Gesünder länger leben. Prof. Dr. Jürgen Ennker
Krankheiten in der Familie, Bewegungs- und Schlafmangel, schlechte Ernährung, Rauchen und Alkohol das Leben ab. Umgekehrt kann man durch einen optimalen Lebensstil, Normalgewicht, geistige Fitness, gute sozialer Kontakte und ein befriedigendes Sexualleben ein paar Jahre herausholen. So kann ein biographisch 50-Jähriger – biologisch gesehen – erst 45 Jahre jung oder schon 55 Jahre alt sein und hat entsprechend gute Aussichten auf ein langes Leben – oder eben schlechtere.
Die diagnostische Sicherheit der üblichen Internet-Tests liegt bei rund 85 Prozent. Um das biologische Alter ganz genau zu ermitteln, müsste man Hunderte von Parameter miteinbeziehen, auch klinisch relevante Daten, wie Messungen von Organfunktionen und Blutwerte.
In der Regel erreicht ein heute lebender Mensch mit 30 seinen Zenit. Danach beginnt das biologische Altern. Und schon ab 40 bekommt man seine Folgen mehr und mehr zu spüren. Deshalb sollte man so früh wie möglich damit anfangen, durch einen gesunden Lebensstil und die Nutzung der modernen Möglichkeiten der Medizin sein ganz persönliches Anti-Aging-Programm zu starten.
Fazit: Die Lebenserwartung steigt jedes Jahr um drei Monate. Wie lange jemand lebt, hängt vor allem von seinen Genen, seinem Lebensstil, von Bildung, Beruf, Einkommen und sozialen Kontakten ab. Das biologische Alter kann erheblich vom kalendarischen abweichen.
2. Die Lebensqualität
Was ist Gesundheit?
Ein langes Leben allein ist aber nicht viel wert ohne eine gute Gesundheit. Vielmehr gilt diese durch alle Zeiten und Kulturen hinweg als höchstes Gut, als Grundlage und Garant für ein langes und vor allem lebenswertes Leben. Was aber bedeutet es, gesund zu sein? Und ist Gesundheit tatsächlich nicht käuflich?
Die offizielle Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO lautet: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“
Doch wer bestimmt, ob jemand gesund ist? Der Arzt oder der Patient? Was ist, wenn alle Tests und Untersuchungen unauffällig sind, sich der Mensch aber dennoch unwohl fühlt, Schmerzen hat oder schwermütig ist?
Heute ist man sich einig, dass der Begriff der Gesundheit objektiven und subjektiven Kriterien standhalten muss und diese je nach den aktuellen Lebensbedingungen wechseln können. Demnach ist jemand gesund, „(...) wenn diese Person sich in den physischen, psychischen und sozialen Bereichen ihrer Entwicklung im Einklang mit den eigenen Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet.“
Fazit: Gesundheit ist also ein dynamischer Prozess und kein Zustand, den man – einmal erreicht – nie mehr verlieren kann. Sobald sich an den individuellen Lebensumständen etwas zum Schlechteren ändert, kann das Risiko für Krankheiten sehr wohl steigen.
Die Grundlagen der Gesundheit
Zu den allgemeinen Grundvoraussetzungen der Gesundheit zählen körperliche, seelisch-geistige sowie soziale und materielle Umstände bzw. Fähigkeiten.
Zu den körperlichen gehören etwa gute Gene (siehe Kapitel 1), eine gesunde Ernährung, eine saubere Umwelt, eine sichere Umgebung und Schutz, genug Bewegung, Entspannung und Auszeiten, täglich ausreichend Schlaf, eine erfüllte Sexualität, soziale Bindungen und gute Arbeitsbedingungen.
Zu den seelisch-geistigen Voraussetzungen zählt man Sicherheit und Geborgenheit, Liebesfähigkeit und Geliebtwerden, Selbstachtung und Selbstvertrauen, Freiheit und Verbundenheit. Aber auch die materielle Grundlage des Lebens muss vorhanden sein, wenn man so lange wie möglich gesund bleiben will. Dazu gehören soziale Sicherheit, eine Wohnung, ein wenigstens minimaler Wohlstand, sauberes Trinkwasser und Nahrung.
Je mehr dieser Rahmenbedingungen vorhanden sind, desto größer stehen die Chancen auf eine gute Gesundheit.
Die Bedeutung der materiellen Basis
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass wohlhabende Menschen nach medizinischen Maßstäben gesünder sind als weniger privilegierte. Die Gründe: Reichere Schichten sind in ihren Berufen weniger gesundheitlichen Risiken ausgesetzt und haben dazu meist besser bezahlte Jobs. Dadurch haben sie finanziell größere Chancen, materiell die nötigen Grundlagen für eine gute Gesundheit zu schaffen: So wohnen sie zum Beispiel in besseren, weniger lauten und verschmutzten Regionen oder Stadtteilen, können sich hochwertigere Lebensmittel kaufen und haben einen besseren Zugriff auf die Möglichkeiten der modernen Medizin, mit denen man die Gesundheit und Lebensqualität selbst bei Krankheit besser erhalten kann. Denn das pluralistische System an gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen mit unterschiedlichen Leistungspaketen ermöglicht selbst in unserem Sozialstaat nicht für alle den gleichen Zugang zur bestmöglichen Therapie.
Die Bedeutung der Zufriedenheit
Interessant ist allerdings, dass Geld oberhalb eines einfachen Grundeinkommens keinen Einfluss mehr auf unser Glücksempfinden hat. Das belegt erneut der aktuelle „World Happiness Report“ der New Yorker Columbia University. Danach wohnen die glücklichsten und zufriedensten Menschen nicht etwa in den Ländern mit dem höchsten Bruttoinlandsprodukt wie Deutschland, Frankreich oder Kuwait, sondern in den nördlichen Ländern der Welt, wie Dänemark, Finnland und Norwegen, den Niederlanden, Kanada und der Schweiz, wo neben der materiellen Grundlage noch andere Faktoren dazukommen. So fanden die Wissenschaftler heraus, dass vor allem die rechte Mischung aus Selbstbestimmung und Sicherheit, Arbeit und Freizeit sowie Beziehungen zu Freunden und Familie glücklich macht.
Dieser Trend gilt auch für Deutschland. „Ab einem Pro-Kopf-Einkommen von rund 5000 Euro im Monat hat Geld hierzulande keinen Einfluss mehr auf das Glücksempfinden. Gesundheit, Familie, Freundschaften stehen für viele dagegen im Mittelpunkt von Zufriedenheit und Lebensqualität“, bestätigt Zukunftsforscher Prof. Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen: „Auch wird die körperliche und geistige Fitness in den nächsten Jahren noch einen größeren Stellenwert bekommen. Wohlergehen wird wichtiger als Wohlstand.“
Das Bruttoinlandsprodukt ist als kein Maßstab für Lebensqualität. Entscheidender für das Glücksempfinden der Menschen sind vielmehr die Faktoren Sicherheit, Freizeit, Einkommensverteilung und eine saubere Umwelt.
Fazit: Glück und Zufriedenheit sind nicht käuflich, jedoch zwei wesentliche Grundlagen der psychischen Gesundheit, die wiederum ein wichtiger Baustein der Gesundheit als Ganzes ist.
Individuelle Vorstellungen von Lebensqualität
Die Meinung darüber, was Lebensqualität und damit Gesundheit bedeutet, kann jedoch von Mensch zu Mensch stark von dem abweichen, was Forscher nach jahrzehntelanger Wissenschaft für besonders gesund halten. Jeder kennt einen Stubenhocker, der glücklich und zufrieden ist, wenn er daheim auf dem Sofa sitzt, statt – wie es für seine Gesundheit besser wäre – regelmäßig vor die Tür zu gehen. Und unser Kette rauchender Altkanzler Helmut Schmidt würde in den Talkshows wohl nur halb so zufrieden wirken, wenn man ihm seine Zigaretten verwehren würde. Sicher lässt uns ein nach medizinischen Gesichtspunkten idealer Lebensstil länger leben als Zufriedenheit. Fest steht aber auch, dass Menschen, die zufrieden sind, automatisch gesünder leben als unzufriedene. Der Grund: Sie müssen ihre Unzufriedenheit nicht durch ungesundes Verhalten wie übermäßiges Essen, mediale Ablenkung, Trägheit oder Tabletten kompensieren.
Anhand von Untersuchungen wissen wir nur, wie Menschen selbst ihre Lebensqualität in Bezug auf die Gesundheit bewerten.
Das einzige Vergleichsinstrument für eine Gesamtbewertung des Gesundheitszustandes und zwar auf der Grundlage individueller Wertungen im Zusammenhang mit den sozio-ökonomischen Verhältnissen ist der EuroQol 5D (EQ-5D). Die aktuellsten Zahlen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Health Related Quality of Life, kurz HRQL) in Deutschland kommen aus der Studie „Gesundheitszustand bei Erwachsenen in Deutschland aus dem Jahre 2010. Dafür hatten Wissenschaftler insgesamt Daten von 1966 Erwachsenen ab 20 Jahren ausgewertet.
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