Die Todesliste. Irene Dorfner

Die Todesliste - Irene Dorfner


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gehört das Fitnessstudio?“

      „Mir und meinem Partner Heiko Thiemann. Heiko ist nicht hier, er hat einen Termin beim Steuerberater. Worum geht es? Was führt Sie zu uns?“

      „Wir sind wegen einer Anzeige hier. Es geht um leistungssteigernde Mittel“, umschrieb Leo den Grund ihrer Anwesenheit.

      „Illegaler Handel mit Anabolika“, schob Tatjana plump und sehr laut hinterher.

      „Nicht schon wieder!“, stöhnte Perzlmeier genervt. „Wissen Sie, wie oft wir dahingehend bereits angeschwärzt wurden? Wir haben nichts damit zu tun, ich schwöre! Wir sind ein ganz normales Fitnessstudio, nicht mehr und nicht weniger. Wir versuchen, das Geschäft so gut wie möglich zu führen, was wirklich nicht leicht ist, das können Sie mir glauben. Sport steht bei den meisten Menschen nicht ganz oben auf der Liste und deshalb müssen wir um jedes einzelne Mitglied kämpfen. Was glauben Sie, welche Kosten in diesem Laden monatlich zu stemmen sind? Ganz abgesehen von Miete und Nebenkosten verschlingen die Leasingraten der Geräte und deren Wartung ein Vermögen. Über die hohen Personalkosten möchte ich überhaupt nicht sprechen.“

      „Mir kommen die Tränen“, maulte Tatjana, der der Mann tierisch auf die Nerven ging. Er entsprach genau dem Bild, das sie von einem Inhaber eines Fitnessstudios hatte. „Unter diesen Umständen käme eine zusätzliche Einnahme doch nicht ungelegen?“

      Leo schämte sich fast für die unverschämten Äußerungen seiner Kollegin. Er wusste, dass sie es nicht so meinte, andere aber nicht.

      „Trotzdem müssen wir jeder Anzeige nachgehen, auch wenn sie anonym ist“, lächelte Leo gequält.

      „Verstehe“, sagte Perzlmeier und sah Tatjana feindselig an. Dann musterte er sie von oben bis unten, wobei er sein Missfallen nicht unterdrückte. Tatjana war pummelig, hatte kurzes, braunes Haar und trug ein ungebügeltes T-Shirt mit einem riesigen Frosch darauf, der frech grinste. Ihre Sneakers waren bunt und passten irgendwie nicht zu der hellblauen, ausgebeulten Jeans. Sie war nicht geschminkt, was Perzlmeier zu dem Schluss kommen ließ, dass sie zu den Frauen gehörte, die keinen Wert auf ihre äußere Erscheinung legten und was er nicht verstehen konnte. Leo gehörte mit seinem 80er-Jahre Outfit, das aus Jeans, Cowboystiefeln und einem T-Shirt mit dem Aufdruck der Stones bestand, schon nicht in das Ambiente eines Fitnessstudios, aber Tatjana noch sehr viel weniger.

      Tatjana bemerkte, wie Perzlmeier sie musterte. Sie hielt den Mann für einen Proleten, wie er im Buche stand und ließ sich die abfällige Abschätzung nicht gefallen. Sie lehnte sich zurück, verschränkte die Arme grinsend und starrte nur auf die Zähne Perzlmeiers, die sie fast blendeten. Da sie sich nur darauf konzentrierte, wurde Perzlmeier unsicher und fuhr sich ständig mit der Zunge über die Zähne, was Tatjana sehr amüsierte. Leo war das Verhalten beider sehr unangenehm. Ihm war klar, dass die beiden keine Freunde werden würden.

      „Können wir uns umsehen? Wenn Sie nichts zu verbergen haben, dürften Sie nichts dagegen haben“, sagte Tatjana.

      „Ich sagte doch, dass wir mit der Sache nichts zu tun haben! Bitte, sehen Sie sich um! Aber diskret, wenn ich bitten darf. Kriegen Sie das hin?“, sprach Perzlmeier Tatjana direkt an.

      „Mal sehen“, murmelte sie und stand auf.

      „Wir werden uns bemühen“, mischte sich Leo ein. „Vielen Dank für Ihr Entgegenkommen, Herr Perzlmeier.“

      „Musstest du den Mann so angehen?“

      „Wie man in den Wald hineinschreit, schallt es zurück.“

      „So, wie ich das mitbekommen habe, hast du angefangen, meine Liebe.“

      „Weißt du was, Leo? Behalte deine Klugscheißereien für dich! Was ist heute los mit dir? Hast du dir heute vorgenommen, mich ununterbrochen belehren zu müssen? Hoffentlich kommt Hans schnell aus dem Urlaub zurück, damit ich dich wieder los bin! Machen wir uns an die Arbeit!“

      Tatjana und Leo trennten sich. Während sich Leo den Umkleide- und Duschbereich vornahm, übernahm Tatjana den Fitnessbereich und die Bar. Nach einer Stunde trafen sich die beiden in Perzlmeiers Büro. Auch hier durften sie sich umsehen, auch wenn Perzlmeier das nicht sehr gerne sah. Während sein Büro durchsucht wurde, wich er den Kriminalbeamten nicht von der Seite. Tatjana und Leo waren fertig, jetzt ging es in den Aufenthaltsraum der Angestellten.

      „Darf ich?“, fragte Leo und zeigte auf die Schränke, in denen persönlichen Dinge der Angestellten untergebracht waren.

      „Gerne. Wie gesagt: Wir haben nichts zu verbergen.“

      Außer der jungen Frau hinter der Bar waren heute zwei Trainer und eine Reinigungskraft hier - außer dem Chef natürlich.

      Leo und Tatjana hatten alles durchsucht und nichts gefunden. Alles, bis auf das Büro des Kompagnons Heiko Thielmann. Perzlmeier erlaubte nicht, dass dessen Büro während seiner Abwesenheit durchsucht wurde, was beide Kriminalbeamten verstehen konnten.

      „Wo ist das Lager?“

      „Bitte?“

      „Irgendwo werden doch sicher Getränke, Gläser, Putzmittel und so weiter gelagert.“

      „Kommen Sie mit.“ Perzlmeier hielt sich in dem Lagerraum nur sehr selten auf. Auf dem Weg dorthin überlegte er, wann er das letzte Mal hier gewesen war. Das musste gut und gerne schon fast ein halbes Jahr her sein.

      Der Raum an der Hinterseite des Studios war relativ klein. Alles war vollgestopft mit allem, was man sich vorstellen kann: Getränke, Dosen mit Pulver für diverse Mixgetränke, worunter sich ganz sicher auch der gesunde Fitnessdrink befand. Leo lächelte, denn der schien doch nicht so gesund zu sein, wenn er aus der Dose kam. In den beiden Regalen stapelten sich Milchtüten, Zucker und viele Konserven mit diversen Früchten. Es gab Strohhalme in allen Farben und Größen, Gläser, Tassen, Papierhandtücher, Duschgel, Shampoo und Servietten. Hinter der Tür waren in Folie verpackte Handtücher aufgetürmt, daneben stand der Putzwagen, auf dem die Putzmittel standen. Perzlmeier war das Chaos vor den Polizisten äußerst unangenehm. So bald wie möglich musste er mit seinen Mitarbeitern ein ernstes Wort reden und darauf drängen, dass das Lager aufgeräumt wurde.

      Tatjana begann mit der Durchsuchung, Leo half ihr dabei. Wie sollten sie in diesem Chaos etwas finden?

      Perzlmeier war gegangen, er zog sich in sein Büro zurück. Wie lange dauerte die Durchsuchung denn noch? Die wenigen Gäste wurden unruhig, zwei waren bereits gegangen. Wann hörten die Verleumdungen endlich auf? Heiko hatte mit dem Dealen schon lange aufgehört, das hatte der ihm versprochen. Auch wenn ein Restrisiko blieb, dass er wieder damit angefangen hatte, glaubte Perzlmeier nicht daran. Er konnte sich schon vorstellen, wer dahintersteckte: seine Verflossene Mandy. Sie war seit ihrer Trennung total verrückt geworden. Es gab kaum einen Tag, an dem er ihr nicht begegnete. Alles sah danach aus, dass sie ihn stalkte, was ihn wütend machte. Ihm gefiel die Vorstellung nicht, dass er nicht mehr tun und lassen konnte, was er wollte, ohne dabei beobachtet zu werden. Zur Hölle mit Mandy! Er hätte sich mit der Frau niemals einlassen dürfen. Jeder wusste, dass sie nicht richtig tickte, aber er hatte sich von ihrem Äußeren blenden lassen. Als sich Mandy als Trainerin bei ihm bewarb, war er sofort hin und weg. Mandy war eine der schönsten Frauen, die er jemals gesehen hatte. Ihre Figur und ihr ganzes Erscheinungsbild waren geradezu perfekt, um das Geschäft zu repräsentieren und ihn zu schmücken. Egal, wo sie beide aufgetaucht waren, wurde er von allen um diese junge, hübsche Frau beneidet. Bis sie den Mund aufmachte, dann war es damit schnell vorbei. Abgesehen davon, dass sie sehr einfach gestrickt ist, ist Mandy die zickigste Frau, die ihm jemals begegnet war. Nichts konnte man ihr rechtmachen, niemanden konnte sie leiden. Außerdem war sie bei den Kunden sehr unbeliebt, ihre Kurse wurden kaum gebucht. Aber das machte ihr nichts aus, die Schuld gab sie anderen. Es dauerte nicht lange, bis Erich ihren wahren Charakter erkannte. Aber es dauerte sehr, sehr lange, bis er es übers Herz brachte, sie in den Wind zu schießen. Mandy reagierte mit einer heftigen Szene in einem Altöttinger Lokal, in dem er sich seitdem nicht mehr blicken ließ. Er schämte sich auch heute, nach sechs Wochen, immer noch für den unmöglichen Auftritt. Mandy hatte alles kurz und klein geschlagen, was sie in die Finger bekam. Dazu


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