sehnlich erwarteten Sohnes feierte, sondern auch, weil die Iren an diesem Tag ihrem Schutzpatron St. Patrick die Aufwartung machten. Die meisten Männer in der Kolonie waren irischer oder schottischer Herkunft, und Oberst McLeod hatte eben diesen Abend für die denkwürdige Feier ausgewählt, um auch seinen Kameraden von der grünen Insel eine Freude zu bereiten.

      Das Haus, das der Kommandeur des 74. Hochlandregiments mit seiner Frau und einer ganzen Schar von Bediensteten bewohnte, lag in Chinsurah, ein Stück außerhalb der Stadt. Es war eher ein kleines Schloss als ein Haus: Aus schweren Lehmziegeln erbaut, zierten barock anmutende Stukkaturen und blumenumrankte Veranden auf dorischen Pfeilern die Fassade. Der große, parkähnliche Garten stand in voller Blüte, und der schwere Duft von Jasmin und Rosen erfüllte die Luft dieser warmen Sommernacht. Entlang der Auffahrt zu Connor McLeods kleinem »Chateau« brannten Laternen, und das Gebäude selbst war von tausend Kerzen hell erleuchtet. Aus dem Inneren drangen Musik und Lachen zu den Offizieren des 33. Regiments in den Abend hinaus.

      »Meine Herren, ich möchte Sie alle bitten, sich ordentlich zu benehmen und dem Regiment keine Schande zu machen«, flüsterte Arthur seinen Männern leise zu. Sein Blick war dabei auf Major John Shee gerichtet. Dann wandte er sich einem livrierten Majordomus zu und bat ihn, das 33. Regiment bei Oberst McLeod zu melden. Der schottische Offizier stammte aus einer einflussreichen und sehr wohlhabenden alten Familie, die traditionsgemäß seit den Tagen des großen Clive ihre Söhne zum Dienst nach Indien schickte. Die große Villa gehörte den McLeods bereits seit einem knappen Jahrhundert.

      Immer wieder entsandte das 74. Regiment Rekrutierungsoffiziere


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