Memento mori. Klaus Schneider Erich

Memento mori - Klaus Schneider Erich


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      Klaus Schneider

      Memento mori

      Niemand ist vor seinem Ende glücklich

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1

       2

       3

       4

       5

       6

       7

       8

       9

       10

       12

       13

       14

       15

       16

       17

       18

       19

       20

       21

       22

       23

       24

       25

       26

       27

       28

       29

       30

       Schlussbetrachtungen

       Impressum neobooks

      1

      Spüren sie manches Mal auch die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwi­schen dem, wie sie sich selbst sehen, dem, wie andere sie sehen und dem, wie sie gerne wären? Dieser Zwiespalt zeigt sich meist nur sporadisch, oft in denkbar unpassenden Momenten, und auch wenn er nicht im­mer offensichtlich präsent ist, spaltet er die schon subjektive Realität in weitere, gegensätzliche Frag­mente. Was bleibt, ist eine unglückliche Exis­tenz in Raum und Zeit, verloren zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

      Diese Diskrepanz steht ihm, seit er sich ihrer bewusst wurde, treu zur Seite, ein Umstand, der hin­ter alles Denken, alles Handeln, ein großes Fragezeichen setzt. Er, das sollten sie noch wissen, bin ich, Ende fünfzig, männlichen Geschlechts, verstrickt in einer ziemlich allumfassenden Sinnkrise. In Zei­ten solch verdrießlicher Stimmungen, rede ich mich, um etwas Abstand zu mir selbst zu wahren, vorwiegend in der dritten Person an. Damit ist er ich, und ich bin er. Die so konstruierte Dualität meiner Person stellt einen gewissen imaginären Schutz vor Er­kenntnissen, mehr oder weniger unan­genehmer Art her, die das schon arg lädierte Selbstverständ­nis vollends ruinieren könnte. Diese Peinlichkeiten sind bei einem ausgelagerten „Ich“ besser aufgehoben. Ihm kann ich die Konfrontati­on mit sich selbst ohne größere Bedenken zumuten. Ohne eigenes Selbst ist er eine ideale Deponie für den Müll meiner Existenz.

      Er reflektiert seine Gedanken, bringt sie mit pseudo- intellektuellem Schwachsinn in Verbindung, was dann in dessen Konsequenz eine objektive Auseinanderset­zung mit sich, oder mit der Person, die er glaubt zu sein, noch mehr erschweren würde. Davor fürchtet er sich, denn die Vergangenheit präsentiert sich abweisend und düster wie ein dunkler See, dessen unergründliche Tiefe einem Be­trachter Unbehagen bereitet. Sie scheint nicht willens, sich auf leichte Weise zu offenbaren. Dazu be­schränkt ein zeitweise lähmender Phlegmatismus sein Denken, sein Handeln, und erschwert geistige Aktivitäten nicht nur, er blo­ckiert sie. Kennen Sie das auch? Jeder Gedanke ist eine mühevolle Ein­zelaktion, ohne Zusammenhang, ohne zeitlich logisch, zwingende Verknüpfungen, ein Abklatsch der existenziellen Situation. Keine Be­wegung, weder Zu- noch Abfluss, weder Leben noch Sterben; nichts als lähmender Stillstand.

      Er ver­sucht krampfhaft einen Fluss in seine Gedanken zu bringen. Mit Hilfe von brachialer, geisti­ger Ge­walt, müsste doch in diesen dunklen See von Erinnerungen, ein Abfluss zu schaffen sein! Weit gefehlt, jede gedankliche Anstrengung verdüstert diesen Tümpel noch mehr, wie wenn sich in ihm das bedrohliche Licht heranziehender Gewitterwolken widerspiegeln würde. Er fühlt sich in sol­chen Augenblicken dem Sterben näher als dem Leben. Diese morbiden Gefühle stehen in eklatan­tem Wi­derspruch zu dem Vorha­ben, seinem gesamten Lebensinhalt eine neue Richtung, einen neuen Fluss zu geben. Fluss, Zufluss, Abfluss, diese trägen Substantive zerren an seiner Geduld. Leblose Begrif­fe, der lähmenden, konkret existierenden Starre, in ihrer Auswirkung nicht unähnlich. Gram­matikalisch wäre dieses Di­lemma einfach zu lösen, wenn man diese ruhenden Begriffe verbalisieren könnte. Der Fluss könnte wieder fliesen, könnte...

      Wenn seine Gedanken nur wieder fließen würden, das würde Bewegung bedeuten. Bewegung, die ver­misste er am meisten, seit er sich entschloss sein Leben grundsätzlich zu ändern. Es fehlte ihm zunehmend ein Teil dessen, weswegen er die Veränderung wollte. Bewegung, Lebendigkeit, wenn auch nicht in der hektisch belastenden Form der Vergangenheit, aber wenigstens einen Hauch davon möchte er wieder spüren. Er vermisste nicht so sehr die gewohnte Arbeit, nach vierzig Jahren konn­te er sich gut mit dem Gedanken anfreunden, nicht mehr so wie früher zu arbeiten. Wenn nur dieser verfluchte, alles abstumpfende Stillstand, nicht so erdrückend wäre.

      Zudem wusste er im Moment einfach nicht mehr, wie er seine Existenz finanzieren sollte. Das Auto war weg, die Bezahlung der Wohnung stand jeden Monat auf dünnen Beinen, keine Kranken­versicherung, ein Leben auf Pump und Spenden... welch unerfreuliche Perspektive


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