Im Zeichen des Rosenmonds. Karl-Heinz Biermann

Im Zeichen des Rosenmonds - Karl-Heinz Biermann


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obwohl das Automatikgetriebe ständig schaltete, stellte Yusuf wieder mangelnde Durchzugskraft fest. Der Wagen neigte auch dazu, hinten leicht auszubrechen. Er wusste, dass dem Auto die modernste Technik fehlte, und wirkte dem entgegen, indem er die Kurven schnitt, wenn es der Verkehr zuließ. Aber er wunderte sich, denn sie waren nicht übermäßig beladen. Er wollte Blohm wieder darauf aufmerksam machen, offenbar schien der davon nichts zu spüren, aber er wollte ihn schließlich nicht stören, sein Fahrgast neben ihm las in einer Zeitschrift.

      Bei Sibiu fuhr Yusuf das Taxi an eine Tankstelle und während sie vor der Zapfsäule standen, unternahm er den Versuch, unter das Fahrzeug zu schauen. Es strengte ihn an, denn sein fülliger Körper hinderte ihn beim Bücken und so war es ihm nicht möglich, einen Blick unter das Auto zu werfen.

      Blohm, der um den Wagen herumkam, raunzte ihn an. „Was wälzen Sie sich denn da im Dreck herum?“

      „Wenn ich doch nur die Achsen kontrollieren könnte, merken Sie denn nicht, wie der Wagen in manchen Kurven schwimmt?“, rechtfertigte Yusuf mit ächzender Stimme seine vergebliche Inspektion, als er wieder hochkam.

      „Da ist nichts, ich kenne den Händler, er hat uns keinen Schrott verkauft. Sie werden in Istanbul schon Ihre Fünfzehntausend dafür bekommen.“

      „Wir könnten ihn dort auf die Hebebühne stellen.“ Yusuf zeigte auf die offene Halle hinter der Tankstelle. „Das geht ganz schnell.“

      Blohm wehrte ab. „Wir fahren weiter. Die Hälfte haben wir ohne Probleme schon hinter uns, die andere schaffen wir genauso.“

      „Sie fahren ja nicht“, maulte Yusuf und zerrte an den Reifen, um wenigsten diese zu prüfen. Er war wütend über Blohms Gleichgültigkeit. Während der Weiterfahrt ärgerte er sich immer noch über dessen strikte Weigerung, das Taxi aufzubocken.

      Im flachen Gelände um Bukarest herum lief der Wagen ganz normal, wie er auch auf dem größten Teil der Reise gefahren war. Aber schon die leichten Anstiege kurz vor der bulgarischen Grenze, der sie am Nachmittag entgegenfuhren, schaffte das Taxi nicht ohne diese Auffälligkeiten.

      Um siebzehn Uhr verminderte Yusuf die Geschwindigkeit, Schilder wiesen auf die nahe Grenze, und kurz darauf sah er die Grenzbeamten vor den Durchlässen und wie einer von ihnen sie heranwinkte. Dann sah er, wie sich die flache Hand des Polizisten hoch erhob und sich ihnen entgegenstreckte, zum Zeichen, dass sie stoppen sollten.

      3

      Yusuf schlurfte über den langen Gefängnisflur. In den Händen trug er das graue Paket der Gefangenenkleidung und mit weit vorgestreckten Armen hielt er es von seinem Körper weg. Nur schemenhaft lief das Vergangene vor seinen Augen ab. Angestrengt wollte er an das, was hinter ihm lag, zurückdenken, sah aber ständig Blohm vor sich, immer nur Blohm, groß und bedrohlich. Widerstrebend trat er in die Gefängniszelle und ihm wurde erst bewusst, dass er für lange Jahre seine Familie nicht mehr wiedersehen würde, als hinter ihm die schwere Zellentür mit stählernem Krachen ins Schloss fiel.

      Er schreckte auf. Das grelle Licht der hoch stehenden Mittagssonne traf sein Gesicht. Blohm hatte den Kofferraumdeckel zugeworfen, wovon er wach geworden war, und noch von den Ängsten seines Traumes benommen, stellte er die Rückenlehne nach vorne. Er schaute Blohm nach, wie der mit einem seiner Koffer in der Hand schräg über die Straße ging und dann bei einem Straßenschild stehen blieb, das wohl eine Bushaltestelle markierte, wie Yusuf zu erkennen glaubte.

      Er sah auf die Uhr, es war fast eins. Er musste eingeschlafen sein, kurz nachdem sie hier um zwölf Uhr angekommen waren. Was für ein Albtraum, dachte er. Er stieg aus und reckte sich im grellen Licht der Sonne.

      Er blickte die Straße weiter runter und sah das Ortsschild. Er konnte den Namen auf dem Schild in der flirrenden Luft nicht lesen, es interessierte ihn auch gar nicht, wie das bulgarische Dorf nicht weit von Khaskovo hieß. Blinzelnd schaute er zu Blohm hinüber, der an der Haltestelle stand, und er fand dieses Bild komisch, wie einer im Maßanzug und mit einem Koffer neben sich in der prallen Sonne an einer öden Landstraße regungslos auf den Bus wartete. Dann bemerkte er, wie Blohm zu der Kreuzung sah, die vielleicht zweihundert Meter abseits lag und den kleinen Ort mit der Fernstraße E 80 in die Türkei verband. Mit jeder Minute rechnete Yusuf, den Überlandbus kommen zu sehen, denn Blohm hatte ihn während der Fahrt von Ruse hier herunter immer wieder angetrieben, damit er den Bus nicht verpasste, der nur einmal am Tag an diesem Ort vorbeikam, wie er es ihm erklärt hatte. Offenbar war Blohm bestens informiert und jetzt begriff Yusuf auch, warum er ihn immer auf die Stunde genau hatte fahren und Pause machen lasen. Es war genauestens abgestimmt und so waren sie hier pünktlich angekommen, sogar eine Stunde früher, in der er geschlafen und schlecht geträumt hatte.

      Blohm war eingestiegen und der Bus ließ eine Staubfahne hinter sich, als er das kurze Stück auf der Landstraße zurück zur Kreuzung fuhr. Yusuf ließ das Taxi an und bog wenig später genauso auf die E 80 Richtung Edirne ab, wie es der Bus zuvor gemacht hatte. Blohms Anweisung war, immer in der Nähe des Busses zu bleiben, quasi in Augenkontakt mit ihm, wie er sich ausdrückte. Über die Grenze hinaus, die jetzt noch eine knappe Stunde entfernt lag, und bis nach Istanbul. Dort war für den Abend, wenn sie angekommen waren, ein Treffpunkt ausgemacht worden, falls sie sich doch aus den Augen verlieren würden. Blohm nannte ihm ein Hotel in Fatih, im südlichen Teil von Istanbul, auf der europäischen Seite an der Einmündung des Bosporus. Yusuf glaubte, diesen Stadtteil von Istanbul nicht zu kennen, jedenfalls erinnerte er sich nicht an diesen Namen, aber er besaß für alle Fälle einen Stadtplan, den Blohm ihm dagelassen hatte.

      Jetzt, da er Blohm nicht mehr neben sich spürte, wünschte er sich eine Gelegenheit, unter das Auto zu schauen. Obwohl er ihn in dem Bus einige hundert Meter weiter vor sich wusste, fühlte er sich immer noch unter seiner Kontrolle und es ärgerte ihn. Er konnte sich nicht zurückfallen lassen, er wurde von ihm beobachtet. Der Verkehr floss spärlich und die Sicht auf ihn war daher bestens. Außerdem würde der Bus noch in ein paar Orten, die an der E 80 bis Edirne lagen, anhalten, wie Blohm es ihm erklärt hatte, und es würde auffallen, wenn er nicht mit dem Taxi in der Nähe wäre.

      Je länger er darüber nachdachte, umso mehr vermutete er, dass irgendetwas mit dem Auto nicht in Ordnung war und dass Blohm verhindern wollte, es herauszubekommen. Ihm blieben bei diesem Tempo noch drei oder vier Stunden bis Istanbul, aber er wollte sich noch vor der Grenze Gewissheit über den Zustand des Autos verschaffen. Eine Stunde war es bis Edirne, das würde knapp werden, dachte er, es sei denn, der Verkehr würde vor der Grenze zunehmen und er könnte so tun, als sei er aus Versehen außer Sicht geraten.

      In zwei Ortschaften war der Bus zu Stopps ausgeschert und Yusuf hatte mit dem Taxi dicht hinter ihm angehalten. Im dritten Ort, einem größeren mit dem Namen Svilengrad, sah er eine Tankstelle. Diesmal fuhr er an dem Bus vorbei, als der anhielt. Er glaubte Blohm am Fenster gesehen zu haben, ganz hinten im Bus. Yusuf bog in die nächste Seitenstraße ab, stoppte das Taxi und wartete, bis er den Bus im Rückspiegel auf der Hauptstraße vorüberfahren sah.

      Was sollte er Blohm nachher erklären, dachte er, als er zurück zur Tankstelle fuhr. Dass er tanken musste? Blohm hatte dafür gesorgt, dass der Diesel noch bis Istanbul reichte. Vielleicht die Wahrheit? Was sollte Blohm schon dagegen sagen können, dass er sich vergewissern wollte, was mit dem Taxi nicht in Ordnung war. Blohm könnte ihm Vertrauensbruch vorwerfen, dass er entgegen der Abmachung handelte. Was wäre dann mit den fünfzigtausend Euro? Würde Blohm ihn nicht mehr weiter für sich arbeiten lassen? Er brauchte ihn nach wie vor, beruhigte er sich und beschloss, sein Vorhaben schnell durchzuziehen. Er wies alle Zweifel von sich und fuhr vor die Werkstatthalle der Tankstelle.

      Die beiden Mechaniker hievten das Taxi hoch, nachdem er einem von ihnen einen Zwanzig-Euro-Schein gegeben hatte. Sie standen dabei, als er endlich unter den Wagen schauen konnte. Sie sahen aber in den beiden Rohren, die dicht nebeneinander unter dem Fahrzeugboden angebracht waren, nichts Außergewöhnliches. Man konnte diese Rohre ohne weiteres für Tanks halten, die einfach an diese Stelle hingehörten. Yusuf aber sah sofort, dass diese Konstruktion eine Manipulation war.

      Er klopfte dagegen, sie klangen nicht hohl. Zur Verstärkung des Fahrgestells dienen die nicht, meinte er zu den beiden und sprach sich dabei doch


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