Im Zeichen des Rosenmonds. Karl-Heinz Biermann

Im Zeichen des Rosenmonds - Karl-Heinz Biermann


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gebe Ihnen die Adresse eines Händlers in Istanbul, dem Sie das Taxi verkaufen“, fuhr Blohm fort. „Und jetzt hören Sie genau zu: Von ihm bekommen Sie auch ein anderes Auto für die Rückfahrt und in diesem Auto werden Diamanten versteckt sein, gut versteckt, und Sie fahren damit zurück. In Hamburg wird der Wagen wieder verkauft und auch das Geld dafür können Sie behalten!“

      „Halt, warten Sie.“ Yusuf drehte sich in seinem Sitz so weit es ging nach Blohm um. „Das kann ich nicht tun, das ist nichts für mich. Danke, nein.“ Er hob wie zum Schutz die Hände, so, als wollte er sich hinter ihnen verbergen.

      Blohm beugte sich vor. „Was kostet ein nagelneues Taxi? Dreißigtausend?“

      „Vierzigtausend, aber lassen Sie es gut sein, das kann ich nicht machen.“

      „Weil Sie Angst haben, erwischt zu werden? Das Risiko ist geringer, als Sie vermuten, und Sie werden reich dabei.“

      „Reich?“, höhnte Yusuf. „In den Knast werde ich kommen. Warum gehen Sie nicht selbst da runter, warum nehmen Sie nicht das Flugzeug?“

      „Sie kriegen doch keine Diamanten in ein Flugzeug! Ich erkläre Ihnen, wie es funktioniert“, sagte Blohm. „Wenn Sie als Türke mit einem Auto einreisen, noch dazu in einem Taxi, welches Sie in der Türkei verkaufen wollen, so ist das für die Beamten an der Grenze ganz plausibel. Jeden Tag werden gebrauchte Taxen über die Grenze verschoben, Ihre türkischen Kollegen sind da ganz heiß drauf.“

      „Aber man kann doch hinfliegen und dort das Auto übernehmen. Wieso sollte ich erst mit dem Taxi da runter?“

      „Wenn Sie mit dem Flugzeug einreisen und mit dem Auto wieder ausreisen, ist das für die Behörden ungewöhnlich und sie schöpfen Verdacht. An der Grenze sehen die doch die Stempel in Ihrem Pass.“

      „Und wie kriegen Sie die Diamanten über die Grenze?“, wandte Yusuf ein. „Was ist, wenn die das Auto auseinandernehmen?“

      „Jetzt kommt Ihr Schwager in Istanbul ins Spiel.“

      „Aber ich habe keinen Schwager.“

      „Wieso? Sie sagten doch, Sie hätten einen Schwager in Istanbul.“

      „Das habe ich doch nur so gesagt, es ist eine türkische Redewendung.“ Im Rückspiegel sah Yusuf, wie Blohm nachdachte.

      „Gut, das ändert den Plan nur wenig. Wir brauchen ja nur jemanden, der das Auto über die Grenze bei Edirne bringt, jemanden, dem wir vertrauen können. Haben Sie da einen?“

      Yusuf wollte nicht mehr zuhören, er ließ den Wagen an. Jetzt wurde es ihm immer undurchsichtiger. Wie sagte dieser Blohm? Diskreter Taxifahrer? Blödsinn, dachte er. An seiner Schulter spürte er eine Berührung und vernahm Blohms ruhige Stimme.

      „Mit dem Geld von dem Verkauf der beiden Autos und einer zusätzlichen Summe, die Sie von mir bekommen werden, haben Sie das Geld für die Anschaffung Ihres neuen Taxis, egal wie teuer es ist.“

      „Vierzigtausend Euro? So viel ist Ihnen das wert?“ Yusuf drehte sich wieder nach ihm um.

      „Vierzigtausend, plus eine kleine Summe für jemanden, den wir für unser Geschäft noch brauchen. Was ist mit Ihrem Cousin in Izmir?“

      Yusuf stellte den Motor wieder ab.

      „Wozu brauchen wir eigentlich noch jemanden, wenn ich den Wagen genauso gut über die Grenze bringen kann?“

      „Das erkläre ich Ihnen gleich, wenn Sie dem Geschäft zustimmen.“

      „Das ist ein einfacher Bauer, ich glaube nicht, dass wir ihn ins Vertrauen ziehen können. Wieso vertrauen Sie mir eigentlich? Was wäre, wenn ich jetzt zur Polizei ginge?“

      „Was wollten Sie denen sagen? Dass ich Sie zum Essen eingeladen habe als Dank dafür, dass Sie mich in Hamburg herumfahren?“

      „Und wenn ich die Behörden in der Türkei informieren würde?“

      „Ich melde das Auto dann eben als gestohlen“, entgegnete Blohm süffisant, „beweisen Sie dann dort mal etwas anderes. Und auf der Rückfahrt können Sie’s auch nicht machen, da haben Sie schon die Diamanten dabei. Sie müssen es sich jetzt genau überlegen und entscheiden: Ein neues Taxi und Sie imponieren Ihrer Frau mit einem eigenen Geschäft oder Sie leben Ihren alten Trott weiter. Ich biete Ihnen eine große Chance! Und bedenken Sie, es gibt absolut kein Risiko. Sie werden das erkennen, wenn Sie erst einmal meinen weiteren Plan kennen.“

      Yusuf war verstört, er wusste, dass es schon lange nichts mehr gab, womit er seiner Frau imponieren konnte. Sie war sehr kritisch geworden in den letzten Jahren und nahm nichts mehr so widerspruchslos hin wie früher. Am Anfang ihrer Ehe steckten sie voller Pläne, aber er hatte nie den Sprung geschafft wie manche seiner Landsleute, die einen Gemüsehandel oder ein Reisebüro ihr Eigen nennen konnten. In die Fabrik wollte er nicht und das einzige, was ihm noch gefiel, war die Arbeit als Taxifahrer, und er fuhr bis heute gerne Taxi. Sie hatten ihr Auskommen, die Ansprüche waren weniger geworden, die Kinder groß. Widerstrebend wollte er in Erfahrung bringen, wie Blohms Plan aussah. Ob es wirklich kein Risiko bei dieser Geschichte gab, wenn auch sein Verstand ihn wegen der Brisanz warnte. Es ging hier um etwas, das ihm bisher niemals in den Sinn gekommen war.

      „Nun?“, forderte Blohm eine Antwort.

      Yusuf wiegte seinen Kopf langsam hin und her. „Nein“, sagte er, „es ist mir doch zu gefährlich.“

      „Dieser Auftrag ist das Geschäft Ihres Lebens; nur der lange Weg hin und zurück ist vielleicht das Anstrengendste an dieser Reise.“

      „Das Fahren macht mir nichts aus.“

      „Was hindert Sie dann?“

      „Ich kann es nicht sagen, es hört sich zwar verlockend an, aber …“ Yusuf hielt inne.

      „Aber …?“, forschte Blohm.

      Yusuf zog die Schultern hoch.

      „Ihnen fehlt der Mut.“ Blohm ließ sich zurück in den Sitz fallen. „Vielleicht zögert ein Kollege von Ihnen nicht so lange.“

      Yusuf fühlte, dass er zwischen zwei Stühlen saß. Er wusste, dass er zu weit auf Blohm eingegangen war und eigentlich auch nicht mehr zurückwollte, und es ärgerte ihn.

      „Ich mach’s für Fünfzigtausend.“ Er hörte seine Stimme, als sei sie fremd, und sie klang wie von weit her.

      „Fünfzigtausend!“ Blohm dehnte das Wort langsam, als er es wiederholte. Er beugte sich wieder vor. „Na, und wie Sie handeln können. Das ist sehr viel Geld, aber bitte.“

      „Sie verdienen dabei bestimmt das Zehnfache.“ Yusuf erwartete eine ausgestreckte Hand, wie bei einem Geschäftsabschluss, aber Blohm lehnte sich wieder zurück in die Polster und Yusuf war froh darüber.

      „Also, in Istanbul übernehmen Sie besagtes Auto, fahren mit einer Person des Vertrauens, die wir noch ausfindig machen, zurück zur Grenze bei Edirne. Dort übernimmt Ihr Begleiter, Ihr Cousin oder wer auch immer, das Auto und bringt es über die Grenze. Sollte die Grenzpolizei wider Erwarten das Auto ausein­andernehmen, werden sie nichts finden!“

      Blohm machte eine Pause und grinste und Yusuf spürte, wie er von ihm dabei lauernd beobachtet wurde.

      „Die können nichts finden“, fuhr Blohm bedeutungsvoll fort, „denn noch bevor Ihr Begleiter über die Grenze fährt, bringt er Sie nördlich von Edirne in eine einsame Gegend, die von der Grenzpolizei nicht kontrolliert wird. Sie nehmen die Diamanten an sich, der Autohändler in Istanbul wird Ihnen zeigen, wo sie im Auto versteckt sind. Dann bringen Sie die Diamanten zu Fuß über die grüne Grenze rüber auf die andere Seite, auf bulgarischen Boden, und Sie warten dort, bis Sie von Ihrem Begleiter wieder abgeholt werden. Er weiß ja, wo genau er Sie auf der anderen Seite erwarten kann. Nun, wie finden Sie das?“

      „Wo sind Sie eigentlich während der ganzen Zeit?“

      „Bei Ihnen!“ Blohm sagte es so, dass es charmant klang,


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