Reich mir den Apfel, Eva!. Julianne Becker
wieso denn, was hatte GOTT denn davon, die Menschen klein zu halten?" bohrte ich weiter.
"Ist das nicht offensichtlich?" Mein Drache schaute mich auffordernd an. "Der brauchte folgsame Gärtner und Diener. Die mussten natürlich wesentlich intelligenter sein als Tiere, sonst hätten sie nicht für ihn arbeiten können. Sie waren eigens zu diesem Zweck genetisch erzeugt und gezüchtet worden. Ein Adam war gerade so intelligent, dass er einfache Arbeiten verrichten konnte, aber nicht bewusst genug, um über sich selbst und das Leben nachzudenken und sich gegen Befehle aufzulehnen. Das war eine Vorstufe des heutigen Menschen, erschaffen, um GOTT dem HERRN in absolutem Gehorsam zu dienen."
Da war sie also, meine erste Kröte, die ich schlucken musste: Waren die Menschen also nicht als Krone der Schöpfung erschaffen worden, sondern bewusst als Sklaven für eine andere intelligente Rasse?
"Und das haben wir deiner Familie zu verdanken?"
"Ja."
"Du behauptest, GOTT und seine HEERSCHAREN waren eigentlich Aliens?" Nun wurde ich doch misstrauisch. "Warum erzählst du mir das? Das kränkt doch jedes religiöse Gefühl meiner Mitmenschen. Auch in mir. Ich habe so lange nach Gott gesucht. Und diese innige Verbindung zu ihm ist mir super wichtig. Ich habe sogar das Gefühl, dass es gefährlich ist, mit dir zu reden. Und dass man wegen Blasphemie über mich herfallen wird, sollte ich das jemandem erzählen."
"Ja, das könnte gut sein," gab mein Drache zur Antwort. "In früheren Zeiten wärst du verbrannt worden, wenn du solche Ungeheuerlichkeiten verbreitet hättest. Auf Gottesbeleidigung stand der Tod. Und auf Allah-Beleidigung steht vielerorts immer noch der Tod, zumindest bei Fundamentalisten. Aber es wird einfach Zeit für die Wahrheit. Meine Wahrheit. Das verdrehte Lügengebäude meiner Familie muss entlarvt werden, das hat die Menschen schon zu lange in die Irre geführt."
"Noch einmal," sagte ich, denn nun wollte ich's wissen: Was hast du damit zu tun?"
"Ich war dabei und ich möchte endlich richtigstellen, was damals wirklich passierte und warum."
"Und welche Rolle hast du dabei gespielt?"
Warum rückte er nicht raus damit? Er druckste bisher rum, als ob er sich fürchtete, dass ich nicht mehr mit ihm rede, sobald er ehrlich ist. Ich kam mir vor wie eine Mutter, die das Gefühl nicht los wird, dass ihr Söhnchen etwas angestellt hat. Und die nun herauszufinden versucht, um was es geht. "Wahrheit!" sagte ich streng.
"Ich war das im Garten Eden."
Nun war es raus. Ich spürte seine Erleichterung. Fragend sah er mich innerlich an, gespannt auf meine Reaktion. Ich war erst einmal sprachlos. Nein, das konnte nicht sein!
"Du lügst!" sagte ich ärgerlich. "Das war doch eine Schlange im Garten Eden. Und ich spreche gerade mit einem Drachen."
Ich spürte seine Erleichterung, offenbar hatte er eine viel heftigere Reaktion erwartet.
"Drachen und Schlangen sind als Begriffe austauschbar. Ich war das jedenfalls im Garten Eden."
"Und ich soll nun deine moderne Eva spielen? Hast du dich deshalb bei mir gemeldet und dich mit mir seit Jahren angefreundet? Da hast du deine Pläne aber ohne mich gemacht! Ich werde niemandem davon erzählen. Das würde mir sowieso keiner glauben!"
Aber meine Neugier war geweckt. Als mein Drache das spürte, lächelte er erleichtert.
Ihr seid Drachen
Ich fragte: "Seid ihr also Drachen-Aliens?"
Mein Drache vollführte erst einmal ein kleines Freudentänzchen darüber, dass ich offenbar mit ihm weitermachen wollte. Vielleicht hatte er es schon bei vielen anderen Evas versucht, und die haben ihn alle davongejagt.
"Nein, so war das nicht," kommentierte er meine Gedanken. "Du warst damals auch dabei. Aber mehr verrate ich dir jetzt noch nicht. Erst, wenn wir die Wahrheit vollständig aufgedeckt haben. Zusammen. Wir beide sind dafür verabredet. Noch besser ist es, du findest es ganz alleine raus!"
"Also, du hast es noch bei keiner anderen Frau versucht mit deiner Wahrheit?" bohrte ich weiter.
Er lachte. "Ja, da ist sie wieder, die neugierige Eva in dir!" Unser Gespräch machte ihm sichtlich viel Freude. Vor allem die Wendung, die es nun nahm.
"Jedenfalls habe ich nie die ganze Wahrheit erzählt. Denn ein Bewusstsein muss es fassen können, sonst knallt es durch und wird verrückt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt und du bist die Richtige, um die ganze Wahrheit, um wirklich alles zu verstehen. Du hast genug Ketzer und Mumm in dir, um alles in aller Tiefe zu erfahren und zu verstehen. Wir haben dich seit Jahren darauf vorbereitet. Das war langwierig und nicht immer leicht. Du hattest selbst auch so einen göttlichen Knall und wolltest ganz brav sein und ihm dienen. Diese Programmierung ist nur schwer zu durchbrechen, aber darauf kommen wir noch."
Ich fragte: "Also bedeutet 'Drache' und 'Schlange' in den alten Mythen dasselbe?" Mir wollte das nicht einleuchten, sahen diese Tiere doch ganz verschieden aus. Und ihr selbst seht euch als Drachen?"
"Ja. Drachen. Die Menschen, die uns persönlich begegnet sind, wollten so ganz mächtige Wesen mit markanter Schlangen- oder Reptilienhaut beschreiben, mit oder ohne Schwanz oder Flügel, die aufrecht gingen und ansonsten den Menschen ähnlich sahen. Wir Drachen benutzten die Adam-Menschen, die wir selbst 'Lulus' nannten, vor allem für die schweren Arbeiten, die wir selber nicht tun wollten. Nur die Stammeltern Adam und Eva selbst, die genossen ein privilegiertes, besonders langes und sorgenfreies Leben im Garten Eden. Sie durften mit GOTT wie im Paradies leben. Adam und Eva wurden auch nicht wirklich ernst genommen oder respektiert in ihrer Würde. Sie waren eher Schauobjekte oder Spielzeuge, Lulus eben, die man als Musterexemplare von der Plackerei freigestellt hatte. Die anderen Lulus mussten schwer schuften, für sie war das keineswegs das Paradies. Sie verrichteten im gleichen Garten die schweren Arbeiten als Gärtner, denn so ein botanischer Garten ist viel Arbeit. Oder als Minenarbeiter in Afrika. Da mussten sie Gold unter Tage abbauen, dafür waren wir eigentlich auf die Erde gekommen."
"Und was passierte dann?"
"Als Adam und Eva von der Frucht aßen, erkannten sie, dass sie selbst eben keine Tiere waren, denn sie sahen GOTT viel ähnlicher als all den anderen Tieren. Sie wurden sich ihrer Nacktheit auch nur bewusst, weil GOTT und seine Engel sich als Ausdruck ihrer Kultur bekleideten und schmückten. Wenn du erkennst, dass du GOTT ähnlich siehst, möchtest du auch mit der Kleidung dazugehören, oder? Zumindest merkst du, dass es unpassend ist, nackt herum zu laufen!"
Ich überlegte. Im Wesen müssen diese ersten Menschen wie kleine Kinder gewesen sein. Wenn ein Kind entdeckt, dass es nackt ist, dann wird es sich erst einmal selbst als dieser Körper bewusst. Adam und Eva verglichen sich und erkannten, dass sie selbst keine Götter waren, sondern sogar schlechter als die Tiere gehalten wurden, denn nur die Lulus mussten im Garten hart arbeiten, die Tiere nicht. Die beiden sahen vor allem den anderen Lulus ähnlich, die überall die Arbeit verrichten mussten. Und denen ging es nicht gut, die wurden ausgebeutet! So bekamen die beiden Angst, GOTT könnte sie nun ebenfalls als Sklaven behandeln. Und sie versteckten sich. Aber doch nicht aus Scham! Sie hatten Angst vor diesem Allmächtigen und dass er sie jetzt umbringen würde! Denn so konnte man sein Verbot doch auch auslegen: Wenn ihr davon esst, bringe ich euch um!
Mein Drache 'hörte' ja immer auch meine Gedanken und nickte dazu. Er fuhr fort: "Und nur um zu verhindern, dass ihre Selbsterkenntnis weiter fortschreiten würde und sie auch noch vom Baum des Lebens äßen und das ewige Leben der Götter erlangen würden, warf GOTT sie ganz aus dem Garten Eden. Immerhin brachte er sie nicht um und schickte sie nicht als Sklaven in die Bergwerke, sondern überließ sie nur einfach ihrem Schicksal in der Wildnis als ein Experiment zum Überleben.
Ich fiel ihm ins Wort: "So wie Menschen heute fast ausgestorbene Tiere im Zoo nachzüchten und dann wieder auswildern?" Die ersten Menschen wurden ausgewildert und ihrem Schicksal überlassen!
Er nickte. "Nur verfluchen diese Tierschützer ihre Lieblinge nicht auch noch derart übel!" Bei einem im Zoo gehaltenen Tier würde man also von Auswilderung sprechen. Und mehr bedeutete diese Angelegenheit auch für GOTT nicht. Gut,