Der Sklave des Königs. R.S. Volant
reichte, blieb er erneut stehen und strich mit seinen Händen, über die glatte Wasseroberfläche. „Na siehst du, du kleiner Feigling, geht doch!“, rief Brac ihm zu und grinste. „Komm her!“, winkte er ihn mit beiden Händen zu sich. „Könnt Ihr wirklich dort stehen? Das Wasser ist nicht tiefer?“, fragte Amanoue unsicher. „Das siehst du doch!“, antwortete Brac und hob wie zum Beweis seine Hände. Amanoue nickte zart, ging lächelnd weiter, das Wasser reichte ihm jetzt bis über den Bauch und man konnte bereits eine deutliche Strömung erkennen. Dann machte er noch einen Schritt und war weg. Amanoue war so schnell untergetaucht, dass die Anderen zuerst gar nicht reagierten und erst als er nicht wieder auftauchte, gerieten sie regelrecht in Panik. Brac stand einfach nur völlig fassungslos da, Ravio und Alecto hechteten ins Wasser, schwammen sofort los und Finn kraulte an Brac vorbei. „Du Riesenidiot, stehst auf `ner Sandbank!“, schrie er ihn an. Ravio war als erster an der Stelle angekommen, an der Amanoue verschwunden war, tauchte sofort unter, kam wieder hoch und schüttelte den Kopf. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“, rief er verzweifelt, tauchte zusammen mit Alecto erneut nach unten und beide kamen prustend wieder hoch. „Das kann doch nicht wahr sein!“, rief Alecto, „der ist tatsächlich abgesoffen!“, meinte er ungläubig zu Finn hin und der sah weiter flussabwärts den Hauptmann im Wasser schwimmen und winkte ihm verzweifelt zu, bis der endlich auf sie aufmerksam wurde. „Was ist?“, rief er zu ihnen herüber und Finn sah ihn kreidebleich an. „Oh Gott, Hauptmann, der Asconier ist weg! Er war einfach weg!“, antwortete der junge Soldat und weinte fast dabei. Falco sah zuerst Brac an, der immer noch dastand und nur fassungslos den Kopf schüttelte, dann sah er, wie Alecto und Ravio immer wieder untertauchten. Augenblicklich wurde ihm schlecht vor Angst, er kraulte sofort in ihre Richtung und tauchte dabei selbst immer wieder unter. Er war noch etwa zehn Meter von ihnen entfernt, als er an einem im Wasser liegenden Baum vorbeischwamm. Wieder tauchte er unter und dann sah er ihn. Amanoue war von der Strömung unter die Zweige des Baumes getrieben worden, an denen er jetzt offensichtlich festhing. Falco tauchte auf, holte tief Luft, nur um gleich wieder zu Amanoue hinab zu tauchen und versuchte ihn aus dem Gewirr der Zweige zu befreien, doch dann ging ihm die Luft aus. Erst beim zweiten Versuch konnte er ihn endlich befreien und dem Baum entreißen. Er fasste ihm unter die Arme, zog ihn an die Wasseroberfläche,
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schwamm mit ihm die wenigen Meter zum Ufer, hob ihn hoch und trug seinen leblosen Körper an Land. Falco kniete neben Amanoue, streichelte sein Gesicht und strich ihm das lange Haar zurück. „Amanoue, bitte, mach die Augen auf“, sagte er voller Verzweiflung. „Bitte, bitte, nicht! Das darf doch nicht wahr sein“, raunte er, schüttelte Amanoues schlaffen Körper heftig und schlug ihm mit der flachen Hand, auf den Rücken. Dann ließ er ihn wieder auf den Boden sinken. „Holt Gregorius!“, rief er entsetzt. Inzwischen standen mehrere Soldaten um sie herum, er legte sein Ohr auf Amanoues Brust, konnte aber kein Lebenszeichen feststellen und schüttelte ihn erneut. „Wach auf!“, schrie er ihn an und schlug ihm ins Gesicht. „Du wirst nicht ertrinken, habe ich gesagt! Hörst du?“, rief er und seine Stimme zitterte dabei. Schließlich beugte er sich über ihn, legte seinen Mund auf Amanoues weiche Lippen und blies ihm seinen Atem in die Lungen, holte wieder Luft und wiederholte es wieder und wieder. Amanoues Brustkorb hob und senkte sich dabei leicht und Falco hörte nicht auf, wenn auch nur, um Amanoues kühle Lippen auf seinen eigenen zu spüren. Dann kam Gregorius durch die Menge und kniete sofort neben sie nieder. „Was tut Ihr da?“, fragte er entgeistert, „hört auf damit, Hauptmann und lasst mich sehen!“ Amanoues Gesicht war bereits leicht blau angelaufen und als der Heiler dessen Oberkörper anhob, fiel sein schönes Haupt wie bei einem toten Vogel, zur Seite. Er fühlte Amanoues Puls, legte sein Ohr auf dessen Brust und schüttelte schließlich erschüttert seinen Kopf. Schwerdurchatmend drehte er sich zu den Soldaten um. „Holt den König und sagt ihm, dass der Asconier tot ist“, sagte er bitter. Falco sank zurück und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Nein, das darf nicht sein“, murmelte er vor sich hin, „er war mir anvertraut, das kann nicht wahr sein!“ Gregorius sah sich um, nahm einen Waffenrock, der im Gras lag, mit dem königlichen Wappen darauf und legte ihn über Amanoues zarten Körper. Es war Bracs und der Waffenrock war so groß, dass er ihn völlig bedeckte. Die Menge teilte sich und der König trat vor. Er stand da und sah ungläubig auf sie hinab. „Ich will ihn sehen“, sagte er tonlos. Der Heiler schlug das Tuch etwas zurück, so dass man Amanoues liebliches Gesicht sehen konnte und ein Zittern durchlief Henry. Er schluckte hart, dann taumelte er und musste sich auf Satory stützen, um nicht umzufallen. In diesem Moment packte Falco Amanoue erneut, schüttelte ihn wieder, presste seine Lippen auf dessen Mund, blies wieder und wieder seinen Atem in ihn und schlug ihm abwechselnd ins Gesicht. „Wach auf!“, schrie er dabei voller Verzweiflung und Henry starrte ihn an. „Hört auf!“, schrie er entsetzt, Satorius stürzte sich sofort auf Falco und schlug ihm die Faust ins Gesicht. Beide begannen zu rangeln, doch dann fing Amanoue plötzlich an zu husten und
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erbrach einen Schwall Wasser. Henry sank neben ihm auf die Knie und zog ihn in seine Arme. „Amanoue, oh Gott, du lebst!“, schluchzte er fast, hob ihn hoch und trug ihn zum königlichen Zelt. Amanoue hustete noch immer heftig und erbrach sich erneut, doch das war Henry egal. Er legte ihn vorsichtig aufs Bett und küsste seine Stirn, dann ließ er Gregorius zu ihm. Der legte sein Ohr wieder auf Amanoues Brust und sah ihn zweifelnd an. „Könnt Ihr mich verstehen? Geht es Euch gut?“, fragte er ungläubig. Amanoue nickte schwach, hob seine Hand und sah Henry matt an. Der König kam sofort zu ihm, setzte sich aufs Bett, ergriff dessen Hand und küsste sie zärtlich. „Ich bin so froh, dass du am Leben bist, mein Liebling“, sagte er und küsste sie erneut. Amanoue fing an, heftig zu zittern und hustete wieder. „Das ist der Schock, der sich jetzt löst. Ich werde ihm etwas Opium geben, zur Beruhigung. Macht Euch keine Sorgen, Eure Majestät. Ich denke, dass er es schaffen wird! Sein Herz schlägt kräftig und gleichmäßig“, sagte Gregorius zu Henry, der ihn voller Sorgen ansah. Der Heiler nahm ein Fläschchen aus seiner Tasche, die er meistens bei sich trug und träufelte einige Tropfen in einen Weinpokal, goss etwas Wasser darauf und kam damit zum Bett. „Hier, Amanoue, trinkt das“, sagte er, führte den Pokal an dessen Lippen und der trank, hustete danach aber wieder heftig. Dann sank er zurück und schloss die Augen. „Er wird jetzt erst einmal schlafen. Ruhe ist jetzt das Beste für ihn. Morgen werden wir weitersehen, aber ich denke, dass er nicht reisen kann“, meinte Gregorius, an Henry gewandt. Henry nickte schwach. „Dann bleiben wir eben einen Tag hier! Das ist auch nicht so schlimm, ein Tag Ruhe wird uns jetzt allen guttun, besonders mir. Würdet Ihr uns bitte allein lassen, ich möchte mich ausruhen. Sebastian, lasse dem General mitteilen, dass wir das Lager morgen nicht abbrechen. Und ich möchte nicht mehr gestört werden!“, sagte er und musste sich zusammennehmen. Der Heiler nickte nur und als beide fort waren, ließ sich Henry aufs Bett sinken. Er hielt sich beide Hände vors Gesicht, die stark zitterten und schluckte immer wieder, an dem Kloß, in seinem Hals. Nach einer Weile, zog er sich die Stiefel aus, legte sich zu Amanoue, nahm ihn in die Arme und schlief ein.
Am nächsten Morgen wachte er auf, weil ihn etwas am Ohr kitzelte. Amanoue lag halb auf ihm und lächelte ihn an. Er hatte eine Strähne seines langen Haares zwischen den Fingern und strich Henry damit immer wieder, übers Ohr. „Geht es dir gut, mein Liebling?“, fragte Henry besorgt und streichelte ihm die Wange. Erst jetzt war ihm bewusst geworden, wie sehr er ihn liebte und er verspürte einen bisher nicht gekannten Schmerz, tief in seinem Herzen. Amanoue nickte. „Ja, Herr“, hauchte er und seine Stimme klang etwas heiser. „Ich bin ein bisschen hungrig“, krächzte er und Henry lachte erleichtert auf.
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„Sofort, mein kleiner Liebling! Sebastian, bring uns Frühstück!“, sagte er und umarmte ihn fest. Amanoue wollte aufstehen, doch Henry verbot es ihm und so frühstückten sie beide im Bett. Danach war Amanoue allerdings so erschöpft, dass er wieder einschlief, Henry streichelte ihn noch eine Weile und spürte voller Lust Amanoues zarte, nackte Haut. Schließlich stand er seufzend auf, machte sich frisch und verließ das Zelt. Er rief nach seinem Pferdeknecht, ließ seinen Hengst bringen, stieg auf und ritt hinüber, zu Satorius Lager. Als er vor dem Zelt des Grafen ankam, stieg er ab und betrat es ohne Umschweife. Graf Satorius und sein Sohn saßen beide am Tisch und speisten gerade. Beide erhoben sich sofort, als sie den König sahen. „Eure Majestät“, sagte