Der verborgene Erbe. Billy Remie

Der verborgene Erbe - Billy Remie


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für die Vergiftungen der zahlreichen Tierarten des Regenwaldes. Ebenso wenig gab es einen Schutz gegen diese lästigen Fliegen, von deren Stichen sie allesamt große Beulen davontrugen.

      Da sie sich noch nahe an den Truppen des Kaisers befanden, konnten sie noch immer kein Feuer anzünden, doch hungern mussten sie deshalb nicht, sie hatten genügen Vorräte bei sich, um bis zum Winter – wenn nötig – auszuharren. Glücklicherweise war es ohnehin viel zu warm, um es in der Nähe eines Lagerfeuers auszuhalten. Selbst so früh am Morgen lief Wexmell der heiße Schweiß über das Gesicht. Und es gab keine Wasserquelle weit und breit, die vertrauenswürdig gewesen wäre. Selbst wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten, das Wasser abzukochen, bevor sie es tranken oder damit ihre Haut wuschen, bestand bei jedem Flussufer die Gefahr, dass sie von einem Alligator geschnappt und gefressen wurden.

      Elkanasai, was für ein seltsamer Ort, seufzte Wexmell in Gedanken. Mit Desiderius an seiner Seite hätte er sich wesentlich sicherer gefühlt. Was kein Wunder war, denn Derius hatte Wexmell sogar vor einem riesigen Eisdrachen beschützen können.

      Was hätte wohl ein Alligator gegen den Blutdrachen ausrichten können?

      Aber Wexmell verlor sich mal wieder in Erinnerungen, die ihm nicht weiterhalfen. Desiderius war nicht mehr da, er würde auch nicht mehr zurückkommen, damit mussten sie alle zurechtkommen. Und das würden sie!

      Während Luro und Allahad bereits in Alarmbereitschaft waren und kampfbereit das Unterholz im Auge behielten, schritt Wexmell durch das Lager und weckte leise die anderen. Zunächst Melecay und Dainty, dann Karrah, Janek, Iwanka und Lazlo. Sie alle legten leise ihre Waffen an, dann horchten sie gemeinsam auf die Geräusche aus dem Wald.

      In der Nähe rauschte das Wasser eines riesigen, reißenden Flusses, den sie zu gegebener Zeit an einer günstigeren Stelle überqueren werden müssen. Bunte Vögel, größer als Raben, hockten paarweise in den Baumkronen über ihnen und sangen melodische Lieder. Die Blätterdächer raschelten nicht weit von ihrem Lager entfernt, Brüllaffen erzeugten einen Lärm, der fast alles andere übertönte. Irgendwo grollte ein müder Jaguar.

      »Wie, Herrgott noch mal, sollen wir bei diesem Lärm Feinde erkennen?«, zischte Melecay wütend, er hielt sein Schwert mit dem kunstvoll gearbeiteten Griff aus Gold bereits in der Faust, willig, jemanden damit zu zerhacken.

      »Wenn Ihr genau hinhört, erkennt Ihr einen Unterschied«, erwiderte Luro leise. Sein Blick huschte umher, doch er schien nicht mit den Augen, sondern mit den Ohren zu suchen.

      Wexmell, dessen Atem bei jedem Geräusch nervös schneller geworden war, und der sich bei jedem Rascheln umgedreht hatte, entspannte sich etwas, als er Luros unerschütterliche Ruhe bemerkte.

      »Vermutlich war es eine Ratte im Unterholz, die Ihr mit einem Feind verwechselt habt«, konterte Melecay gereizt und steckte das Schwert wieder wütend in die Scheide.

      Seine Laune verschlechterte sich täglich. Die Hitze machte ihn noch reizbarer, als er ohnehin schon war.

      »Vertrauen wir auf das Urteil unseres Jägers«, schalte Wexmell ihn, nahm seiner Worte mit einem gewinnenden Lächeln jedoch die Schärfe. »Luro spürt die Tierwelt um uns herum besser als jeder andere. Wenn uns eines der Tiere feindlich gesinnt ist, spürt er es sofort. Wenn der Feind jedoch kein Tier ist, wird er es auch wissen.«

      »Und wie?«, fragte Melecay barsch, der Zweifel stand ihm ins Gesicht geschrieben.

      Bevor Wexmell antworten konnte, mischte Karrah sich genervt ein: »Wo ein Zweibeiner steht, machen wilde Tiere einen Bogen. Hättet Ihr nur halb so viel Verstand wie schlechte Laune, wäret Ihr selbst darauf gekommen.«

      Melecay fuhr mit einem eisigen Blick zu ihr herum. Plötzlich war Wexmell froh, dass der Großkönig sein Schwert wieder in die Scheide gesteckt hatte. »Passt ja auf, Hexenweib, nur weil Ihr die Beine um den Leib meines Bruders schlingt, habt Ihr noch lange nicht das Recht, derart mit mir zu sprechen. Ich bin Euer König, Ihr zeigt gefälligst etwas Respekt!«

      Dainty legte seinem Gemahl bereits eine Hand auf die Schulter, die jedoch mit einer gereizten Geste abgewehrt wurde.

      Karrah starrte den Großkönig weiterhin trotzig an, Melecay starrte streng zurück. Das konnte nicht gut ausgehen, beide waren zu stur, zum Nachgeben.

      »Ihr seid ein widerwärtiger Mann, der überhaupt nicht mehr am Leben sein sollte, wenn es nach unseren Göttern ging«, sagte Karrah wütend.

      »Scht!«, fuhr Luro sie an, er hatte etwas gehört. Allahad fuhr sofort zum Wald herum, seine Augen suchten gemeinsam mit Luros die Gegend ab.

      Die anderen verfolgten stumm den Streit.

      Melecay machte einen drohenden Schritt auf Karrah zu. »Tja, scheint wohl so, als wäre mein Gott mächtiger als Eure Götter, kleine Hexe, denn er hielt seine schützende Hand über mich.«

      »Es waren Bellzazars Fehleinschätzungen, denen Ihr Euer Leben verdankt.«

      »Und doch könnt Ihr nichts daran ändern, Ihr verhätscheltes, kleines Mist-«

      »Genug!« Wexmell gebot ihnen beiden mit einer erhobenen Hand und strenger Stimme Schweigen. »Das genügt jetzt. Kein Wort mehr! Von keinem von euch beiden!«

      Er sah von Melecay wütend zu Karrah, die beschämt den Kopf senkte. Sie wusste, er wurde nicht schnell wütend.

      Und wenn er es war, dann aus gutem Grund.

      »Ja, Vater.«

      Melecay atmete gereizt aus, nickte aber schmallippig. »Wie Ihr wünscht, Wexmell.«

      »Seid Ihr eigentlich beide übergeschnappt? In einer solchen Lage auch noch lauthals zu streiten!«, fragte er fassungslos, jedoch leise zischend. »Wir müssen zusammenstehen, zusammenarbeiten, oder wir liefern uns unseren Feinden aus, wie eine an den Baum gefesselte Beute dem wilden Wolf. Ich will nie wieder einen Streit von euch beiden hören. Wir müssen uns aufeinander verlassen. Karrah, sammle deine Kräfte – und ja, damit wirst du Melecay genauso schützen, wie du mich damit schützt. Und Melecay, zieht Euer Schwert, und auch Ihr werdet Karrah, und jeden einzelnen von uns, damit so schützen, wie Ihr Euch selbst damit schützt, verstanden? Wenn nicht, brechen wir das alles sofort ab und gehen unerledigter Dinge wieder heim. Denn ich führe keinen von euch in den Tod, diese Schuld will ich mir nicht auflasten. Sind wir uns darin einig?«

      Sie schwiegen stur.

      »Ich will es hoffen«, sagte er noch dazu. »Ihr seid beide erwachsen, bei den Göttern, dann verhaltet Euch doch auch so!«

      Ja, die Hitze machte alle Gemüter leicht reizbar, und Schlafmangel trug dazu bei, dass Wexmell ausnahmsweise nicht unermüdlich geduldig war. Außerdem fürchtete er sich vor dem, was auch immer im Regenwald lauerte.

      Luro schlich plötzlich rückwärts vom Waldrand zurück, er packte dabei Allahads Arm und zog ihn mit sich.

      »Was ist los?«, fragte Wexmell besorgt, als er hinter die beiden trat. Ihnen beiden vertraute er mehr als sonst jemanden, der noch lebte. Auf sie konnte er sich stets verlassen.

      »Etwas Böses lauert im Wald«, hauchte Luro furchtvoll, »ich kann es fühlen, Wexmell.«

      Der Blick, den er über die Schulter Wexmell zuwarf, sprach Bände.

      Wexmell wusste sofort Bescheid. Er drückte sich an ihm vorbei und zog sein Schwert. »Aufstellung. Karrah und Dainty nach hinten, ich will Zauber sehen. Die Bogenschützen – Luro, Iwanka und Janek, umschließt sie und haltet uns die Flanken frei. Die Schwertkämpfer zu mir, sofort!«

      Melecay nahm den Platz rechts neben Wexmell ein, er zog wieder sein königliches Schwert, dessen makellose Schneide im Dämmerlicht des Morgens aufblitzte. Allahad zog seine zwei Krummschwerter und trat links neben Wexmell. Lazlo, mit seinem vernarbten Gesicht, blieb bei Melecay.

      »Was genau ist dort im Wald?«, fragte der Großkönig mit argwöhnischer Stimme, ohne den finsteren, drohenden Blick von den dichten Blätterwänden um sie herum zu nehmen.

      Wexmells Atem kam stoßweise aus seiner Nase. Er hasste die Nervosität


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