Im Zeichen des Rosenmonds. Karl-Heinz Biermann
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Karl-Heinz Biermann
Im Zeichen des Rosenmonds
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Inhaltsverzeichnis
Im Zeichen des Rosenmonds
Roman
von Karl-Heinz Biermann
1
Zunächst streifte Yusuf ihn nur in einem flüchtigen Augenblick, aber er schaute genauer hin, als ihm auffiel, wie der Mann dort draußen auf der anderen Straßenseite die Dienste der Kollegen ablehnte, die ihre Fahrzeuge ordentlich hintereinander abgestellt hatten und auf Kundschaft warteten. Jedes Mal, wenn ein Taxi an die vorderste Stelle aufgerückt war und der Fahrer anbot, ihn zu befördern, indem er ihm die Tür aufhielt, schüttelte der Mann mit dem Kopf. Yusufs Fahrzeug war das letzte in der Reihe und erst als die vorderen Taxen nach und nach wegfuhren und er an der Reihe war mit seinem aufzuschließen, beendete er bedächtig sein Frühstück, zahlte und ging über die Straße hinüber zu seinem Wagen.
Der Mann stand immer noch in der Nähe und jetzt bemerkte Yusuf den Koffer, den er in seiner Hand hielt. Er musste ihn schon die ganze Zeit über getragen haben und Yusuf sah, dass es ein recht kleiner Koffer war.
Er startete den Motor und ließ den Wagen ohne Gas zu geben, nur durch den Antrieb des Automatikgetriebes, weiter nach vorne rollen; er stand jetzt als Dritter in der Kolonne. Hinter ihm fanden sich zwei Taxen ein, die von ihren Touren zurückkamen und sich langsam heranschoben. Yusuf sah, wie der Mann die angekommenen Kollegen offensichtlich in Augenschein nahm, unbeweglich, aber mit festem Blick, genauso, wie er selbst von ihm vorhin gemustert worden war, und jetzt bemerkte er auch, dass dem Mann wohl noch zwei größere Koffer gehörten, sie standen auf den grauen Platten des Gehweges direkt neben ihm.
Keiner von den Kollegen nahm mehr Notiz von ihm, nur Yusuf behielt ihn im Auge. Wahrscheinlich fremd in der Stadt, dachte er. Gepflegt, moderner Anzug, sauber sitzende Frisur, gesunde, leicht gebräunte Gesichtsfarbe; einer von denen, die jede Woche dreimal ins Fitness-Studio gingen. Für so etwas hatte er nichts übrig. Zwar fand er, dass er trotz seines Alters Sport nötig hätte; sein Übergewicht störte ihn manchmal sehr, aber er war nur zu faul sich zu bewegen.
Er sah wieder zu dem Mann hinüber. Der kam ihm vor wie einer dieser blonden Typen in den Modeprospekten. Er schätzte ihn auf knapp vierzig. Er spürte, wie er wieder fixiert wurde, minutenlang, und sah dann, wie der Mann die beiden Koffer nahm, während er sich den kleineren unter den Arm klemmte und an das Taxi herantrat.
Yusuf schwang seinen fülligen Körper aus dem Wagen, was ihm bei seiner Arbeit keine Mühe machte; er war es gewohnt aus dem Sitz zu schnellen und den Fahrgästen die Tür aufzuhalten. Immer machte er das nicht, es kam auf die Leute an. Er unterschied nach denen, die nach Geld aussahen, und solchen, von denen er aufgrund ihres Erscheinungsbildes annahm, dass sie weniger gut situiert waren. Auch bei jüngeren, gut aussehenden Frauen sprang er beflissentlich aus dem Auto.
Er öffnete den Kofferraum und wuchtete die beiden größeren Gepäckstücke hinein. Danach streckte er die Hand aus, um auch den kleinen Koffer entgegenzunehmen, aber der Mann hob abweisend die Hand und schob ihn auf die Rücksitze und nahm daneben Platz. Yusuf zuckte mit den Schultern und schlug den Kofferraumdeckel zu. Er ließ den Wagen an und fuhr langsam auf die Hauptfahrbahn.
„Wohin?“ Er schaute in den Rückspiegel.
„Hotel Atlantic.“
Yusuf nickte. Er sah seine Einschätzung des Mannes bestätigt.
„Gibt es da in der Nähe einen guten Italiener?“, fragte der Mann.
„Sie meinen ein Restaurant?“
„Natürlich ein Restaurant!“
„Oh ja, da gibt es sogar zwei.“
„Um essen zu gehen genügt mir ein einziges Restaurant“, sagte der Mann schroff.
Yusuf entschied sich für das „La Fattoria“, weil er dort manchmal zum Dank ein Essen spendiert bekam, wenn er Gäste brachte, sozusagen als Provision.
„Ich kenne da ein sehr gutes, ich kann sie hinfahren.“ Er blickte erwartungsvoll in den Rückspiegel. Der Mann regte sich nicht. Er schien das musternde Interesse an ihm verloren zu haben, denn er schaute zum Fenster hinaus.
„Fahren Sie erst zum Hotel“, sagte er nach einer Weile. „Sie sind Türke, nicht wahr?“
„Sicher, ja, ich bin in der Türkei geboren, wenn Sie das meinen. Warum?“
„Sind Sie schon lange in Deutschland?“, fragte der Mann und schaute dabei immer noch aus dem Fenster.
„Über dreißig Jahre.“
„Dann kennen Sie sich in der Türkei gar nicht mehr aus? Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Heimat?“
„Verwandte leben dort.“
„Und die besuchen Sie regelmäßig?“
„Früher bin ich fast jedes Jahr da runter.“ Yusuf äugte in den Rückspiegel und sah, wie sich ihre beiden Blicke im Spiegel begegneten. „Als ich jünger war, habe ich oft meinen Cousin in Izmir besucht.“
„Ich nehme an, dass Sie mit dem Auto dorthin gefahren sind.“
Yusuf bremste das Taxi ab, vor ihnen staute