Die Todesliste. Irene Dorfner

Die Todesliste - Irene Dorfner


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er nochmals versuchen sollte, mit ihr zu sprechen? Nein, das brachte nichts, das hatte er schon zwei Mal versucht und das war ihm nicht gut bekommen. Die Kratzspuren in seinem Gesicht waren verheilt, von den blauen Flecken, die er von ihren hochhackigen Schuhen davontrug, waren einige noch gut zu sehen. Nein, auf ein Gespräch mit ihr konnte er gerne verzichten.

      Leo und Tatjana verabschiedeten sich, worüber Erich Perzlmeier sehr erleichtert war. Er saß in seinem Büro und schloss vorsichtshalber die Tür.

      „Die Polizei war hier. Ich hoffe, du fängst nicht wieder mit dem Mist an! Wir haben eine Vereinbarung!“

      „Nur die Ruhe, Erich. Ich habe dir versprochen, dass ich nicht mehr mit dem Zeug handle und daran halte ich mich. Wegen mir war die Polizei ganz sicher nicht im Studio. Beruhige dich.“

      „Du hast gut Reden, Heiko! Die Polizei hat alles auf den Kopf gestellt.“

      „Lass mich raten: Sie haben nichts gefunden!“

      „Natürlich nicht. Ich bin mir sicher, dass uns diese Verrückte angeschwärzt hat.“

      „Ich habe dir damals gesagt, dass du die Finger von Mandy lassen sollst. Hast du auf mich gehört? Nein! Dein Verstand war in die Hose gerutscht – und jetzt haben wir den Schlamassel. Welche Probleme du privat mit ihr hast, ist deine Sache. Wenn Mandy in unser Geschäft eingreift, geht das zu weit. Sieh zu, dass du die Frau endlich zur Vernunft bringst.“

      „Und wie soll ich das deiner Meinung nach tun?“

      „Keine Ahnung. Du hast uns die Sache eingebrockt und du musst sie aus der Welt schaffen.“

      „Das sagst du so leicht! Wenn ich heute den Termin beim Steuerberater übernommen hätte, wäre mir das mit der Polizei erspart geblieben und du hättest dich mit ihnen herumschlagen müssen.“

      „Hast du aber nicht! Der Termin beim Steuerberater ist gut gelaufen, in zwanzig Minuten bin ich im Studio. Bis dahin hast du dich hoffentlich beruhigt. Dass du dich aber auch immer gleich so aufregen musst!“, lachte Heiko. „Du warst zu lange mit der verrückten Mandy zusammen, das hat dir und vor allem deinen Nerven geschadet, mein Lieber.“

      „Arschloch.“

      Als Leo das Fitnessstudio verließ, blieb das nicht unbeobachtet. Zum einen war Carter Waves in der Nähe, und zum anderen war dort die schöne Mandy.

      Mandy war enttäuscht, als die Polizei unverrichteter Dinge wieder abzog. Sie hätte schwören können, dass Heiko immer noch mit Anabolika dealte. Offensichtlich lag sie damit falsch. Sie hätte geschickter vorgehen müssen und irgendwo etwas davon deponieren müssen. Aber wie hätte sie das tun sollen? Erich hatte ihr den Schlüssel abgenommen, worüber sie immer noch verärgert war. Außerdem hatte man ihr Hausverbot erteilt, was eine Frechheit war. Bereits vier Mal hatte Erich sie rauswerfen lassen, und das vor allen Leuten! Was fiel diesem Trottel eigentlich ein, so mit ihr umzuspringen? Sie hatte sich mit ihm eingelassen, obwohl er über zwanzig Jahre älter war als sie. Dazu sah er auch noch prollig aus, was sie ihm auch immer wieder vorgeworfen hatte. Schon alleine diese altbackene Frisur und diese Prollkette waren echt peinlich. Aber Erich war dankbar und spendabel, und nur das war ihr wichtig. Er führte sie aus und sie lebte auf seine Kosten, was ihr sehr gut gefiel. Warum hatte er sie einfach abserviert? Er hatte ganz sicher eine neue Frau, das konnte sie spüren. Warum sonst wollte er, dass sie aus seinem Leben verschwand? Sie war gutaussehend und hatte eine perfekte Figur, was wollte er denn noch? Sie hatte sogar während ihrer Beziehung gearbeitet, was mehr als großzügig von ihr gewesen war. Sie war wütend auf Erich und musste es ihm heimzahlen, denn zurücknehmen wollte er sie auf keinen Fall, dass hatte er ihr mehrfach klargemacht. Sie wollte nur Rache an dem Mann nehmen, der sie nicht wollte – und das war ihr gutes Recht!

      Carter Waves hatte die Frau in ihrem schäbigen Kleinwagen bemerkt. Sie starrte nur auf das Gebäude, in dem Leo Schwartz verschwand. Was machte die hübsche Frau hier? Was hatte sie vor?

      Auch, als die beiden Kriminalbeamten in ihren Wagen stiegen, rührte sie sich nicht, sondern hielt den Blick starr auf das Gebäude gerichtet. Es schien, als wäre sie nicht an den Polizisten interessiert. Gut, sollte sie hierbleiben und ihre eigenen Ziele verfolgen. Für ihn war es an der Zeit, dem Wagen der Kriminalbeamten zu folgen.

      Während Tatjana fuhr, versuchte Leo wieder und wieder, den Staatsanwalt anzurufen, aber ohne Erfolg.

      „Typisch Eberwein! Erst knallt er einem die Mailbox voll und dann geht er nicht ran“, schimpfte Leo. „Der Mann nervt ohne Ende. Kannst du dich daran erinnern, ob er jemals freundlich zu uns war?“

      „Spontan nicht.“

      Krohmer erkannte die Nummer auf Eberweins Handy und reagierte nicht. Schwartz würde noch früh genug erfahren, was passiert war.

      Tatjana behielt den rückwärtigen Verkehr im Auge. War das nicht…? Doch, das war der Wagen, der ihr bereits aufgefallen war. Als sie auf dem Parkplatz der Mühldorfer Polizei den Wagen abstellte, war von dem Fahrzeug, das ihnen vermeintlich gefolgt war, weit und breit nichts zu sehen. Es war wirklich an der Zeit, dass sie ausspannte.

      5.

      Die Sache mit Eberwein griff wie im Lauffeuer um sich, wobei alles dramatisch aufgebauscht wurde. Schon kurz nach dem Eintreten ins Polizeipräsidium wurden Tatjana und Leo von herbeieilenden Kollegen umfassend informiert.

      Leo war erschrocken und schämte sich für seinen Spruch bezüglich des Staatsanwaltes. Wie hätte er das Drama um ihn auch wissen können?

      Tatjana war zwar überrascht, nahm das aber als gegeben hin. Der Staatsanwalt hatte einen Herzinfarkt und war in guten Händen. Über ihn machte sie sich augenblicklich keine Gedanken. Sie hatte neben den Geschichten um Eberwein eine Nachricht aufgeschnappt, die sie sehr viel mehr interessierte.

      „Stimmt es, dass du nach München gehst?“, sprach sie Werner darauf an.

      „Ja, das ist richtig. Ich habe mich vor zwei Monaten…“

      „Du verlässt uns?“, rief Leo dazwischen, der diese Information nicht mitbekommen hatte.

      „Ja. Ich wollte es euch erst sagen, wenn alles in trockenen Tüchern ist. Ehrlich gesagt, habe ich nicht damit gerechnet, dass ich den Job bekomme. Heute habe ich erfahren, dass es am ersten November losgeht.“ Werner strahlte übers ganze Gesicht.

      „Und ich dachte, dass wir Freunde sind.“ Leo war sauer und setzte sich an seinen Schreibtisch. Gerade von Werner hätte er niemals erwartet, dass er nicht mit offenen Karten spielen würde.

      „Bitte versteh mich, Leo. Ich hätte…“

      „Interessiert mich nicht“, unterbrach Leo.

      „Ich finde das klasse“, sagte Tatjana demonstrativ laut. „Erzähl mir mehr davon. Um welchen Job geht es genau?“

      Leo wollte das nicht hören. Er stand auf und verließ das Büro. Er trat an das offene Fenster auf dem Gang, das seit Wochen, wie alle anderen Fenster auch, fast rund um die Uhr geöffnet war. Die unerträgliche Hitze der vergangenen Monate war endlich vorbei und man konnte wieder vor die Tür gehen, ohne sofort einen Schweißausbruch zu bekommen. Vor allem die Nächte waren jetzt wieder erträglich.

      Werner nahm eine Stelle in München an! Diese Nachricht traf ihn tief. Leo nahm sein Handy und wollte Hans anrufen. Dann zögerte er. Hans genoss seinen Urlaub und das sollte er auch weiterhin. Er würde in ein paar Tagen noch früh genug davon erfahren. Leo trank einen Kaffee und sah dem Treiben auf dem Parkplatz zu. Einige Kollegen gingen, einige kamen. Dass eine fremde Person dort stand und ihn beobachtete, bemerkte Leo nicht.

      Carter Waves erkannte Schwartz sofort, als der an das offene Fenster trat. Wenn hier nicht so viele Polizisten gewesen wären, hätte er den Mann von hier aus problemlos erschießen können. Aber das war leider nicht möglich. Er musste sich gedulden und auf eine bessere Möglichkeit warten.

      Davon ahnte Leo nichts. Als er sich wieder beruhigt hatte, ging er zurück ins Büro. Zum Glück sprachen


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