Keine Entspannung möglich - 116 Seiten. JENNY NIEWÖHNER
"Dann lass mich Dir helfen, den Weg wieder zu finden. Geht es um den
jungen Mann, der Dir und Mutter Celestes immer zur Hand geht ? Der Mann
aus dem Gefängnis ?" Erschrocken riss Renata den Kopf hoch und sah nun
die Priorin mit großen feuchten Augen an. "Woher... ich meine....
nein...es geht um....wie hast Du....." Woher ich das weiß ?" Sie
lächelte Renata milde an. "Meinst Du, nur weil wir diese Tracht tragen,
sind wir keine Frauen mehr ?" Renata war verwirrt, was ihr die Oberin
damit sagen wollte. "Ich verstehe nicht..."
Die Oberin lächelte wieder und nahm Renata bei den Händen. "Auch wenn
ich schon jenseits der Sechzig bin und mein weltliches Leben schon fast
verblasst ist in meinem alten Geist, so habe ich doch noch Augen im
Kopf und sehe seine Blicke und auch die Deinen. Beide sind voller
Sehnsucht, aber auch voller Zweifel und Wut auf sich selbst, weil hier
etwas geschieht, was ihr beide nicht wahrhaben wollt." Renata begann zu
zittern.
"Ich kann es nicht gutheißen und werde es auch ganz sicher nicht
unterstützen, aber ich kann Dir helfen klar zu werden, was da gerade
passiert. Hast Du Dich jemals der fleischlichen Lust hingegeben, bevor
Dich Dein Weg zu uns geführt hat ?" "Nein Mutter, so wahr ich hier
sitze, niemals ....." "Schon gut, mein Kind, ich wollte Dich nicht
verurteilen. Ich versuche nur zu ergründen ob Du etwas verloren
Geglaubtes zurückhaben willst, oder ob Du etwas, Dir völlig Fremdes
spürst und deswegen verwirrt bist."
Renata wollte und konnte dazu nichts sagen und so starrte sie wieder nur
auf ihre Hände. "Was soll ich nur tun ?" "Was würdest Du tun, wenn Du
nicht mehr in diesen Mauern wärest? Ich meine, was wäre dann deine
Lebensperspektive? Was wäre Deine Zukunft?" Renata sagte lange nichts,
sie starrte nur mit leerem Blick vor sich hin und die Oberin drängte
sie auch nicht. "Ich....."fing Renata plötzlich leise an, "ich denke
ich würde einen Beruf erlernen und dann arbeiten wie jeder andere
auch."
"Und glaubst Du, dass Du dann weniger wert wärst in Gottes Augen ?" "Ich
hätte ihn enttäuscht, das glaube ich. Ich schwor ihm allein zu dienen."
"Mag sein, aber Gott ist nicht so nachtragend wie Du denkst",
antwortete die Oberin und musste schmunzeln, "er wäre kein guter Gott
wenn er darauf bestehen würde Dich für sich ganz allein zu haben,
meinst du nicht ? Oder ist es nicht wahrscheinlicher, dass er Dich
lieber mit einem guten irdischen Mann teilen würde und du glaubst
trotzdem noch an ihn und betest zu ihm ?" Renata sah nun die Priorin
mit großen Augen an. "Mutter Oberin, du bist immer so weise und hast
auf alles eine Antwort, die sogar ich kleines Nichts begreife. Jetzt
weiss ich was ich zu tun habe."
Nun war die Oberin doch erstaunt über die Worte Renatas und hob die
Augenbrauen. "Ach ja ? Na das war ja einfach." Sie lächelte. "Und was
wirst Du tun ?" "Das möchte ich jetzt noch nicht sagen wenn Du es
gestattest." "In Ordnung, aber bitte informiere mich bevor du etwas
unternimmst, und nicht hinterher. Versprochen ?" "Versprochen", nun
lächelte auch Renata wieder. Die Oberin verlies das Zimmer und Renata
schloss die Türe. Sie sah wieder zum Kruzifix und nickte ihm zu. "Danke
auch Dir o Herr, für Deine Güte."
In den kommenden Tagen war Renata wieder gut gelaunt und ihre Stimmung
fiel sogar den anderen Mitschwestern auf. Renata hatte einen
Entschluss gefasst und konnte es nicht abwarten Phillip davon zu
berichten. Sie zählte die Stunden bis er wieder zur Arbeit gebracht
wurde.
An dem Morgen, als Phillip wieder da war, brachte Renata beim Frühstück
vor Aufregung keinen Bissen hinunter. Sie wollte endlich wieder Phillip
in die Augen sehen und ihm sagen, dass sie mit ihm fortgehen wollte.
Natürlich erst wenn er aus dem Gefängnis kam. Sie musste ja auch noch
ihre Pflicht erfüllen im Kloster, aber nun war sie sich sicher was sie
wollte. Zumindest glaubte sie es zu wissen.
Phillip war wie immer schon im Garten zu Gange als Renata den Hof
betrat. Phillip kehrte ihr den Rücken zu und sein Wächter war auf dem
Weg zur Küche. Er nickte Renata nur zu und ging weiter. Renata ging auf
Phillip zu und berührte ihn am Ellenbogen. Er erschrak und drehte sich
rasch zu ihr um. "Entschuldige", sagte Renata verlegen, "Ich wollte
Dich nicht erschrecken." "Oh", gab Phillip zurück," die Berührung war
Nichts im Vergleich zu dem Kuss." Renata wurde rot "Das war nicht
Recht, bitte verzeih mir. Ich habe Dich nicht in Schwierigkeiten
bringen wollen." Sie senkte den Blick. "Aber ich musste es tun. Es....
es erschien mir richtig zu sein in diesem Moment." Auch er senkte den
Blick und Renata sah ihn nun wieder an. Er flüsterte fast "Aber es war
der schönste Kuss, den ich jemals bekommen habe." Renata sah sich um ob
sie allein waren. Niemand war in der Nähe und so nahm sie Phillips Hand
in ihre. "Komm mit", flüsterte sie nun auch. Sie zog ihn Richtung Türe.
Er folgte ihr mit verwirrtem Blick. In diesem Moment erschien der
Wächter wieder im Türrahmen und Renata konnte gerade noch Phillips Hand
unauffällig loslassen.
"Wohin des Weges" fragte er Phillip mit rauer Stimme. Dieser sah immer
noch verwirrt Renata an. "Ich bat ihn mir die schweren Körbe für die
Ernte aus dem Keller zu holen und da er den Weg nicht kennt gehe ich
rasch mit." "Hmm, da komm ich wohl besser mit. Sicher ist sicher." Er
setzte sich in Bewegung. Renata reagierte schnell "Nicht nötig, es ist
ja gleich hier und wenn was sein sollte dann rufe ich sie, ganz
bestimmt. Wir sind gleich zurück." Der Wachmann kniff die Augen
zusammen, aber die Aussicht auf eine Kellertreppe und ein Blick auf
seinen nicht unwesentlichen Bauch bewogen ihn dann doch lieber wieder
in die Küche zu gehen auf einen kleinen Nachschlag und eine weitere
Tasse Kaffee.
Renata sah sich noch mal um und als sie sicher war, dass niemand sonst