Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen. Billy Remie

Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen - Billy Remie


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      Ich atmete tief durch ... und ließ sie los.

      Die junge Frau stolperte von mir weg und wirbelte dann irritiert erneut zu unserem Tisch herum. Ich und Derrick stützten uns auf die Tischplatte und sahen gelassen zu ihr hinauf.

      »Dann hätte ich gerne zwei volle Krüge Met und für mich und meine Männer das Beste, was Eure Küche zu bieten hat, meine Schöne.«

      Sie wusste einen Moment nicht, ob sie mich hassen oder mich anhimmeln sollte, als ich ihr mein charmantes Lächeln schenkte.

      Doch sie besann sich wieder und räusperte sich. »Wo ist mein Bruder?«, fragte sie und blickte zur Tür, durch die Egid mit dem Küchenjungen verschwunden war.

      Derrick und ich tauschten Blicke aus, wir schmunzelten.

      Ich wandte mich mit einem Schulterzucken wieder an die junge Frau. »Er geht gerade auf einen wilden Ritt, nehme ich an.«

      Derrick schnaubte amüsiert.

      Die junge Frau wusste nicht, ob sie bleiben oder nach ihrem Bruder sehen wollte.

      »Bitte, geh nur, Teuerste«, forderte ich sie auf. »So wie ich unseren Egid kenne, wird es ihn nach einer Nachspeise verlangen, wenn er fertig ist.«

      Meine Männer grölten vor Lachen.

      Derrick mischte sich ein: »Oder Ihr geht und holt unsere Bestellung.« Er klang eindringlich ... führsorglich. Dieser gefühlsduselige Narr!

      Sie schluckte schwer, während sie nachdachte.

      »Kommt schon, so schwer kann das doch nicht sein!« Ich stand auf und legte ihr einen Arm um die Schulter. Plaudernd lenkte ich sie zu meinen Männern. »Entweder du versorgst mich und meine ehrenwerten Brüder mit Speis und Trank, oder«, ich legte meine Lippen an ihr Ohr und senkte die Stimme zu einem verheißungsvollen Flüstern, »wir vernaschen dich.«

      Derrick lachte dunkel an unserem Tisch, doch er klang ebenso nervös wie die junge Frau aussah, denn er wusste, dass ich nicht scherzte.

      Erneut schluckte die junge Frau, während ihr Blick über meine Männer schweifte. Lazlo juckte es schon in der Hose, ich konnte sehen, wie er sich mit zur Hilfenahme seiner Hand platz im Schritt verschaffte. Manolo der Berg leckte sich gierig über die Lippen. Corin aus Cord – oder wie ich ihn gerne nannte: Corin ›kann nichts‹ aus Cord – öffnete bereits seine Hose.

      Die junge Frau wandte sich aus meinen Griff und eilte zur Küche.

      Meine Männer schienen enttäuscht.

      »Und sie wahrt nie wieder gesehen«, sagte Derrick laut.

      Ich lachte. Lachte brüllend. Viel zu laut. Ein irres Lachen. Meine Männer sahen mich irritiert über diese Stimmungsschwankung an, zumal Derricks Kommentar nicht halb so witzig gewesen war, wie mein Lachen vermuten ließ.

      Ich verstummte jedoch, als plötzlich der Wirt mit einem gezogenen Schwert hinter mir stand.

      »Der Teufel soll Euch holen!«, schrie er und schlug mit der Klinge nach mir.

      Derrick sprang auf, er zog die Armbrust von seinem Rücken. Aber sein Eingreifen war nicht nötig. Der alte Mann hatte das Schwert nicht hart genug schwingen können, sodass ich die Klinge mit Leichtigkeit mit der Hand abfangen konnte.

      Verblüfft darüber, dass ich mir ohne ein Zucken meiner Wimpern eine Schnittwunde hatte zufügen lassen, nur um das Schwert abzufangen, starrte der Alte mich an.

      Ich presste die Hand zu, Blut quoll hervor. Mein Blut. Ich liebte die Wärme der dunkelroten Flüssigkeit, die meinen Arm hinab rann und von meinem Ellbogen tropfte.

      Der alte Mann mit dem ergrauten Haar starrte mich entsetzt an.

      Ich grinste ihm ohne Freude in seine fassungslose Miene und behauptete: »Ich bin der Teufel!«

      Ich zog einen Dolch und wollte ihn abstechen.

      »Mel!«

      Derricks Stimme, die meinen Spitznamen aussprach, den ich so lange nicht mehr vernommen hatte, ließ mich sofort innehalten.

      Mel ... Mel ... Meine Brüder hatten mich so genannt. Mein kleiner Bruder Melvin hatte mir den Namen verpasst, es war sein erstes Wort gewesen, weil er meinen vollen Namen damals nicht hatte aussprechen können.

      Ich sah Derrick an, noch immer die Klinge des alten Mannes in der Faust haltend. Meine Augen waren wild, meine Nasenlöcher bebten. Ich war Blind vor Zorn.

      Derrick senkte seine Armbrust. »Er ist nur ein alter Mann. Ein unwissender alter Mann.«

      Ich atmete tief durch. Einmal. Zweimal. Und ein drittes Mal. Schließlich blickte ich dem alten Mann ruhig in die Augen. Ich steckte den Dolch wieder weg und nahm ihm das Schwert vorsichtig aus der Hand.

      »Geht, alter Mann«, befahl ich ihm. »Nehmt Eure Kinder und Eure Frau, versteckt Euch, bis wir weg sind.«

      Ich gab das Schwert an Kostja weiter, der damit davoneilte, bevor es ihn jemand streitig machen konnte. Ein gutes Schwert war kostbarer als Edelsteine, wenn man auf der Straße lebte.

      »Der König wird Euch hinrichten«, zischte mir der alte Mann entgegen. »Er wird Euch jagen und Gerechtigkeit über Euch walten lassen.«

      Kalter Hass durchströmte meine Venen, meine Augen wurden dunkel. Der Alte wich bei meinem Anblick erschrocken zurück.

      »Abwarten«, presste ich hervor und musste mich erneut zurückhalten, keinen Unschuldigen ohne triftigen Grund niederzumetzeln. Das hätte gegen meinen eigenen Kodex verstoßen.

      Ich musste mich selbst aufhalten, bevor ich dem Blutrausch verfiel.

      »Ja, warten wir ab«, sagte ich entschlossener und grinste. »Euer König ist alt. Ein paare Jahre werde ich ihm noch entkommen können. Und wenn er dann endlich tot ist, ist niemand da, der den Thron besteigt. Wer fügt mir dann meine gerechte Strafe zu?«

      »Der Thronerbe«, schleuderte er mir entgegen.

      Meine Mundwinkel fielen herab. »Was sagt Ihr da?«

      »Wisst Ihr es nicht?«, fragte mich der alte Mann.

      Benommen schüttelte ich den Kopf. Laut Gerüchten waren alle rechtmäßigen Erben tot. Seit verfluchten zehn Jahren schon! Keiner kannte die Wahrheit, vor allem nicht dieser Fremde.

      »Königin Pearl schenkte König Amon einen gesunden Sohn«, berichtete der alte Mann und triumphierte über meine entsetzten Gesichtszüge. »Vor zwei Jahren schon.«

      Meine Hand umklammerte den Griff meines Schwerts. Meines Familienschwerts mit dem ich gewachsen war. Zusammengewachsen war. Es war ein Teil von mir, wie einer meiner Arme. Es gehörte einfach zu mir. Meine Hand packte so fest zu, dass sie zitterte.

      »Das kann nicht sein«, hörte ich Derrick fassungslos flüstern.

      »Zwei Jahre«, hauchte ich und wurde bleich. »Zwei Jahre ist der Erbe schon alt?«

      Der alte Mann nickte.

      Meine Augen versprühten Hass, als ich ihn ansah. »Und Ihr seid ein treuer Anhänger des Königs? Des Verräterkönigs

      Die Augen des Alten zuckten ruhelos umher, als sich hinter mir meine Brüder erhoben. Ich konnte das Leder ihrer Rüstungen knirschen hören und das Erklingen der gezogenen Schwerter und Dolche.

      Ich sah Wissen in den Augen des alten Mannes. »Ihr seid ein Rebell!«

      Doch ich schüttelte den Kopf. »Nein, alter Mann. Ich bin die Gerechtigkeit!«

      Ich zog mein Schwert und hob es weit über meinen Kopf. Der alte Mann duckte sich und hob abwehrend seine Arme.

      »Nein!«, hörte ich Derrick rufen, und im nächsten Moment kreuzte seine Klinge die meine, noch bevor ich den Alten niederstrecken konnte.

      Hasserfüllt starrte ich Derrick an, ich hatte große Lust, ihm die Schwertklinge in den Leib zurammen.

      Derrick


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