Reich mir den Apfel, Eva!. Julianne Becker
sehen, wie sie ohne ihn überlebten, undankbares Pack!
"Nein, er warf alle Lulus raus" korrigierte mich mein Drache. "Kein Risiko. Lieber wollte er ganz neue Lulus haben."
Halten wir fest: Die Schlange im Garten Eden hatte Eva gelockt, die Frucht vom Baum der Erkenntnis von gut und böse zu essen und als Eva das tat und Adam auch, waren sie im Garten nicht mehr geduldet. Man wollte verhindern, dass sie auch noch vom Baum des Lebens äßen und gar selbst wie die Götter würden, also unsterblich, wo sie jetzt schon mal über die Gabe verfügten, sich so ihre eigenen Gedanken zu machen, statt einfach nur brav zu dienen.
Drachen und gefiederte Schlangen
Sie kommen in vielen Schöpfungsmythen weltweit vor. In fast allen Traditionen werden sie mit Göttern in Verbindung gebracht, die ganze Kulturen gestiftet und Dynastien begründet haben. Die chinesischen Kaiser (Himmelssöhne) brüsteten sich sogar damit, von Drachen abzustammen. Nur in der jüdisch-christlichen Tradition wird der Drache mit dem Bösen in Verbindung gebracht und diverse Heilige als Drachentöter verehrt. Das ist doch ein seltsamer Widerspruch der Traditionen!
Doch was wäre, wenn diese Überlieferungen alle recht hätten und eine einzige Geschichte erzählen, nur aus ganz verschiedenen Perspektiven, die überall auf der Erde passierte und in der Drachen eine Rolle spielten? Fakt ist: Die Herrschenden haben sich immer und überall gerne mit Drachen und Schlangen identifiziert und geschmückt. Keiner sonst hätte sich das getraut. Das gemeine Volk kam nicht einmal in die Nähe solcher Tempel, Paläste oder anderer Gärten Eden. In China, wo man heute den Drachen für ein Glückssymbol hält, war das doch auch nicht anders: Der einfache 'Adam' aus dem Volk und seine Frau durften doch nicht mucken, das waren Sklaven. Denen brachte das Drachensymbol ganz gewiss kein Glück!
Als die Drachen vor fünfzehn Jahren in meine Leben traten, hatte ich erst nur große Lust, einen Drachen zu bauen. Ich steckte noch mitten in der Phase der Handpuppen aus Bauschaum, Plüsch und Knetmasse, mit denen ich in einem selbst entworfenen Trau-dich-Training durch die Schule tingelte. Das Thema 'Drachen' interessierte mich ansonsten nicht die Bohne. Selbst als ich schließlich mit einem zweiten heftigen Burnout die Schule verließ und zu filzen begann und dann meine Geschöpfe auch das erste Mal mit mir redeten, sah ich noch lange keine Veranlassung, mich mit dem Thema zu befassen. Die gefilzten Drachen verließen mich ja in den ersten beiden Jahren auch immer gleich wieder. Als dann aber die begeisterten neuen Drachenbesitzer ziemlich wilde Sachen über Drachen behaupteten, die eigentlich mehr in die Welt der Märchen und Sagen gehörten, dachte ich, dass ich nun mal die einschlägige Literatur sichten sollte. Ich wollte meine esoterisch bewanderten Drachen-Fans nicht fragten, die widersprachen sich auch. Ich habe mir die Ideen meiner Kunden zwar angehört, dann aber oft gedacht: 'Die spinnen doch. Lass sie spinnen!' Ich musste mich ja nicht entscheiden, ob es stimmte.
Nachdem ich meine eigenen Erlebnisse und Gespräche in meiner Buchtrilogie 'Weg der Puppen - Hurra, die Lichtfilzlinge kommen' niedergeschrieben und veröffentlicht hatte, durchforstete ich sehr gründlich die Überlieferungen aus alten Kulturen bezüglich Drachen und Schlangen. Ich wollte endlich wissen, was hinter diesem Thema steckt und warum es gerade heute so beliebt ist.
Es gab sie überall! In Amerika als Quetzalcoatl, die chinesischen Kaiser saßen auf einem Drachenthron usw. Selbst in der biblisch-christlichen Tradition und Kultur, die ja eher darauf aus war, ihre Heiligen auszusenden, um Drachen zu töten, müssen Drachen als Wasserspeier auf Kathedralen sitzen, kommen ins Wappen mächtiger Könige und man macht auch sonst viel Aufhebens um sie und ihre heldenhaften Drachentöter. Der Vater von König Artus, Uther Pendragon zum Beispiel, zeigte seinen Machtanspruch gerne mit dem Drachensymbol. Auch im christlichen Abendland soll nur das gemeine Volk sich ja nicht mit dem Drachensymbol identifizieren! Schreit das nicht förmlich danach, zu schauen, was damit los ist?
Garten Eden mal ganz anders
Man kann diese Überlieferung auch ganz anders sehen. Was wäre, wenn es da bei GOTT und seinen Engeln (christliche Terminologie) oder unter den hierarchisch gegliederten Götterfamilien (andere Kulturen) einzelne gegeben hätte, die nicht mit der Versklavung und Ausbeutung der Menschheit (der Adams und Evas) einverstanden gewesen wären? Die eine Entwicklung anstoßen wollten zu mehr Bewusstsein? Wird uns dann mit dieser Geschichte einfach nur eine Sabotage des Willen GOTTES überliefert? Ein Befreiungsversuch? Dann hatte die Schlange (in manchen Überlieferungen hat sie Beine und steht aufrecht, reden kann sie ja sowieso) doch eigentlich etwas sehr Gutes im Sinn gehabt! Wollte sie die Menschen vielleicht nur aus der Sklaverei des göttlich angeordneten blinden Gehorsams befreien?
"Mein Gott, sie hat es," schaltete sich mein Drache singend ein, auf 'My Fair Lady' anspielend. "Wir sind die Guten! Wir haben es zumindest gut gemeint."
Wenn das Essen der Frucht des ersten Baumes diesen Entwicklungsschub ausgelöst hat, der bis heute mit der wissenschaftlichen Forschung anhält, dann hat die Schlange im Garten Eden doch eine gute Entwicklung angestoßen, eine wundervolle Entwicklung. Wir sollten ihr also dankbar sein.
Meinen Gedanken aufgreifend, seufzte mein Drache: "Ja! Da gebe ich dir mehr als recht! Mir gebührt der Dank! Und Eva solltet ihr auch danken. Die Überlieferung muss neu interpretiert werden. Es war gut, was die Schlange tat. Auch was Eva und Adam machten. Als sie von dieser Frucht kosteten, eröffneten sie für ihre Nachkommen neue Entwicklungspotentiale. Die angebliche Verführung ist nur ein widersprüchliches Konzept, das um dieses Ereignis herumgesponnen wurde, um das Bewusstsein klein zu halten. Wir sollten an anderer Stelle mal drüber nachdenken." Er zog sich energetisch zurück, offenbar wollte er meine Gedanken ungestört und von ihm unbeeinflusst weiter fließen lassen.
Wir fühlen uns in der heutigen Zeit doch eigentlich ganz wohl auf dem Baum der Erkenntnis. Wir wollen wissen statt nur glauben. Wir forschen, wir lernen. Ich zum Beispiel kann überhaupt nicht glauben und verehren, das liegt meinem Wesen ganz fern. Es hat mich jedenfalls mehr als geschockt, als mir mein Drache so nach und nach in immer mehr Details eröffnete, welche Rolle die Schlangen und Drachen in unserer Geschichte wirklich gespielt haben und was da tatsächlich passiert war.
Doch konnte ich das glauben? Ich war nach diesem ersten Gespräch so erschüttert, dass ich ein Jahr lang nicht mehr mit ihm geredet habe. Die Indoktrination unserer Kultur und Gesellschaft war selbst in mir zu stark, obwohl mein Weltbild schon einige Male heftig erschüttert wurde und ich nicht einmal in einem tiefen Glauben, sondern nur formal christliche Erziehung durchlaufen hatte. Als spirituell Suchende hatte ich Gott und die Wahrheit über unsere Existenz nur in meiner eigenen Kirche zuerst gesucht.
Doch warum sollten wir überhaupt irgendetwas glauben? Oder auf etwas vertrauen? Oder uns führen lassen? Wer führt uns da grade? Du siehst, ich bin eine Frau. Ich bin eine Eva. Und die waren immer schon so.
Natürlich ist auch dir längst klar, wer die Lulus sind: Unsere Vorfahren. Seit dem Sündenfall hatten Menschen allen Grund, sich vor diesem GOTT zu fürchten und das hat sich in unserer genetischen Erinnerung so eingeprägt, dass wir, wenn wir GOTT und seinem Gefolge heute persönlich begegneten, sofort wüssten, das ist nicht Gott, das ist etwas ganz anderes. Daher gab es nur immer ganz wenige, die ihn zu Gesicht bekamen. Er benutzte dann lieber einen brennenden Dornbusch oder eine Lichtsäule. Oder schickte menschenähnliche Engel vorbei.
Vermutlich bist du nun versucht, dich über meine Verschwörungstheorie aufzuregen. Das solltest du auch, das erwartet man von dir. Du sollst mir nicht glauben. Du sollst möglichst mit nichts in Berührung kommen, das dich befreien könnte. Doch mal ehrlich: Warum solltest du überhaupt glauben? Oder dich führen lassen? Wer führt dich da grade? Oder wirst du eher verführt?
Nach einer sehr langen Pause wandte ich mich wieder an meinen Drachen, denn meine Neugier siegte über den Schock: "Erzähl mir mehr über Drachen!" Du siehst also, ich bin eine typische Frau. Ich bin eine Eva und die waren immer schon so.
Die Drachengesellschaft
"Vor langer Zeit lebten die Drachen auf einem Planeten irgendwo in dieser Galaxis. Sie waren von großer Statur,