Palmer :Exit 259. Stephan Lake
ein Alkoholiker von seinem Drink wusste er, es würde nicht der letzte Kaffee für heute sein.
Liz hätte die Eine sein können.
Und Erin – Palmer sah sie zurückkommen – nett und hübsch, wie sie war, war es nicht.
„Hey, wo bist du mit deinen Gedanken?“, sagte sie und stellte ein Glas mit Wasser neben den Becher.
Nicht, dass er je nach der Einen gesucht hätte. Ein paar Tage oder Wochen, länger hatte es nie angedauert, und das war okay für ihn. Er war gerne allein.
Aber Liz?
Sie hatte da etwas in ihm angestoßen.
„Palmer? Noch da?“
Er trank noch einen Schluck. „Ich frage mich ...“
„Ja?“ Erin setzte sich auf den Stuhl neben ihm, schlug ein Bein über das andere und schaute ihn an. Erwartungsvoll. Ihre Augen flirteten schon wieder.
„Ich trinke ziemlich viel Kaffee“, sagte er. „Mindestens zwei Becher bei dir, vorher schon einen oder zwei bei mir, anschließend vielleicht noch einen. Ich fange nie vor Mittag an, trotzdem ... Meinst du, das ist zu viel?“
Sie stand mit einem Ruck auf, „Palmer, du ... Ja, ich habe den Eindruck, das ist zu viel. Koffein greift in die chemischen Prozesse des Gehirns ein, hab ich mal gelesen. Bei dir ist das offensichtlich bereits der Fall. Fortgeschritten. Lass dir den Brownie schmecken.“
„Was ist mit dem Auflauf?“
„Der braucht noch“, sagte sie über ihre Schulter hinweg. „Drei, vier Stunden. Mal sehen, vielleicht länger.“
„Erin!“
My Godness, was hatte er denn gesagt?
Es war mitten in der Nacht, als Palmer von einem Geräusch aufwachte.
Er stand auf und ging zum Fenster und sah hinaus.
Das Geräusch war von draußen gekommen. Kein Tier. Tiere stießen nicht an Gegenstände, auch nicht in der dunkelsten Nacht. Das taten nur Menschen mit ihren verloren gegangenen Sinnen. Sogar gegen einen so großen Gegenstand wie seinen alten Trailer.
Denn von daher war das Geräusch gekommen.
Der Mond schien hell, dazu die Sterne, die Luft war klar und frisch; er konnte deutlich den Trailer sehen, hundert Meter entfernt.
Genau wie die Gestalt neben dem Trailer.
Ein erwachsener Mann, kein Jugendlicher, dafür bewegte sie sich zu behäbig. Erst recht keine Frau, dafür war sie zu groß und zu schwer und der Oberkörper zu wuchtig.
Palmer zog Jeans und Boots an und ging nach unten. Aus dem Schrank neben der Tür nahm er sein Gewehr und eine Taschenlampe und ging hinaus.
Er schlug einen Bogen, um von der anderen Seite an den Trailer zu kommen. Er kannte jeden Busch und jeden Stein auf seinem Land und erreichte den Trailer nach Minuten, ohne ein Geräusch verursacht zu haben.
Die Gestalt war weg.
Palmer lauschte. Er hörte ein Schnaufen, einige Meter entfernt. Vielleicht zehn Meter, nicht mehr als fünfzehn. Und ein Knirschen, wie es die meisten Menschen beim Gehen auf steinigem Untergrund verursachten.
Er ging den Geräuschen hinterher, leichtfüßig, vorsichtig, und hatte doch den Verursacher kaum eine Minute später eingeholt.
Ein erwachsener Mann, genau wie er gedacht hatte.
Mit dem Daumen der linken Hand ließ Palmer den Hahn einrasten, ein Laut, den in dieser Gegend jeder sofort erkannte. Mit der rechten drückte er zugleich den Schalter an der Taschenlampe und richtete den Lichtstrahl auf die schwere Gestalt, die im selben Moment einen fetten Schatten vor sich produzierte.
„Dreh dich um, Nachbar“, sagte Palmer. „Langsam. Und ich will deine Hände sehen.“
Mark New Holy drehte sich um, die Augen zusammengekniffen, beide Hände vor sich haltend. Sie waren leer. Seine Stirn glänzte vor Schweiß. Sein dicker Bauch bewegte sich schnell auf und ab im Bestreben, Sauerstoff in die Lungen zu pumpen.
„Hey, Palmer, was halten Sie davon, die Lampe auszumachen, huh? Das Licht blendet.“
„Das ist der Grund, weshalb ich die Lampe mitgebracht habe. Was machen Sie hier?“
„Ist das typisch deutsche Gastfreundlichkeit, seinen Nachbarn mit der Waffe in der Hand zu empfangen? Oder ist das nur typisch für Sie?“
„Von Gastfreundlichkeit kann hier keine Rede sein, oder? Dafür hätten Sie zum Haus kommen und klopfen müssen. Dann hätte ich die Chance gehabt, zu entscheiden, ob ich Sie als Gast bei mir haben möchte oder nicht. Stattdessen stampfen Sie hier herum. Uneingeladen. Illegal. Also, was machen Sie auf meinem Land?“
„Ich bin Cop, Palmer. Ich darf hier herumlaufen, Tag oder Nacht, ganz, wie ich das will.“
„Nicht auf meinem Land.“
Mark New Holy seufzte. „Also gut, weil wir Nachbarn sind. Ich bin aufgewacht und habe Licht an Ihrem Trailer gesehen. Ich weiß, dass Sie da nicht mehr wohnen, also in dem Trailer, da habe ich mir gedacht, vielleicht ein paar Jugendliche. Jugendliche mit einer Menge Unsinn im Kopf. Sie wissen ja, wie die jungen Leute heute so drauf sind – Party, Alkohol, Drogen, huh? Ich dachte, vielleicht stecken die den Trailer in Brand oder machen Kleinholz daraus, sobald sie bekifft oder betrunken genug dazu sind. Und da ich bei Ihnen im Haus kein Licht gesehen habe und ich nicht wusste, ob Sie überhaupt zu Hause waren oder in einer Bar oder einem Etablissement in Albuquerque oder Santa Fe – Sie leben schließlich alleine, nicht? Weil ich das nicht wusste, bin ich selbst gucken gegangen. Ich kam hierher, da waren sie weg, die Jungs und Mädels. Ich hab mich dann ein wenig umgeschaut, scheint aber alles in Ordnung.“ Er sagte, „Also, jetzt können Sie den Lauf runternehmen, meinen Sie nicht? Und das Licht da ausmachen. Sie können sich auch bei mir bedanken, wenn Sie wollen, für die Nachbarschaftshilfe.“
Jugendliche auf seinem Land? Unfug. Die Jugendlichen hätte er lange gehört, bevor Mark seine einhundertdreißig Kilos von seinem Haus bis zu dem Trailer bewegt hätte.
Palmer sagte, „Sie werden jetzt von hier verschwinden, Nachbar. Und ich werde Sie begleiten. Gehen wir.“
Mark grummelte etwas, marschierte dann aber los.
Am Camino angekommen, drehte sich Mark um. „Sie haben ja immer noch den Lauf auf mich gerichtet. Und die Lampe. Und kein Danke?“
Palmer schüttelte den Kopf. Der Kerl kapierte es nicht.
„Hören Sie gut zu, Mark“, sagte er. „Vielleicht war es so, wie Sie gesagt haben, vielleicht nicht. Sollte ich Sie aber noch einmal auf meinem Land erwischen und Sie haben keine Einladung von mir bekommen – und wir beide wissen, das wird nicht passieren – dann mache ich von meinem Hausrecht Gebrauch und, ganz im Ernst, ziehe Ihnen die Ohren lang.“
Seine Mutter hatte das manchmal gesagt, zu ihm und seinen Freunden, damals in Frankfurt, als er noch ein Kind war. Treibts nicht zu wild oder ich ziehe euch die Ohren lang. Es hatte immer funktioniert.
„Ich bin Cop, Palmer. Sie sollten mir nicht drohen.“ Sein Nachbar nahm die Arme herunter, die Palmer in dem engen Shirt noch dicker vorkamen als zuvor in der Uniform. Der Kerl war wirklich massig. „Ich komme auf Ihr Land, wann immer ich das will. Und wenn ich will, dann nehme ich Sie mit. Vielleicht schon morgen, wenn Sie an Ihren Löchern weitergraben. Öffentliches Ärgernis, Sie erinnern sich?“ Mark nickte, „Ja, Sie erinnern sich, Sie laufen jetzt ja auch schon wieder ohne Shirt herum.“
„Und sogar ohne Unterwäsche“, sagte Palmer.
„Sie wollen witzig sein? Kann ich auch“, sagte Mark. „Vielleicht überlege ich mir noch was anderes. Title 18 bietet mir eine ganze Menge Möglichkeiten, Section 111 zum Beispiel, da fahren Sie für acht Jahre ein. Und wenn Sie dieses Ding da wieder in der Hand haben, Palmer, und ich meine nicht die verdammte Taschenlampe, dann sinds zwanzig.“
Er