Der Tanz der Heuschrecken. Ulrich Fritsch

Der Tanz der Heuschrecken - Ulrich Fritsch


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Zerfließende Pinselstriche waren dann Meisterwerke, unbe­holfene Männchenmalereien ein genialer Infantilismus. Zum Unglück der unsachverständigen und unvoreingenommenen Beschauer gab es immer irgendwelche Kunstkritiker, die jede Banalität in Weihrauchwolken hüllten und erst durch ihre verbale Ausdruckkraft veredelten. Hätte sich Leon Petrollko­wicz ganz der Malerei widmen können, wäre er in Kombinati­on mit seinem Marketinggeschick vielleicht zu einer gewissen Größe aufgestiegen. So aber brachte er nur Qualität, und das zählte auf dem Kunstmarkt reichlich wenig.

      Womit also sein Geld verdienen? Der mittelständische Un­ternehmer von einst bekam plötzlich Existenzängste. Er dachte in alle Richtungen und erinnerte sich jetzt auch an seine Zeit als Redakteur bei einem Rundfunksender. Damals zermürbten ihn aber die ewigen Diskurse in den Redaktionskonferenzen und gaben schlussendlich den Ausschlag, dem Journalismus den Rücken zu kehren. Allerdings war der Sprung in die freie Wirtschaft schwieriger, als er sich das vorstellte. Von Dr. Hüttel erhielt er den ersten Auftrag. Er gewann in seiner Einzigartig­keit der verbalen Präsentation fortan fast jede Ausschreibung und konnte schon in wenigen Jahren erheblich expandieren Und jetzt das. Er kam aus dem Grübeln nicht mehr heraus und bezog seine Anna mehr und mehr in seine Gedankengänge ein.

      Was ihm nur auffiel, war die deprimierende Kraftlosigkeit seiner Lieben. Sie registrierten widerwillig, dass ihr Leon nicht mehr der alte war und sie ihren üppigen Lebensstandard auf­geben mussten. Leon tröstete sich mit dem Gedanken, dass sein bester Geschäftsfreund Dr. Hüttel bald nach Düsseldorf kommen würde. Der Industrieclub hatte die ganze Prominenz aus Politik und Wirtschaft zum Neujahrsempfang eingeladen. Hier würde er ihn treffen. Ein anderer Termin war undenkbar. Leute dieses Kalibers vergaben so gut wie keine Termine an irgendwelche Bittsteller. Sie hatten Geschäfte zu machen und für die Peanuts ihre Fachidioten. Aber es gab Events, wo man sich traf. Und manchmal reichte ein kleines Tête à Tête, um wieder im Geschäft zu sein. Leon konnte auf dem Klavier der Konversation gut spielen und würde seinen Gönner bestimmt auf seine Situation einstimmen können. Aber bis dahin waren noch einige Wochen zu überbrücken.

      Anna und ihr Sohn taten sich mit der neuen Situation schwer. Sie waren es so gewohnt, auf Rosen gebettet zu sein, dass man die berufliche Erschütterung des Familienoberhaup­tes nicht so leicht verkraften konnte. Zwar redeten sie sich ein, dass Leon das Kind letztlich schon schaukeln würde, aber die täglichen Debatten über den Schicksalsschlag und die Andeu­tungen über Umzug, eventuelle Berufstätigkeit der Mutter, Ver­kauf eines Autos, Disziplinierung beim Telefonieren, Austritt aus Golf-und Tennisclub, Einschränkung bei der Garderobe etc. etc. zermürbten und ließen vor allen bei Anna eine Welt einstürzen. Sie genoss bis dato ein Luxusleben. Das war schon außergewöhnlich. Sollte das alles zu Ende sein? Man konnte es meinen, als Anna beobachtete, wie Immobilienhaie von den Balkonen der Nachbarhäuser aus die Lage der Eigentumswoh­nung begutachteten. Wenn es klingelte, machte man die Tür erst dann auf, wenn man sicher ging, dass kein Gerichtsvollzie­her, Banker oder Makler vor der Tür stand.

      Oliver war einigermaßen gefasst. Er rechnete sich aus, dass im Falle eines Umzugs auch die Schule gewechselt würde und er dann endlich wieder einen ihm genehmen Stunden­plan bekäme. So passte es ihm absolut nicht, dass seit Wochen Sport und Musik ausfielen und er stattdessen mit Mathe und Deutsch zugedeckt wurde. Er wollte Fußballer oder Musiker werden und deshalb auf seine Lieblingsfächer nicht verzichten.

      Leon Petrollkowicz war mehr als bekümmert. Früher gab er seiner kleinen Lebensgemeinschaft Halt. Sie war für ihn eine Insel der Unbeschwertheit, des Miteinanders und des glücklichen Erlebens. Das lenkte ihn von seinem Alltagsstress ab und gab ihm jene Fröhlichkeit und Unbeschwertheit, die letztlich der Schlüssel zu seinem souveränen Auftreten waren. Jetzt war alles anders. Das Verhältnis zu Anna und Oliver war angespannt, sein quälendes Grübeln überdeckte die an ihm so geschätzte Leichtigkeit des Umgangs mit Dritten. Er kannte das Problem: Wenn sein Umfeld merkte, dass er unsicher wur­de, verschlimmerte sich seine Lage umso mehr. Er wäre dann nicht mehr der Jäger, sondern der Gejagte.

      In seiner Firma erkannte man sehr schnell die neue Lage. Was den Mitarbeitern nur unklar blieb, war die Frage, inwie­weit sie selbst von eventuellen Veränderungen betroffen wä­ren. Da der Chef angeschlagen war und Emma Hengstenberg eine unglaubliche Siegesgewissheit ausstrahlte, bekam das Boot Schlagseite zugunsten der weiblichen Führungsriege. So jedenfalls empfanden das Außenstehende. Das Boot bewegte sich irgendwie, aber es schlingerte unter dem Gerudere der Widersacher.

      Einer, der auch in dieser verfahrenen Situation auf der Seite des Chefs stand, war Martin von Alzheim. Aber auch er roch natürlich den Braten und fragte eines Tages sei­nen Vorgesetzten, ob er nicht eine neue Stelle für ihn wüsste. Leon Petrollkowicz verneinte. Er verstand dessen Lage nur zu gut. Schließlich hatte er selbst nach allen Seiten seine Fühler ausgestreckt und nach Alternativen zu seinem bisherigen Job gesucht. Auch jetzt telefonierte er wieder rund um die Uhr, schmiedete Kontakte und redete sich immer wieder ein, dass er es schon irgendwie schaffen würde. Das kümmerliche Er­gebnis seiner Anstrengungen: Ihm wurde bedeutet, dass sein kleiner Lehrauftrag in Nischnij Nowgorod ausbaufähig sei. Aber Rettung versprach er sich nur von Dr. Hüttel. Nur mit seiner Hilfe konnte sich die Lage zum Besseren wenden. Also arrangierte Leon Petrollkowicz alles Notwendige im Industrie­club, um vor dem Neujahrsempfang wenigstens zwanzig Mi­nuten mit seinem Gönner sprechen zu können. Er reservierte zu diesem Zweck das Henkelzimmer im zweiten Stock. Zu sei­ner großen Erleichterung erhielt er nach langem Warten die Bestätigung des Termins aus dem Sekretariat des Dr. Hüttel. Jetzt würde sich sicherlich alles zum Guten wenden.

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